Die Schönheit von Luzern wird massgeblich durch die Nähe der Alpen geprägt, die der Stadt eine unvergleichliche Kulisse verleihen. Am heutigen Tag ragen die schneebedeckten Gipfel gerade aus dem Nebelmeer empor, die Strassen sind ruhig, nur wenige Menschen lockt das graue und kalte Wetter hinaus. Doch ich lasse mich davon nicht beeindrucken. Schliesslich bin ich auf dem Weg, um eine kulinarische Neueröffnung in der Stadt zu entdecken. Eine, die sich genau von dieser manchmal rauen, kühnen Alpinwelt hat inspirieren lassen. Das Restaurant «CAAA» unter der Leitung des visionären Chefkochs Pietro Catalano hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur Gaumenfreuden zu bereiten, sondern auch eine sinnliche Reise durch die transalpinen Gemeinschaften zu bieten.
Autorin_Swenja Willms
Bilder_CAAA
Schon beim Betreten des Lokals, das seit Oktober seine Gäste empfängt, wird die Ruhe und Erhabenheit der Alpen spürbar. Die Räumlichkeiten hüllen mich in einen sanften Kokon. Natürliche Materialien, Holztische und eine abstrakte Lichtinstallation schmücken die vier Wände. Die Decke des Speisesaals, ein Meisterwerk des Architekturbüros «External Reference», ist geformt als lebendige Gebirgskette mithilfe eines 3-D-Druckers und aus wiederverwertbaren Materialien wie Zellulose, Glas, Holz und Kunststoff. Eine harmonische Vereinigung von Nachhaltigkeit und zeitgemässem Design.
Das Ambiente spiegelt die Einfachheit der transalpinen Küche wider, die ursprünglich in den pastoralen Gemeinschaften der Hochtäler des Piemont, Liguriens und der Alpes-Maritimes in Frankreich, im Nordwesten Italiens sowie in den Schweizer Alpen entstand. Auch als «Cucina Bianca» oder «weisse Küche» bekannt, verdankt sie ihren Namen der farblosen Natur grundlegender Zutaten wie Mehl, Kartoffeln, Lauch, Rüben, Milchprodukten und Hülsenfrüchten. Die Küche des «CAAA» zeichnet sich folglich durch ihre Einfachheit und die Verwendung von frischen, lokal bezogenen Zutaten aus. Auch Pietros persönliche Erfahrungen als Koch wurden massgeblich von den Alpen beeinflusst, weshalb sein Kochstil auf eben dieser Küche basiert, jedoch mit dem Einsatz hochwertiger Schweizer Zutaten.
Eine kreative Fusion
Im «CAAA» ist Essen nicht nur eine Mahlzeit, sondern eine sinnliche Reise, beginnend an der Bar. Denn das Dineology-Konzept vereint Fine Dining mit der Möglichkeit des Cocktail-Pairings, wodurch Mixologie auf innovative Weise mit der Küche verschmilzt. Also nehme ich Platz im Hinterstübchen des «CAAA». Gleich einem Chemielabor stehen an der Mixology-Bar Zentrifugen, Reagenzgläser und allerlei Bartender-Schnickschnack. Denn die Getränke im «CAAA» spielen eine ebenso bedeutende Rolle wie die Speisen. Stefania Catalano, die Schwester des Chefkochs, kuratiert eine exquisite Auswahl an Weinen, während die experimentelle Bar innovative Cocktails und Mocktails präsentiert. Besonders ausgefallen dabei: die acht alkoholischen Cocktails und sechs Mocktails sind von Geräuschen wie dem Karneval, einem knisternden Kamin oder fallendem Schnee inspiriert – «Flavours of Sounds» wie es Pietro Catalano nennt.
Bei der Entwicklung des Konzepts wurden neueste Techniken wie Vakuumdestillation, Zentrifuge und Fermentation eingesetzt. Die daraus gewonnenen Essenzen stehen symmetrisch aufgestellt im Regal neben der Bar. Bar-Manager Rafael Alario öffnet auch gerne mal ein Fläschchen für neugierige Nasen: Zimt, Basilikum oder Mandel – der Kreativität scheint keine Grenzen gesetzt zu sein. Zum Mocktail wird ein erster Vorgeschmack auf das Menü gereicht: «Ricordi» sind drei verschiedene Snacks aus den Kindheitserinnerungen des Chefkochs – ein kunstvoll hergerichtetes Tartlette aus Buchweizen, Topinamburcreme und fermentiertem Kürbismousse, eine schwarze Pate à Choux mit weisser Trüffelcreme und Catalanos Interpretation einer Älplermagrone mit frischen Äpfeln, Zwiebelsable und Frischkäse. Ein spannender Auftakt.
Jede Mahlzeit ein Kunstwerk
Wir wechseln in den Speisesaal mit Blick auf die offene Küche. Gewollt kryptisch drückt sich Pietro Catalano in seiner Speisekarte aus. Schliesslich soll das Menü eine Reise voller Überraschungen sein. Kulinarische Kreativität wird hier nicht nur aufgetischt, sondern auch gelebt. So ist es stets möglich, dass die Speisekarte je nach Stimmung des Kochs und der saisonalen Zutaten geändert werden kann. Dies gewährleistet ein sich ständig weiterentwickelndes kulinarisches Erlebnis, das überrascht und erfreut. Jedes Gericht wird von den Köchen persönlich an die Tische gebracht, begleitet von Erklärungen zu den Zutaten oder persönlichen Anekdoten.
«Mit jedem Gericht, das ich zubereitet habe, zielte ich darauf ab, das Gewöhnliche zu überschreiten und das Aussergewöhnliche zu umarmen.» – Pietro Catalano
Nachdem mir das zweifelsohne schönste Brot der Welt serviert wurde – gebacken mit erstklassigem Bio-Mehl, Sauerrahmbutter und Alpenoliven –, tauche ich genussvoll ein in die vielfältigen Aromen des Menüs. Von mariniertem Grünkohl mit Trüffel und Fischsauce über Agnolotti-Ravioli, die in einer wohltuenden Waldbrühe mit Fichtenöl schwimmen, bis hin zu verlockenden Süssspeisen aus Sanddorn, fermentiertem Honig und schwarzem Tee – jede Kostprobe ist eine kulinarische Entdeckung. «Mit jedem Gericht, das ich zubereitet habe, zielte ich darauf ab, das Gewöhnliche zu überschreiten und das Aussergewöhnliche zu umarmen. Ich wollte ein Esserlebnis schaffen, das über die blosse Nahrungsaufnahme hinausgeht, eines, das die transalpine Essenz der Küche feiert und Kulturen sowie Aromen verbindet», erzählt Pietro Catalano.
Nach meiner kulinarischen Odyssee fühle ich eine noch intensivere Verbundenheit mit meiner Heimatstadt Luzern. Es erfreut mich, dass das bürgerliche Städtchen nun eine neue Anlaufstelle für gastronomische Entdeckungen bietet. Und wenn das nächste Mal die Sehnsucht nach Bergen und Abenteuern ruft, werde ich vielleicht nicht in einer Gondel, sondern im Restaurant «CAAA» Platz nehmen.