
Zwei Schweden im Voll-Format
- 1. April 2016
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Bei der Wahrnehmung von Luxusprodukten, so weiss man bei Volvo, zählt das Erlebnis heute mehr als ein Markenlogo. Die kommenden Modelle S90 und V90 tragen diesem Umstand Rechnung – mit viel Understatement und noch mehr technischem Vorsprung. Laut der Trendagentur Kjaer Global stehen die Luxusmarken dieser Welt vor der vielleicht grössten Herausforderung ihrer Geschichte. Begründet wird dies mit dem sich rasant verändernden Erfassen des Konsumenten – und einem daraus resultierenden anderen Kaufverhalten.
Individueller Luxus besteht heute nicht mehr vorrangig aus materiellem Vermögen, sprich dem Anhäufen oder ständigen Aktualisieren von Besitztümern. In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher und politischer Unsicherheiten wächst die Erkenntnis, dass Luxus vor allem in privater Zeit und persönlich bereichernden Ereignissen zu suchen ist. Es geht also vermehrt um Lebensqualität, die der Report auch als den «Faktor Frau» oder «Das gute Leben» umschreibt.
Die Studie der in London ansässigen Agentur dient Volvo nach eigenen Angaben «als Ideengeber für den weiteren Transformationsprozess der Marke». Das öffentliche Zurschaustellen von Logos komme zunehmend aus der Mode. Gleichzeitig steige die Nachfrage nach diskret etikettierten Produkten, die ihre Identität nur Eingeweihten gegenüber offenbaren.
«Viele bestens etablierte Marken müssen sich schleunigst dem Kundenwunsch nach einem persönlicheren exklusiven Erlebnis anpassen», glaubt auch Björn Annwall, Senior Vice President Sales, Marketing?&?Customer Service bei der Volvo Car Group. «Andernfalls laufen sie Gefahr, den Anschluss zu verlieren.» Der Kjaer-Global-Report nennt mehrere zentrale Trends: Innovationen, ständige Erreichbarkeit und Konnektivität, dazu eine wachsende Wertschätzung für Fachkompetenz und Handwerkskunst, Authentizität und Entdeckungen.
Die im Bericht erarbeiteten Erkenntnisse hat Volvo bei der Entwicklung der neuen grossen S90-Limousine vollumfänglich berücksichtigt, wie Annwall weiter ausführt: «Ich denke, wir haben verstanden, was Luxus heute ist und sein sollte, aber das müssen natürlich unsere Kunden beurteilen. Volvo war schon immer anders. Wir nähern uns dem Thema Design und dem gesamten ‹Erlebnis Auto› aus einer menschlichen Perspektive.» Das scheint bereits gut zu funktionieren: 2015 verkaufte der schwedische Automobilhersteller erstmals mehr als 500’000?Autos – das entspricht einem Zuwachs von acht Prozent und ist neuer Absatzrekord auf dem Weg zum erklärten Ziel, 2020 die Produktionszahl 800’000 erreichen zu wollen.
Der S90, welcher ab 2017 auch in China gebaut werden wird, spielt bei diesen Plänen eine wichtige Rolle. Die ab Spätsommer in der Schweiz verfügbare Limousine ist komplett neu, löst den zehn Jahre alten S80 ab – und gilt als Eintrittskarte für den Club der gehobenen Business-Klasse, in der sich Audi, BMW, Jaguar und Mercedes tummeln. Der Modellcode ist darüber hinaus auch eine symbolische Zahl, denn 2017 wird die Marke Volvo 90 Jahre alt.
Der über 4,96?Meter lange S90 verfügt über eine Vielzahl neuer Technologien, angefangen beim erweiterten «Intellisafe»-Sicherheitssystem bis hin zu cloud-basierten Apps und Services. So verfügt das Auto beispielsweise über den ebenso fortschrittlichen wie halb-autonomen Fahrassistenten Pilot Assist: Der hält das Fahrzeug bei Geschwindigkeiten von bis zu rund 130 km?/?h mit dezenten Lenkeingriffen in der Spur, auch ohne sich dabei an einem vorausfahrenden Fahrzeug orientieren zu müssen. Damit ist der Pilot Assist ein weiterer Schritt in Richtung vollautomatisiertes Fahren, ein Kernbereich der Volvo-Forschung. Parallel wird das autonome Notbremssystem Volvo City Safety um eine neue Erkennungstechnik erweitert, die neben den Fussgängern und Radfahrern auch grosse Tiere erkennen kann – bei Tag und in der Nacht, das ist eine Weltpremiere. Ein weiteres Novum ist die sogenannte «Run-off Road Mitigation»: Das System soll mittels Lenkeingriff und Bremsen verhindern, dass der Wagen ungewollt die Strasse verlässt – etwa durch eine Unachtsamkeit des Fahrers.
Auch von den Investitionen in einen fortschrittlichen Fahrwerk-Simulator profitiert die Limousine: «Mit dem S90 machen wir bei der Fahrdynamik, der Performance und der Fahrkultur einen grossen Schritt vorwärts», erläutert Peter Mertens, Senior Vice President, Research und Development bei der Volvo Car Group. Angetrieben wird der Volvo S90 von effizienten Vierzylinder-Aggregaten; Top-Motorisierung ist der kraftvolle T8 Twin Engine Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 300 kW.
Ihren Ausdruck findet die neue Markenepoche in einem ebenso kraft- wie stilvollen Auftritt, der die bisherige Formsprache weiterentwickelt hat und auf ein höheres Niveau hebt: «Wir wollten etwas grundlegend Neues in dieses eher konservative Segment bringen», umschreibt es Volvo-Cars-Chefdesigner Thomas Ingenlath. Tatsächlich hat der S90 eine starke Präsenz und wirkt sogar selbstbewusster als der technisch eng verwandte XC90. Das hochgerüstete und dabei sehr behagliche Interieur-Konzept muss zu den derzeit anspruchsvollsten im Limousinen-Segment gezählt werden; allein das konnektive Infotainment-System setzt neue Massstäbe in dieser Klasse.
Alle diese Eigenschaften gelten auch für den Edel-Kombi V90, der den V70 ersetzen und zeitgleich mit dem S90 auf den Markt kommen wird. Fünftürer haben in Torslanda eine über 60-jährige Geschichte, die von Nutzwert und Langlebigkeit geprägt wurde. Der V90 soll diesem Erbe mit viel Stauraum gerecht werden, welcher allerdings erstmals mit einer schräg abfallenden Heckpartie abgeschlossen wird. Die senkrechte Hecktür ist damit passé und manche Markenfans jaulen auf. Doch äusserlicher Stil – subtiler Stil im Sinne besagter Luxus-Wahrnehmung – geniesst bei Volvo heute einen höheren Stellenwert, und wer im V90 ein wenig Avant erkennt, liegt nicht verkehrt. Damit enden die Ähnlichkeiten zu Audi aber auch schon, denn die Volvo-Antriebsphilosophie ist eine ganz andere, zeitgemässere. Auch die Diesel-Aggregate sollen einen Leistungsschub erfahren; das Zauberwort heisst «Powerpulse». Zum guten Schluss noch das: Die V90-Allradversion wird wieder «Cross Country» heissen und ab Mitte 2017 zu haben sein.
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