Die Stiftung Kunstmuseum Bern hat am 28. April 2025 ihre Haltung zum Umgang mit NS-Raubkunst grundlegend überarbeitet und erweitert. Mit einem neu veröffentlichten Grundlagendokument setzt das Museum ein klares Zeichen für Transparenz und Verantwortung im Umgang mit Kulturgut, das in der Zeit des Nationalsozialismus seinen rechtmässigen Eigentümern entzogen wurde.

In diesem Zuge entschied die Stiftung auch über eine Rückgabeforderung der Erben nach Carl Sachs für das Gemälde Le Chemin des Bois à Ville-d’Avray (1879) von Alfred Sisley. Das Werk gehörte einst dem jüdischen Kaufmann und Kunstsammler Carl Sachs (1858–1943), der vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in die Schweiz fliehen musste. Dort verkaufte er das Gemälde im September 1940 an den Kunsthändler Theodor Fischer – unter Umständen, die aus heutiger Sicht als Folge nationalsozialistischer Verfolgung gewertet werden.

Nach umfassender Provenienzforschung und externer Begutachtung sieht die Stiftung Kunstmuseum Bern Auffälligkeiten im Zusammenhang mit diesem Verkauf bestätigt. Daher verzichtet sie auf ihr Eigentumsrecht an dem Werk und strebt gemeinsam mit den Erben von Carl Sachs sowie den Nachkommen des späteren Vermächtnisgebers des Gemäldes eine einvernehmliche Lösung an.

 

Erweiterte Grundsätze im Umgang mit NS-Raubkunst

Seit der Übernahme des umstrittenen Gurlitt-Nachlasses 2014 hat das Kunstmuseum Bern eine fundierte Haltung zu NS-verfolgungsbedingtem Kulturgut entwickelt, die nun erstmals in einem umfassenden Dokument veröffentlicht wurde. Ziel ist es, auch in Fällen unsicherer oder lückenhafter Provenienzforschung zu fairen, verantwortungsbewussten Lösungen zu gelangen.

Die Stiftung verzichtet darauf, Entscheidungen bis zur völligen Aufklärung der historischen Umstände aufzuschieben – stattdessen wird bei offenen Fragen zugunsten der Opfer beziehungsweise ihrer Erben entschieden. Auch Verkäufe ausserhalb des nationalsozialistischen Herrschaftsgebiets werden unter diesem erweiterten Kontext betrachtet, sofern die Veräusserung als Folge der NS-Verfolgung gilt.

Mit diesem Vorgehen will das Kunstmuseum Bern künftig Konfliktfälle aktiv befrieden und zur internationalen Debatte über einen gerechten Umgang mit NS-Raubkunst beitragen.

 

Fall Carl Sachs: Ein Einzelfall mit Signalwirkung

Carl Sachs und seine Ehefrau Margarete Sachs flohen 1939 aus Deutschland in die Schweiz, nachdem ihr Vermögen vom NS-Regime systematisch entzogen worden war. Um ihren Aufenthalt in der Schweiz zu sichern, verkaufte Carl Sachs im September 1940 das besagte Sisley-Gemälde – offenbar zur Bestreitung des Lebensunterhalts und zur Absicherung eines Kredits über 100.000 Schweizer Franken.

Die Stiftung Kunstmuseum Bern bewertet diese Veräusserung klar als Folge der Verfolgungssituation. Auch wenn der damalige Käufer Theodor Fischer das Werk ordnungsgemäss erwarb, erkannte man aufgrund seiner NS-Kontakte und der offensichtlichen Notlage von Sachs eine besondere Sorgfaltspflicht – der Handel steht damit heute in einem kritischen Licht.

Das Bild kam 1994 durch ein Vermächtnis in den Besitz des Kunstmuseums Bern, ohne dass der Stifter von den historischen Hintergründen wusste. Dennoch entschied der Stiftungsrat nach Abwägung aller Fakten, das Eigentum am Werk aufzugeben. Die Modalitäten der Rückgabe werden nun gemeinsam mit den Erben beider Seiten vertraglich geregelt.

 

Ein Schritt für Gerechtigkeit

Mit dieser Entscheidung will die Stiftung Kunstmuseum Bern nicht nur den Ansprüchen der Erben gerecht werden, sondern auch ein Zeichen setzen, wie historisches Unrecht im Museumswesen verantwortungsvoll aufgearbeitet werden kann – selbst bei komplexen oder unvollständigen Erkenntnislagen.

„Mit der Konsolidierung und Veröffentlichung unserer Haltung möchten wir auch einen Diskussionsbeitrag leisten. Professionelle und sorgfältige Provenienzforschung allein reicht nicht – sie muss in konkrete, gerechte Entscheidungen münden“, so die Stiftung in ihrem Statement.

 

Für weitere Informationen besuchen Sie:

https://www.kunstmuseumbern.ch/

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