«Wir müssen daran erinnert werden, ungehorsam zu sein.» — Jacqueline de Jong, 2017
Das Kunstmuseum St.Gallen präsentiert die erste Retrospektive der unlängst verstorbenen Künstlerin Jacqueline de Jong (1939 geboren in Hengelo, Niederlande, 2024 gestorben in Amsterdam) in der Schweiz. De Jongs vielgestaltiges Œuvre, das Malerei, Skulptur und Grafik umfasst und sich über mehr als sechs Jahrzehnte erstreckt, steht im Dialog mit bedeutenden künstlerischen Strömungen der Nachkriegszeit wie CoBrA, Pop Art, Neue Figuration und Postmoderne.
Bereits mit 21 Jahren engagierte sich De Jong in der revolutionären, radikalen Avantgardebewegung Situationistische Internationale, die das Ziel verfolgte, sich vom Spektakel des Kapitalismus zu befreien und abenteuerliche, selbstbestimmte Begegnungen mit der Welt zu schaffen. Diesem Geist blieb De Jong zeitlebens treu: Ihr sich stetig wandelndes, oft politisch aufgeladenes Werk ist spielerisch, erotisch, humorvoll, abgründig – und immer radikal zeitgenössisch der Welt zugewandt.
Die umfassende Ausstellung – gezeigt werden rund 100 Werke – vereint Arbeiten aus De Jongs gesamter Karriere, von den frühen 1960er-Jahren bis in das Jahr ihres Todes, 2024. Die Schau folgt einer thematischen Struktur und ist in sechs Kapitel unterteilt: «Chaos», «Editor», «Pop», «Alltag», «Spiel» und «Politik».
Die Ausstellung wird von einem umfassenden, zweisprachigen Katalog begleitet, der dem konzeptuellen Aufbau folgt und zentrale Themen durch Analysen ausgewählter Kunstwerke vertieft. Die reich bebilderte Publikation erscheint bei JRP|Editions und versammelt neue Essays von Karen Kurczynski (Professorin für Kunst- und Architekturgeschichte an der University of Massachusetts Amherst, Autorin von The Cobra Movement in Postwar Europe: Reanimating Art), Emily LaBarge (Autorin, Kritikerin), Tiana Reid (Assistant Professor für Englisch an der York University) und Paul Bernard (Direktor des Kunsthaus Biel und Ko-Kurator von Die Welt als Labyrinth, einer Ausstellung über die situationistische Bewegung). Ergänzt wird der Band durch ein bislang unveröffentlichtes Gespräch zwischen McKenzie Wark und Jacqueline de Jong über das Werk der Künstlerin.
Mit der Retrospektive im Kunstmuseum St.Gallen wird die im vergangenen Jahr verstorbene Jacqueline de Jong erstmals in der Schweiz in einer musealen Einzelausstellung gewürdigt – erstaunlich, denn ihre Verbindung zur Schweiz war eng. Ihre Mutter, Alice de Jong-Weil, war Schweizerin. 1942, nach der Besetzung der Niederlande durch die Nationalsozialisten, trennte sich die jüdische Familie De Jong: Alice floh mit der kleinen Jacqueline in die Schweiz, wo sie in Zürich lebten, während ihr Vater in Amsterdam untertauchte. Als Jacqueline und ihre Mutter 1947 nach Hengelo zurückkehrten, musste De Jong die niederländische Sprache neu erlernen. Ihre Eltern hatten ein Ferienhaus in Ascona am Ufer des Lago Maggiore. In den 1960er-Jahren, als De Jong in Paris lebte, verbrachte sie jeweils die Sommermonate bei ihren Eltern im Tessin. Sie hatte dort Platz zum Malen und Bildhauen. De Jong sprach fliessend Schweizerdeutsch, und ihr Werk ist in mehreren Schweizer Sammlungen vertreten.
Melanie Bühler, Kuratorin der Ausstellung:
„Jacqueline de Jong war eine Ausnahmekünstlerin – eine Pionierin, die der männlich dominierten Kunstwelt mit Witz, Charme, Intelligenz, Hartnäckigkeit und Selbstbewusstsein begegnete. Ihr Werk, das sie von den frühen 1960er-Jahren bis 2024 schuf, ist furchtlos der Welt zugewandt. Es zeugt von einem offenen, engagierten Geist, mit einem Blick für das Verborgene, Abtrünnige, Dunkle – und zugleich das Lustvolle im menschlichen Dasein. Dass De Jongs Œuvre nun – so kurz nach ihrem Tod – erstmals in seiner ganzen Bandbreite in der Schweiz gezeigt wird, jenem Land, mit dem De Jong tief verbunden war, verleiht der Ausstellung eine besondere Resonanz.“
Kuratiert von Melanie Bühler, Kuratorin, Stedelijk Museum Amsterdam und Gastkuratorin am Kunstmuseum St.Gallen.
Für weitere Informationen besuchen Sie: