Die Zürcher Künstlerin Ona Sadkowsky hat künstlerische Wurzeln, aber ihren eigenen Stil. 

Autorin: Wilma Fasola
Bilder: Ona Sadkowsky

Ona Sadkowsky gehört zu den besten zeitgenössischen Künstlerinnen der Schweiz. In ihrer ganz eigenen Art schafft es die gebürtige Zürcherin, aus Pop-Art, Street-Art und abstrakter Kunst Einheitliches wie Eigenes zu kreieren. Kräftige Farben, gewagte Linien und komplexe Texturen vereint sie zu emotionalen Werken mit Aussagekraft. Und genau dem möchte sie in ihrem Leben Zeit und Aufmerksamkeit widmen – für sich selbst, aber auch für alle anderen. Oder wie sie es selbst einmal zusammenfasste: «In der heutigen schnelllebigen Welt brauchen wir Kunst mehr denn je. Sie bietet uns einen Raum zum Nachdenken, zur Reflexion und zur Flucht aus dem Alltag.»

Kunst ist Familiensache

Geboren wurde Ona im Jahr 1992, und zwar mitten hinein in die Limmatmetropole überhaupt und noch mehr in den Kreis einer künstlerischen Familie. Ihr Werdegang war daher eigentlich vorbestimmt, und sie macht auch keinen Hehl daraus, dass Kunst für sie ab Tag eins ihres Lebens im Fokus stand. Denn sowohl Opa Alex als auch Mama Rahel sind bildend in der Kunstszene und überzeugen seit Jahrzehnten durch eindrückliche Werke. 

Als Autodidaktin zeugten ihre anfänglichen Werke noch stark von den Einflüssen der Arbeiten von Andy Warhol und Roy Lichtenstein. Doch sie fand schnell ihren eigenen, man darf auch sagen eigensinnigen Stil: Viel Farbe, ikonische Bilder und die Pop- kultur sind ihr Markenzeichen.

Kunst ist ihr eigenes Ding

Zentrales Thema ihrer Werke ist die «menschliche Identität». Das kollektive Bewusstsein, würde sie es selbst zusammenfassen. Visuelle Metaphern und provokative Bilder stehen sinnbildlich für ihren Wunsch, sich als Gemeinschaft zu verstehen, aber auch die eigene Identität nicht zu vergessen. Etwas, das ihre Familie eben seit vielen Jahren verdammt gut umsetzt. Konkurrenzdenken gibt es im Hause Sadkowsky nicht, denn jeder hat seinen eigenen Stil.
Im letzten Jahr gab es die erste gemeinsame Ausstellung, und «Sadkowsky – Family Affair» war ein echter Erfolg. Vor allem deshalb, weil jedes Familienmitglied, wie gesagt, «sein» Ding gemacht hat. Opa Alex steuerte Bleistiftzeichnungen bei, seine Tochter Rahel kunstvolle Leinwände und Ona ihre auffälligen bunten Werke – unter anderem die Skulptur «The Shitting Boobie», ein orangefarbenes Ding mit riesigen Augen, von dem es mittlerweile sogar verschiedene Varianten gibt, eines sogar mit einer Grösse von über 2.5 Metern. Und da fühlt man sich dann schon ein wenig beobachtet – oder wie es ihr Verlobter einmal weniger kunstvoll, sondern direkt zusammenfasste: «Es reicht dann nun auch!»
Natürlich meinte er nicht die Kunst an sich, sondern die Kunstwerke in der Wohnung. Denn natürlich ist er stolz, aber die eigene Privatsphäre mit eindrücklichen Kunstwerken zu teilen, die auch noch Augen haben, ist dann doch etwas anderes. Mittlerweile ist die gemeinsame Wohnung im Zürcher Stadtteil Höngg voll von etwaigen grossen Augen und sinnlichen Kussmündern. Was auf der einen Seite ein bisschen beängstigend wirken kann, ist auf der anderen Seite für ihren Partner auch ein Geschenk, weil er sie so besser verstehen kann. Denn Kunst ist der Spiegel der Seele.

Kunst ist eine Sache der Nacht

Wie viele Künstler liebt auch Ona die Arbeit in der Nacht. Dann taucht sie den Pinsel tief in die Acrylfarbe und lässt ihrer Kreativität freien Lauf. Sie ist jedoch erst zufrieden, wenn auch der letzte Strich perfekt gesetzt wurde. In einem Interview sagte sie einmal: «Obwohl ich viel Licht dafür brauche, liebe ich es, bei Kerzenlicht und Blues-Musik zu arbeiten.» Dann ist sie ganz bei sich, und Fabelwesen wie auch Comicfiguren finden ihren Weg auf die Leinwände oder verewigen sich als Skulptur. Mit Einfachheit Komplexität vermitteln, das fasst ihren Kunststil am besten zusammen – und dies hat sie selbst auch so einmal gesagt. Mut und Selbstliebe in Bildern widerzuspiegeln, das ist immer ihr Ziel. Und ihre Passion. Die vielleicht auch ihrem Namen geschuldet ist?
Der Name «Ona» ist nämlich die litauische Variante von Anna. Aus dem Hebräischen übersetzt bedeutet er «die Anmutige», «die Begnadete» oder auch «Gott war gnädig». Wer Ona einmal getroffen hat, versteht ihren Namen jedoch eher in der Version, in der er im Afrikanischen zur Anwendung kommt: «die Welle». Denn die 32-Jährige mag Bewegung und vor allem Fortschritt. Niederlagen gibt es für sie nicht, nur Herausforderungen. So hat sie im Jahr 2022 das Cover für die Frauenausgabe der Schweizer Illustrierten gestaltet. Aufgrund des Ukraine-Russland-Konflikts ist es jedoch nicht gedruckt worden. Dennoch hat sie ihre Botschaft platzieren können: «Frauen sind mutig und stark, aber auch leise und verletzlich, sie kämpfen und sie zweifeln.» Wie könnte man das weibliche Geschlecht besser in einem Satz verewigen?

Kunst ist ein Ausprobieren und Man-selbst-Sein

Auch sie selbst ist mutig und stark, aber Zweifel gehören für sie auch zum Leben dazu. Bezogen auf ihren beruflichen Weg hat sie daher beschlossen, sich auszuprobieren und den Ort zu finden, an dem sie mit ihren Talenten am meisten bewirken kann. Nach der KV-Lehre hat sie zuerst als Flugbegleiterin gearbeitet und sich dann doch entschlossen, den künstlerischen Weg der Familie fortzusetzen. Ihren Durchbruch erlebte Ona im Jahr 2014 an der Jungkunst in Winterthur. Zwei Jahre später designte sie die COOP-Tragetasche und im Jahr 2018 war sie für das Designkonzept der Street Parade verantwortlich. Sie liebt die Kunst und lebt für die Kunst.
Das bedeutet aber auch eine Herausforderung, gerade in einer Künstlerfamilie. Denn auch wenn niemand etwas sagt, fühlt man sich doch beobachtet und vielleicht auch beurteilt. Wie gesagt, im Hause Sadkowsky ist das kein Thema, aber so ganz unbewusst und vielleicht auch ein wenig präsent schwingt es doch immer mit, wenn Ona mit einem neuen Werk beginnt. Aber vielleicht ist gerade das ihr Erfolgsgeheimnis: die künstlerischen Gene nutzen, aber anders sein als der Rest der Familie. Aufbauend auf dem Wissen um die Kunst, aber mit dem zukunftsweisenden Blick der jüngeren Generation.
Ona Sadkowsky blickt zuversichtlich in die Zukunft. Mit ihrem unverwechselbaren Stil und ihrer unerschütterlichen Leidenschaft für die Kunst ist sie bereit, neue kreative Höhen zu erklimmen. Ihre Fähigkeit, komplexe Themen mit Einfachheit zu vermitteln und emotionale Tiefe in ihren Werken zu erzeugen, macht sie zu einer herausragenden Künstlerin ihrer Zeit. Ihr Ziel: niemals stehen-, aber sich selbst treu bleiben. Und auf gar keinen Fall ein Familienmitglied kopieren. Wobei sich bei ihren eindrücklichen Werken die Frage stellt: Wäre das überhaupt möglich?

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