Sie teilen die Leidenschaft für Geschwindigkeit. Er, der legendäre Rennfahrer und sechsmalige Le-Mans-Sieger, und sie, die unerschrockene Erbin, die seinen Spuren bis zur Dakar-Rallye folgte. Im Interview reflektieren Vater und Tochter Ickx über gemeinsame Erfolge auf und abseits der Rennstrecke, ihre besondere Beziehung und die prägende Rolle des Motorsports in ihrem Leben.
PRESTIGE: Herr Ickx, Sie haben in Ihrer Karriere so viele verschiedene Rennserien bestritten – von der Formel 1 bis zu den 24 Stunden von Le Mans und der Rallye Dakar. Was begeistert Sie so am Rennsport?

JACKY ICKX: Dazu muss ich zuallererst einmal sagen: Ich mag es nicht, nostalgisch über die Vergangenheit zu sprechen. Sie liegt hinter mir. Ich bin ein Befürworter der Gegenwart und von dem, was von der Zukunft noch bleibt. Aber ich habe eine gewisse Nostalgie gegenüber den Menschen, die ich in meinem Leben getroffen habe und die alles möglich gemacht haben. Der menschliche Aspekt im Rennsport ist das Wichtigste. Der Wettbewerb ist wie eine Schlacht. Wenn du ein Tennisspieler bist, hast du deine Schuhe und deinen Schläger, du bist ein Einzelkämpfer. Im Motorsport brauchst du jedoch ein Werkzeug – das Auto – und ein grosses Team, das dir dieses Werkzeug zur Verfügung stellt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es viele Menschen gibt, die man nie sieht, die dir aber vor dem Start die Gewinnerkarte geben. Du musst nur den Job zu Ende bringen. Wenn du gewinnst, stehst du im Rampenlicht, aber die, die den Erfolg möglich gemacht haben, bleiben im Hintergrund.

Was ist die wichtigste Lektion, die Ihnen der Motorsport gelehrt hat?

JACKY ICKX: Es gibt Rennen, die du gewinnen sollst, aber nicht gewinnst. Und es gibt Rennen, bei denen alles ein Desaster ist, und du gewinnst trotzdem. Die wichtigste Lektion dabei ist: Gib niemals auf. Ein Beispiel dafür ist Le Mans. Einmal ist mein Auto stehen geblieben, und ich war Ersatzfahrer im zweiten Auto, das auf Platz 41 lag. Trotzdem haben wir das Rennen gewonnen. Es ist ein Mysterium, wie man sich so sehr steigern kann, dass das Unmögliche möglich wird. Noch erstaunlicher ist, dass diese Kraft auch auf andere im Team übergehen kann – Mechaniker, Ingenieure, das ganze Team. Im Motorsport weiss man nie, was passiert. Man geht immer an seine Grenzen, aber manchmal schafft man es, darüber hinauszugehen und das Unmögliche zu erreichen.

Vanina Ickx, gibt es für Sie eine Errungenschaft, auf die Sie besonders stolz sind?

VANINA ICKX: Ich hatte das Glück, viele verschiedene und spannende Dinge zu machen. Ich bin Tourenwagen, GT-Autos und Sprint-Endurance gefahren, bin ein bisschen in der Formel 1 gefahren und habe dreimal an der Rallye Paris-Dakar teilgenommen. Was meine Karriere auszeichnet, ist, dass ich oft dort war, wo man mich nicht erwartet hat. Natürlich bin ich stolz auf meinen siebten Platz in Le Mans, auf das Podium bei den 24 Stunden am Nürburgring und auf den Klassensieg bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps. Aber mehr noch bin ich stolz auf die kleinen Momente im Auto, in denen alles schnell und reibungslos lief. Diese Art von Konzentration fühlt sich an wie ein Segen, und das sind die Momente, die mir am wichtigsten sind.

Wie war es für Sie als Vater, zu sehen, dass Vanina in Ihre Fussstapfen tritt?

JACKY ICKX: Es kam sehr überraschend, denn Vanina hatte einen höheren Abschluss in Biologie gemacht, und ich dachte, das Thema Motorsport wäre damit erledigt.

VANINA ICKX: Es war auch für mich eine Überraschung, denn ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Rennfahrerin werden würde. Ich wurde einfach von der Geschwindigkeit und der Konzentration angetrieben. Mein Vater hat mich nie gedrängt, aber er hat mir auch nie gesagt, dass ich es nicht tun sollte. Er hat nie gesagt, dass es unmöglich ist oder dass ich es nicht schaffen werde. Damals gab es sehr wenige Frauen im Motorsport, und ich habe nicht realisiert, wie gross der Schritt eigentlich war. Aber er hat mich nie davon abgehalten oder gesagt, dass es nichts für mich sei, weil es eine Männerwelt ist. So hat er uns erzogen – uns unsere eigenen Erfahrungen machen lassen.

Glauben Sie, die gemeinsame Leidenschaft für den Motorsport hat Ihre Beziehung zueinander, als Vater und Tochter, gestärkt?

VANINA ICKX: Durch den Motorsport konnte ich eine neue, unerwartete Seite meines Vaters kennenlernen. 30 Jahre nach ihm bin ich die gleichen Rennstrecken gefahren, habe die gleichen Wege genommen, um dorthin zu gelangen, und viele der gleichen Menschen getroffen, die immer noch dabei waren. Sie haben mir so viele Geschichten erzählt, wer er war und was er getan hat. Zu Hause war Jacky immer sehr schweigsam (schmunzelt). So hatte ich die Möglichkeit, ihn besser kennenzulernen und zu verstehen, dass das, was er getan hat, etwas ganz Aussergewöhnliches ist.

Gibt es eine besondere Erfahrung auf einer Rennstrecke, die Sie zwei gemeinsam teilen?

JACKY ICKX: Ja, wir fuhren gemeinsam die Paris-Dakar-Rallye. Dieses Rennen ist der Traum eines jeden, es mit einem Sohn, einer Frau, einer Schwester oder den Kindern zu erleben. Es ist eine ganz besondere Veranstaltung. Die extremen Herausforderungen, das unwegsame Terrain über Tausende Kilometer zwingt dich dazu, am Boden zu bleiben und nicht abzuheben.

Als Frau in einer von Männern dominierten Motorsportwelt – welche Herausforderungen haben Sie erlebt und wie haben Sie sie überwunden? Was hat Ihnen geholfen, sich durchzusetzen?

VANINA ICKX: Ich habe viele Herausforderungen erlebt. Das Erste, was mir dabei durch den Kopf schiesst, ist der Satz meines Vaters, dass es nichts Schlimmeres gäbe, als von einer Frau überholt zu werden (lacht). Auf der Rennstrecke fühlte ich mich manchmal wie ein Ziel, denn viele taten alles, um mich zu überholen, oder drängten mich sogar ab. Aber sobald ich meinen Helm aufsetze, spüre ich den Unterschied zwischen Mann und Frau nicht mehr – ich bin einfach eine Rennfahrerin. Die meiste Zeit wurde ich beim Rennen willkommen geheissen, auch wenn ich nicht immer das beste Auto hatte. Heute sieht man, dass es viele Initiativen gibt, die Frauen im Motorsport unterstützen, wie die Formula One Academy, die sich darauf konzentriert, Frauen zu F1-Fahrerinnen auszubilden. Die Iron Dames sind ein weiteres Beispiel – ein internationales Rennteam, das sich aus weiblichen Fahrern zusammensetzt und in verschiedenen Motorsportdisziplinen, insbesondere bei Langstreckenrennen, aktiv ist.

Was denken Sie beide, was grossartige Rennfahrer*innen ausmacht? Ich wette, das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun …

JACKY ICKX: Timing ist das Wichtigste. Es geht darum, wie andere Menschen deinen Weg beeinflussen. Es gibt viele talentierte Leute, aber nur wenige haben Erfolg, weil sie entweder auf dem falschen Weg sind oder nicht die richtigen Menschen treffen. Das Schlimmste ist, die Gelegenheit zu verpassen. Wenn du die Chance hast, im Motorsport zu starten und zu sehen, ob du für den Erfolg bereit bist, dann hast du es zumindest versucht. Nicht die Möglichkeit zu haben, es auszuprobieren, ist wahrscheinlich das Schlimmste. Timing ist ein Mysterium, es ist unvorhersehbar, genau wie das Schicksal. Du musst Vertrauen haben und einfach deinen Weg gehen.

VANINA ICKX: Dein grösster Feind bist du selbst. Du musst dich selbst antreiben, um deine eigenen Grenzen und die des Autos zu überschreiten.

Welches Gefühl haben Sie, wenn Sie hinter dem Lenkrad sitzen?

VANINA ICKX: Eine sehr intime Frage! Wenn du deinen Helm aufsetzt und im Auto sitzt, wirst du zu einer anderen Person. Der Mensch, der vielleicht nett und freundlich wirkt, muss hinter dem Lenkrad ein Tiger sein, um zu gewinnen und der Beste zu sein. Das geht mit einem hohen Mass an Fokus einher. Ich liebe die Konzentration, die du im Rennwagen erreichst, um eine gute Runde zu fahren. Es geht darum, schnell zu fahren, spät zu bremsen, bis an die Grenzen zu gehen und aus der Kurve heraus zu beschleunigen. Das ist etwas, das du kontinuierlich verbessern kannst. Jede Runde kannst du es besser machen, und du findest einen einzigartigen Rhythmus, den ich nirgendwo sonst finde.

JACKY ICKX: Das sehe ich genau gleich. Um zu gewinnen, brauchst du bestimmte Eigenschaften, aber diese Eigenschaften sind nicht unbedingt positiv im sozialen Leben. Du musst oft an die Grenzen der Moral gehen. Du bist nicht bereit, Geschenke zu machen, bist egoistisch und individualistisch. Es ist ein Kampf. Da geht es nicht nur um die Geschwindigkeit, nicht darum, 300, 350 oder 380 Kilometer pro Stunde zu erreichen. Es geht nur ums Gewinnen. Das ist das Ziel.

Jacky, Sie sind kürzlich als Botschafter für die Marke Genesis tätig geworden. Was hat Sie an dieser Partnerschaft gereizt?

JACKY ICKX: Was ich im Leben mag, ist aktiv zu sein. Ich bin nie wirklich «in Rente» gegangen. Dank der Partnerschaft mit Genesis konnte ich eine koreanische Automarke entdecken – ein neues Terrain für mich. Bei meinem ersten Besuch in Korea gemeinsam mit Genesis erhielt ich ein Buch über die Geschichte des Gründers Chung-Joo Yoon. Es erzählt von einem Mann, der in einem Reisfeld anfing und schliesslich zu einer der grössten Führungsfiguren Koreas wurde, ähnlich wie bei LG oder Samsung. Er hat etwas Unglaubliches aufgebaut und das Unmögliche möglich gemacht. Es ist eine Mentalität und Einstellung, eine globale Haltung. Als mir angeboten wurde, zu Genesis zu kommen, fühlte ich, dass ich zu ihrer Geschichte etwas beitragen könnte. Wie ich bereits sagte, ich habe keine Nostalgie für die Vergangenheit, aber ich fühle eine grosse Anziehung zur Gegenwart. Es war eine fantastische Gelegenheit, eine andere Art des Autofahrens und des Kundenumgangs kennenzulernen. Ich denke, jeder sollte einmal die Möglichkeit haben, einen Genesis auszuprobieren, denn man entdeckt eine andere Seele in den Autos und der Art, wie sie gebaut werden.

Sehen Sie bestimmte Eigenschaften dieser Fahrzeuge, die Sie an Ihre Erfahrungen im Motorsport erinnern?

JACKY ICKX: Es gibt eine interessante Verbindung zur Motorsportwelt. Genesis wurde für ein Projekt namens Le Mans Hydrogen Engine (LMDH) ausgewählt. LMDH-Fahrzeuge nutzen eine Hybridtechnologie, die traditionelle Verbrennungsmotoren mit elektrischen Antrieben kombiniert. Dieses Projekt zeigt die Fähigkeiten koreanischer Ingenieure, neue Wege in der Motorentechnologie zu erkunden und umweltfreundlicher zu werden. Die Führungskräfte bei Genesis sprechen sich für eine Vielzahl alternativer Motoren aus, zum Beispiel für Wasserstoff. Das ist ein spannender Ansatz.

Die Partnerschaft beweist: Sie haben auch in naher Zukunft nicht vor, sich zur Ruhe zu setzen.

JACKY ICKX: Der französische Philosoph Pascal Bruckner sagte es wie folgt: Das ganze Leben lang sucht man nach Ruhe und Frieden, und wenn man sie findet, vermisst man den Aufruhr. Das ist der Punkt. Ich arbeite heute mit einer Gruppe von Menschen, die ich liebe, und bringe meine Erfahrungen ein, gestalte mein Leben nach meinen Vorstellungen. Und das ist etwas, das ich jedem von ganzem Herzen wünsche.

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