
Zwischen Trend und Tradition
- 19. März 2020
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Jan Kath bricht mit seinen modernen Orientteppichen traditionelle Sehgewohnheiten, denn er kombiniert klassische Muster mit zeitgenössischen Designs. Früher wurde der 48-Jährige für seine Eigenwilligkeit belächelt. Heute zählt der Bochumer zu den internationalen Grössen und setzt regelmässig Trends in der Szene.
«In klinisch durchgestylten Wohnungen mit hochglanzpolierten Betonböden fühlt sich niemand wirklich wohl», findet Jan Kath. «Unsere Teppiche sind Inseln zum Wohlfühlen. Sie wirken im coolen Interieur heilsam, ohne den Style zu zerstören.» Er gilt als Pionier auf dem Teppichmarkt und war einer der Ersten, der sich getraut hat, das traditionelle Handwerk mit modernen Designs zu kombinieren. Mittlerweile werden seine Kreationen regelmässig mit Design Awards ausgezeichnet und in Museen ausgestellt. Dabei wollte der Unternehmer ursprünglich gar nichts mit Teppichen zu tun haben.
Von der Bestimmung eingeholt
Jan Kath ist in die dritte Generation einer Teppichhändler-Familie geboren. Aus diesem Grund besucht er schon als kleiner Junge mit seinem Vater Manufakturen im Iran und in Nepal. Während diesen Reisen entwickelt er schon früh ein Verständnis für Farbkombinationen und Proportionen – eigentlich die perfekte Vorbereitung für eine spätere Übernahme des elterlichen Geschäfts. Doch als dies in seiner Jugend zum Thema wird, findet Jan Kath die Idee alles andere als verlockend. Lieber trampt der damals 20-Jährige als Backpacker durch Asien. Schliesslich landet er nach mehreren Monaten mit dem letzten Geld in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Dort trifft er wie durch Zufall einen Bekannten seines Vaters, der nach einem Qualitätskontrolleur für seine Teppichproduktion sucht. Da Jan Kath noch keine Lust hat, nach Hause zu fliegen, nimmt er den Job erstmal an. Ohne zu ahnen, dass er mit dem Business einmal international durchstarten wird.
Unkonventionelle Ideen sorgen für Aufmerksamkeit
Tatsächlich übernimmt Jan Kath nach kurzer Zeit das Geschäft und kehrt zurück in seine Heimat. Doch weil in Deutschland Orientteppiche zu diesem Zeitpunkt als überholt gelten, will er erstmal ihr verstaubtes Image aufwerten. Mit seinem Freund Dimo Feldmann arbeitet er nächtelang an eigenen Designs. Jan Kath als viel gereister Weltenbummler und Dimo Feldmann als DJ entwickeln zusammen eine unverkennbare Handschrift für die Marke «Jan Kath Design». Sie erschaffen unkonventionelle Kombinationen: Perserteppiche mit zerkratzten Strukturen, wilden Formen und Schriftzügen wie aus der Graffiti-Spraydose.Die Designs sorgen für Aufruhr in der Szene. Besonders, dass Jan Kath seine Werke in verlassenen Industriehallen im Ruhrgebiet inszeniert, stösst auf Unverständnis. Doch er verlässt sich da auf seine Intuition und das Motto seiner Marke: «Ihr könnt cool sein, ohne kalte Füsse zu haben!»
Von den Fabrikhallen in die Königshäuser
Auch wenn sein Stil anfangs auf Kritik stösst, finden die «JK»-Teppiche langsam ihren Weg in zahlreiche Königshäuser in Europa und im arabischen Raum. Auch Luxushotelketten und Stars wie Bruce Willis oder Anthony Kiedis, der Sänger der Red Hot Chili Peppers, werden auf ihn aufmerksam. Kath erhält immer speziellere Anfragen: So lässt er zum Beispiel 2011 für den Senatsaal in Bremen einen 160 Quadratmeter grossenTeppich aus 19 Millionen Knoten knüpfen. Um den tonnenschweren Teppich in den ersten Stock des Gebäudes zu tragen, sind zwei Ruderteams nötig. Im selben Jahr bestellen auch Fürst Albert II. und Charlène von Monaco bei ihm einen 103 Meter langen roten Teppich für ihre Hochzeit. Inzwischen gibt es eigene Jan Kath Stores in der ganzen Welt: Paris, Vancouver, New York, Berlin, Tokio und Sydney. Doch der grösste Showroom und die Kreativzentrale befinden sich noch immer im Ruhrgebiet. Hier, in einer ehemaligen Fabrikhalle, zwischen Stahlträgern und alten Lastkränen, empfängt er seine Kunden am liebsten.
Jedes Design erzählt eine Geschichte
Die Kollektionen aus dem Hause Kath sind abwechslungsreich und decken die unterschiedlichsten Wünsche ab. Aber eines haben sie alle gemeinsam: «Jeder unserer Teppiche erzählt eine Geschichte», erklärt Kath. Wie zum Beispiel die Modelle der Linie «Spectrum». Die ungewohnten Farbwelten und sphärischen Muster offenbaren Sagen und Märchen, die in düsteren Mooren und Tannenwäldern spielen. Aus diesem Grund tragen einige dieser Modelle auch Namen wie «Levico» (ein kleiner wenig bekannter See in Italien). Oder die Kollektion «Yantra»: Sie widmet sich der Geschichte des Quadrats. Es eignet sich aufgrund seiner Ebenmässigkeit besonders gut als Grundlage für ein Design. Bereits Platon nannte die Form «vollendet schön». Zudem ist das Quadrat die Grundform vieler Meditationsbilder im Hinduismus und Tantrismus sowie Grundriss von zahlreichen Tempeln, Altären, Klöster und Städten.
Mut zur Imperfektion
Doch Jan Kath spielt in seinen Designs auch gerne mit Imperfektionen. Wie beispielsweise in seiner neusten Kollektion «East»: «Für mich hat das Fehlerhafte eine eigene Magie. Auch wenn unsere Teppiche detailliert geplant werden und die Knüpferinnen und Knüpfer zu den Besten der Welt gehören, können sich Fehler einschleichen. Doch gerade diese Makel – wie auch die Unregelmässigkeiten in der von Hand gesponnenen Wolle – sind es, die meinen Teppichen eine besondere Emotionalität geben.» Als Inspiration diente unter anderem die japanische Kunstform «Kintsugi». Mit dieser speziellen Technik werden zerbrochene Keramikgefässe neu verklebt. Dabei werden sie mit einer Kittmasse neu zusammengefügt, und die Bruchlinien werden mit Gold und Platin verschönert. Dass die Makel bewusst hervorgehoben werden, fasziniert Jan Kath, und er setzt dies mit «Lücken» im Design um, die mit hell leuchtender Seide aufgefüllt werden.
Fairtrade ist selbstverständlich
Auch wenn Jan Kath für unkonventionelle Designs bekannt ist, in Sachen Qualität bleibt er «kompromisslos konservativ». Faire Arbeitsbedingungen sind für ihn unabdinglich: «Es ist eine moralische Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen stimmen. Wir richten Kindergärten ein, damit der Nachwuchs unserer Mitarbeiter nicht zwischen den Knüpfstühlen spielt. Das bringt die nötige Konzentration und Ruhe in die Produktion. Denn viele unserer Designs sind äusserst kompliziert zu knüpfen.» Ausserdem will er das Handwerk attraktiv halten, damit der Unternehmer auch in Zukunft auf motivierte Fachkräfte zurückgreifen kann. Bei seinen Materialien achtet er auf Fairtrade und hohe ökologische Standards. Zu dem Grundmaterial der in Asien gefertigten Kollektionen gehören chinesische Seide, Garn aus Brennnesselfasern und tibetische Hochlandwolle. Die Hirten bringen die Wolle mit Yaks von den Bergen in die Basisstation, wo sie im Fluss gewaschen und gekämmt und von Hand versponnen wird. Für die Färbung werden ökologisch getestete Spezialfarben aus der Schweiz verwendet.
Jahrhundertealte Methoden des Teppichknüpfens
Momentan decken mehr als 2500 Mitarbeitende in Nepal, Indien, Thailand und Marokko die Produktionsanfragen ab. Meistens sitzen die Knüpferinnen und Knüpfer in Teams von drei bis vier Personen nebeneinander an einem Knüpfstuhl. Sie arbeiten während drei bis vier Monaten, denn über eine Million Knoten stecken in etwa sieben Quadratmeter Teppich. Dabei müssen sie immer synchron arbeiten: Linie für Linie. Wenn eine Knotenreihe beendet ist, werden die Knoten mit dem «Schussfaden» fixiert und anschliessend mit dem Kammhammer angeschlagen. Erst dann kann mit der nächsten begonnen werden. Je komplexer das Design, desto detaillierter ist die Knüpfvorlage und je mehr Farben, desto mehr Wollknäuel liegen hinter den Knüpfern. Das Handwerk geht auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, und in jeder Produktionsstätte wird eine unterschiedliche Knüpfmethode verwendet. Jede bringt die Designs und Materialien auf unterschiedliche Art und Weise zur Geltung: In Nepal wird beispielsweise die traditionell tibetische Knüpftechnik verwendet. «In Marokko verwenden wir etwa den nomadischen Berberknoten, der rustikal und archaisch wirkt», so Jan Kath. «Ich liebe diese unterschiedlichen Ausdrucksformen, und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, sie zu erhalten.»
Die Techniken bleiben ein Geheimnis
Die verschiedenen Knüpftechniken sind jedoch nicht das einzige Erfolgsgeheimnis. Auch die speziell für Jan Kath entwickelten Techniken sind entscheidend. Durch die speziellen Verfahren sind seine Teppiche nur schwer zu kopieren, und das schützt seine Marke vor billigen Reproduktionen. In der Kollektion «Erased Heritage» wird der Teppichflor beispielsweise so abgebrannt, dass ein spezieller «used» Look entsteht. Die unterschiedliche Hitzebeständigkeit der verwendeten Materialien macht dies möglich. Dadurch sieht der Teppich so aus, als wären bereits tausende Füsse darübergegangen. Doch alles Weitere ist Betriebsgeheimnis. Auch der Prozess des Waschens kann den Look des Teppichs massgeblich beeindrucken: Entweder fördert er die Brillanz der Farben oder lässt sie zurückhaltend erscheinen. Zum Schluss wird jeder Teppich mühevoll von Hand getrimmt, bevor er schliesslich verpackt und verschickt wird. Dieser Produktionsablauf braucht Geduld: Von Anfang bis Ende dauert es ungefähr ein halbes Jahr, bis ein Teppich fertiggestellt ist.
Rebell und Traditionalist zugleich
Auch wenn seine Designs rebellisch sind, als Geschäftsmann bleibt Jan Kath ein Traditionalist. So führt er sein Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder David Kath und seiner Mutter Ruth Kath. Im Familienbetrieb ist auch noch immer sein Jugendfreund Dimo Feldmann. Noch immer tüfteln sie zusammen nächtelang in Bochum an Entwürfen. Und noch immer findet Jan Kath seine Inspirationen auf der ganzen Welt – sei es ein Blick aus dem Flugzeugfenster auf die Wolken über dem Himalaya oder eine folkloristische Tischdecke in einer russischen Bar in New York. Irgendwie schafft er es, in seinen Kreationen alt und neu, fremd und heimisch, perfekt und imperfekt zu vereinen. Jan Kath ist ein Meister der Kontraste. Und es scheint, als wäre es genau das, was seine Teppiche so beliebt macht.
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