Ob figurative Skulpturen, grossformatige digitale Malereien oder Kunst am Bau – die Werke des Schweizer Künstlers Roland Faesser sind wunderbar ironisch, leichtfüssig und mit einer Prise des typisch Faesser’schen Humors gewürzt. Eine Geschichte über einen Belgischen Hasen, die Wort-Bildkunst und den Spieltrieb.
Sein Zürcher Loft ist ein Gesamtkunstwerk. Roland Faesser lebt und arbeitet in der ehemaligen Schlosserei, und ja, die Dimensionen des Raumes sind massgeblich an der Grösse seiner Kunstwerke beteiligt! Seine Mitbewohner? Das sind «tierische» Skulpturen. Ein ausgestopftes Känguru, ein getrocknetes Krokodil, Spielzeugfiguren jeglicher Couleur und ein Motorrad, das von den Zeiten zeugt, als er noch durch sein Atelier fahren konnte. Kurz und gut: ein kreativer (Spiel-)Platz, auf dem es in jeder Ecke etwas zu entdecken gibt. Und man kann sich nur schwer dem Verdacht einer wegweisenden Prägung entziehen, wenn er über die ersten Jahre seines Lebens und den Beruf seines Vaters, CEO eines grossen Spielzeuggeschäftes in Lima, erzählt. Doch der Reihe nach.
Spieltrieb
Roland Faesser wurde als Sohn eines Schweizer Auswanderers und einer Peruanerin mit italienischen Wurzeln in Lima geboren. Als er sechs Jahre alt war und sich die politische Lage aufgrund der Machtübernahme durch das Militär in Peru verschärfte, beschloss der Vater, mit seiner Familie in die Schweiz zurückzukehren. Kunst und Kultur, eine Welt, mit der er durch seine in der Schweiz lebende Grossmutter, die ein eingefleischter Elvis-Fan war, erstmals in Berührung kam. Nach seinem späteren Architekturstudium an der renommierten ETH Zürich verschrieb er sich dann gänzlich der Kunst.
Der Belgische Hase
Den Beginn seines künstlerischen Schaffens markierten Anfang der 1990er Jahre seine legendären «HausTiere». Eine Serie von Tierfiguren, deren Körper er mit auf die einfachste Form reduzierten Häusern in allen Variationen kombinierte. Geschuldet war die ebenso kreative wie humorvolle Reihe im Übrigen einem echten Tier. Genauer gesagt einem Belgischen Hasen. Dieser gehörte seiner damaligen Freundin, einer Architekturstudentin, die mit ihm – und dem Hasen – in dem Loft zusammenlebte. Unzufrieden mit einem ihrer Architekturmodelle rettete Faesser das Modell vor dem Mülleimer und band es kurzerhand dem Hasen auf den Rücken. Zusammengefasst: Der Hase hoppelte unbeeindruckt von dem Kartonmodell auf seinem Rücken durchs Atelier, und das «HausTier» war geboren.
Roberto Blanco und die Wortkunst
Roland Faesser inspiriert Spielzeug jeglicher Art. Meist jedoch altes und, wie er sagt, authentisches Spielzeug, das er in Brockenhäusern oder auf Flohmärkten findet. Seine Werke entstehen intuitiv. «Früher», so der Künstler, «habe ich mich immer wieder dazu gezwungen, Skizzen anzufertigen, realisiert aber habe ich nie eine davon.» Seine zeitgenössischen figurativen Skulpturen entstehen durch die Aneignung von Alltagsgegenständen und Spielzeugen, mit denen er wunderbar bizarre und humorvolle Realitäten erschafft. Seine Arbeiten entlocken dem Betrachtenden unweigerlich ein Schmunzeln, doch sind sie dabei ebenso tiefsinnig wie subtil. Da wäre zum Beispiel der blaulackierte Hirschkopf mit einem aufblasbaren Affen im skulpturalen Geweih und dem findigen Namen «Ceci n’est pas un Koons», ein kleiner Schienbeintritt gegen den teuer bezahlten gleichnamigen Künstler. Den Namen «Not In The Wildest Dreams» trägt der Hirschkopf, dem der Kreative nicht nur kurzerhand eine SM-Maske übergezogen, sondern auch sein Geweih mit nackten Barbies dekoriert hat. Pudelfiguren mit rosafarbenen, kugelförmigen Gebilden über den Köpfen tituliert er mit «Big Balls», den Wildschweinkopf mit Schulterpartie auf dem Beistelltisch als «Table Surfer». Und der Hirschkopf mit einem Geweih aus Daffy Duck, Ameise und Kermit dem Frosch samt Afro-Perücke hört sinnigerweise auf den Namen «Roberto-Blanco». Und es ist offensichtlich – auch die Wortkunst ist eine weitere Dimension seines hochkarätigen Könnens. Die Funktionsweise von Bild und Wort, Bildsprache und Bildverständnis – Disziplinen, die, so der Künstler, ausser bei Filmemachern und Werbern, nur selten gezielt zur Anwendung kommen. «Heute haben alle das Gefühl, mit Bildern umgehen zu können. Die Wahrheit aber ist das nicht. Bildsprache sollte ebenso wie das Lesen und Schreiben von Anfang an unterrichtet werden», so der charismatische Künstler.
Digitale Welten
Dass er in vielen Sparten der Kunst zu Hause ist, davon zeugen nicht nur seine Arbeiten im Bereich Kunst am Bau, sondern auch seine digitalen Malereien. Denn schon längst hat er auch die digitale Welt für sich erobert. In seinen grossformatigen und collageartigen Bildern vermählt er Pop-Art- und Graffiti-Elemente mit den verschiedensten Welten und scheut auch nicht den Schulterschluss kleiner Spielzeugfiguren mit grossen Szenen der Kunst- und Filmgeschichte. Doch auch seine (tierischen) Skulpturen entwirft der Künstler mittlerweile in einem 3D-Programm. Zum einen platzsparender, zum anderen beruhigend, sollte er einmal sein Loft verlieren. Roland Faesser erfindet die Welt neu, wenn er wieder einmal das kreative Füllhorn ausschüttet. So, wie mit seinem Werk «A Horse Is A Horse» (selbst wenn es kopfüber im Fels gefangen ist), seiner Vision von einem neuen Wahrzeichen für den Domplatz in Lecce, das auf unserer Titelseite zu sehen ist. Und da gibt es noch diese eine Idee von ihm, die man lieber heute als morgen in die Realität umgesetzt sehen möchte: diejenige nämlich, wenn seine Skulpturen die Flachdächer der New Yorker Skyline «bevölkern», wie das Beispiel vom New Museum zeigt. Roland Faesser – studierter Architekt, Künstler, Wortjongleur und Lehrender – ein kreativer wie begnadeter Tausendsassa eben, dessen Werke in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und in renommierten Sammlungen zu finden sind.
On Top
Roland Faesser war im Laufe der Jahre Professor, Dozent und Kunstkritiker in vielen Kunst- und Architekturinstitutionen wie der ETH Zürich, der F+F Kunstschule in Zürich, der «Hochschule für Gestaltung und Kunst» Zürich, dem «Central Saint Martins College of Art and Design» in London, der «Academy of Design» in Vorarlberg, Österreich, und vielen mehr. Seine Lehraufträge umfassten Bildnerisches Gestalten, Szenografie, Innenarchitektur, Industrial Design, Gender Studies oder auch Intermedia und Bildlabor.