Sein 170. Firmenjubiläum zelebriert der Luzerner Juwelier Gübelin mit einer limitierten Armbanduhr. In der von Santiago Calatrava gestalteten «Ipsomatic» tickt mechanische Pionierleistung aus den 1950er-Jahren.
Autor_Gisbert L. Brunner
Kann man bei der neuen Gübelin «Ipsomatic» von einem Retromodell sprechen, obwohl es eine Armbanduhr dieses Namens 1954 schon einmal gab? Die Antwort lautet eindeutig ja, wenn es um das verwendete Automatikwerk aus dem Hause Felsa geht. Das Mitglied der damaligen Ebauches SA produzierte es von 1953 bis 1962. Damals war es seiner Zeit voraus, weil der Rotor die Zugfeder in beiden Drehrichtungen spannte. Beim Gehäuse sehen die Dinge etwas anders aus. Es ist ein Kunstwerk der Gegenwart, besitzt formal aber auch einige Bezüge zur Vergangenheit. In der Tat hat Santiago Calatrava für den traditionsreichen Luzerner Juwelier ein gestalterisches Meisterwerk erschaffen, das die Blicke von Uhrenliebhaberinnen und -liebhabern magisch anziehen dürfte. Die Synthese aus Uhrwerk, der es schützenden Schale, Zifferblatt, Zeiger und Armband wird jenem Anlass, welchen sie ehren soll, in jeder Hinsicht gerecht. Gemeint ist das 170. Gübelin-Jubiläum. Fast von selbst mag sich daher verstehen, dass die Edition dieser Platin-Armbanduhr auf insgesamt 170 Exemplare limitiert ist.
Markante Optik
Und damit ist es an der Zeit, den Fokus detailliert auf diesen aussergewöhnlichen Zeitmesser und seine Werte zu richten. Natürlich spielt die Optik am Handgelenk die tragende Rolle. Dass sich Raphael Gübelin in seiner Funktion als Präsident des Familienunternehmens für den Bauingenieur und Stararchitekten Santiago Calatrava entschieden hat, war mit Blick auf das zu Erwartende und tatsächlich auch Entstandene ein ausgesprochen kluger Schachzug. In seinem Metier zählt der in Valencia Geborene zu den gegenwärtig einflussreichsten Persönlichkeiten. Das belegen unter anderem der «Oculus»-Bahnhof am Ground Zero in New York, das «Turning Torso» genannte Hochhaus in Malmö sowie das Ensemble «Stadt der Künste und Wissenschaften» in seiner Geburtsstadt Valencia. Natürlich begegnet man seinen Kreationen auch in eidgenössischen Gefilden. Beredte Beispiele sind der Bahnhof Luzern, der Zürcher Bahnhof Stadelhofen und der Pfalzkeller in St. Gallen. Als Inspiration für seine schöpferische Tätigkeit in Sachen Armbanduhr diente nach Calatravas Worten «die Idee der Zeit. Die Zeit existiert, weil es Veränderung gibt. Veränderung bedeutet Bewegung. Die ewige Essenz der Zeit ist das dynamische Element ihrer Form.» Die apostrophierte Dynamik zeigt sich schon bei der ersten Begegnung in den markanten und dazu auch noch kunstvoll geschwungenen Bandanstössen. Besagter Schwung durchzieht auch die Flanken des ausdrucksstarken Gehäuses. Zum Hinschauen verleitet schliesslich auch die kunstvoll verdeckte Bandbefestigung.
In Anbetracht des verbauten historischen Uhrwerks hätten sich Mechanikfreaks womöglich einen Saphirglas-Sichtboden gewünscht. Dem ist bei der neuen «Ipsomatic» aber nicht so – vielleicht als Reminiszenz an das Jahr 1954, als Gübelin anlässlich seines 100. Firmengeburtstags eine erste Armbanduhr dieses Namens auf den Markt gebracht hatte. Damals redete noch niemand von Gehäuseböden mit Durchblick. Dieser Trend kam erst im Zuge der Mechanik-Renaissance in den 1980er-Jahren auf.
Gleichwohl haben die fürs Äussere zuständigen Partner auch an eine attraktive Rückseite gedacht. Sie zeigt eine per aufwendigem Laserverfahren gravierte Darstellung zweier Stiere. Santiago Calatrava ist nämlich nicht nur für seine imposanten Bauwerke, sondern auch für Tierskizzen bekannt. Stiere symbolisieren schon seit Jahrtausenden Energie, Kraft und Stärke. In diesem Sinne stehen die beiden rückwärtig abgebildeten Stiere aus Sicht des Künstlers «für die positive Energie, die Kraft und die Beständigkeit in einem Universum, das sich im Laufe der Zeit ständig verändert.» Neben dieser Grafik mit unterschiedlichen Farbschattierungen weisen Gravuren im verschraubten Boden auf das Jubiläum und die Tatsache hin, dass es sich um eines von 170 Exemplaren handelt. Auf eine individuelle Nummerierung hat Gübelin ganz bewusst verzichtet, weil begehrte Ziffern und Zahlen in aller Regel schnell vergriffen sind.
Die Sanduhr, das tradierte Gübelin-Logo, ziert die Aufzugs- und Zeigerstellkrone, ein Rubin die Schliesse des Armbands.Zur Darstellung von Stunden, Minuten und Sekunden drehen drei schlanke Zeiger vor einem klar gezeichneten Zifferblatt. Für die Sorgfalt bei der Gestaltung dieser Armbanduhr spricht auch die Stimmigkeit der Zeigerlängen und -proportionen.
Ipso heisst selbst
Eigentlich muss sich das unter dem Zifferblatt agierende Uhrwerk keineswegs verstecken. In der Geschichte des Selbstaufzugs für Armbanduhren spielte der 1918 von Arnold Tschudin, Hermann Mägli und Otto Rüfenacht in Legnau gegründete und 1924 ins benachbarte Grenchen verlegte Werkefabrikant Felsa eine bedeutende Rolle. Ab etwa 1940 beschäftigten sich seine Techniker intensiv mit der Optimierung des 1931 von Rolex vorgestellten und wegen der Innovation natürlich umfassend patentierten Rotoraufzugs. Dessen Schwungmasse führte der Zugfeder jedoch nur in einer Drehrichtung Energie zu. Damit ging nach damaliger Auffassung die Hälfte der verfügbaren Bewegungsenergie nutzlos verloren. Also brauchte es ein zusätzliches Getriebe zur Gleichrichtung der Rotorbewegungen. Ein solches präsentierte Felsa im 1942 lancierten Automatikkaliber 410 mit dem Beinamen «Bidynator». Seine spezielle Konstruktion, zu der weitere fortschrittliche Merkmale gehörten, hebelte die bestehenden Rolex-Patente aus. Eine einfache, durch einen Pfeil deutlich gekennzeichnete Verriegelungsvorrichtung gestattete die rasche Montage und Entfernung der Schwungmasse mit äusserem Schmermetallsegment.
Auf dieser zukunftsweisenden Entwicklung und ihren Konstruktionsprinzipien gründete sich das 1953 fertiggestellte und technisch deutlich verbesserte Automatikkaliber Felsa 1560. Es besitzt einen Durchmesser von 26.3 Millimetern und baut 5.85 Millimeter hoch. Seine Unruh vollzieht stündlich klassische 18’000 Halbschwingungen. Vom Erfolg dieses Uhrwerks zeugen 1’594’328 Stück, welche die Fabrik bis zum Jahr 1962 verliessen. So gesehen verwundert es nicht, dass Gübelin schon 1954 auf besagtes 1560 setzte. Der Modellname «Ipsomatic» signalisiert die Automatik unmissverständlich, denn auf gut Deutsch bedeutet «ipso» nichts anderes als «selbst».
Für die limitierte Jubiläums-«Ipsomatic» finden selbstverständlich keine gebrauchten und aufgearbeiteten Uhrwerke Verwendung, sondern nagelneue Restbestände, welche DuBois et fils in Basel fürs künftige tickende Leben aufbereitet, veredelt und in die markante Calatrava-Schale setzt.
Um Plagiaten dieses Zeitmonuments vorzubeugen, liefert Gübelin die neue «Ipsomatic» mit einem sogenannten «Proof of Authenticity». Dabei handelt es sich um eine Kombination aus physischen Tracern und der Blockchain von Provenance Proof. Der speziell für Metalle entwickelte Tracer besteht aus völlig unsichtbaren, nicht entfernbaren, aber jederzeit auslesbaren Nanolabeln. Einmal auf der dezentralen Blockchain gesichert, lassen sich die Daten nicht mehr verändern. Diese Art der Fälschungssicherheit ist ein weiterer Beitrag dazu, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in der Gübelin «Ipsomatic» ausdrucksstark und eindrucksvoll zusammenfinden.