Vertrauen erarbeiten – Die Potenziale von Reputation
- 22. Mai 2014
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Der Ruf eines Unternehmens ist eine heikle Angelegenheit. Es dauert üblicherweise lange bis die Verantwortlichen es aufgebaut haben und auch nutzen können. Gleichzeitig kann es aber sehr schnell zerstört werden.
PRESTIGE: Mit Reputationsmassnahmen will ich das Gesicht meines Unternehmens wahren. Wäre dies auch für Sie ein Einstig, um sich dem Thema zu nähern?
Bernhard Bauhofer: Das ist mir zu passiv formuliert. Reputation Management ist kein Luxusprojekt, sondern in der heutigen Zeit eine unternehmerische Notwendigkeit. Richtig eingesetzt und nachhaltig verfolgt, verschafft es den Unternehmen eine Grundlage, die das Gesicht des Unternehmens prägt. Mit Reputation Management verbessert man die Position als Arbeitgeber, als Kunde, Geschäftspartner und man demonstriert die nachhaltige Wertschöpfung und gesellschaftliche Verantwortung.
Worin liegen die zentralen Unterschiede zwischen Image und Reputation?Imagekampagnen waren in den achtziger Jahren lange vor der Globalisierung und dem Internet und den Sozialen Medien ein populärer Weg, sich primär gegenüber Kunden und undifferenziert der Öffentlichkeit zu positionieren. Man agierte mit Behauptungen wie: «Wir sind die besten in der Branche, der attraktivste Arbeitgeber und haben die innovativsten Produkte…» Heute, im Zeitalter der Transparenz ist dieser Weg nicht mehr möglich. Alle Stakeholder sind besser informiert, sind vernetzt und tauschen kritische Informationen aus. Bei Reputation geht es um den Wert von Beziehungen, die sich im täglichen Miteinander konstituieren und erarbeitet werden müssen. Versprechen gegenüber Stakeholdern gilt es täglich einzulösen. Reputation Management ist das Management von Erwartungen. Wenn ich die an mich gestellten, beziehungsweise von mir bewusst geschürten Erwartungen erfülle oder übererfülle, habe ich eine intakte Reputation. Wenn ich mehrfach den vielfältigen Erwartungen nicht nachkomme, habe ich ein Reputations- und damit Glaubwürdigkeitsproblem.
Walk The Talk – sprich seinen Versprechungen auch Taten folgen zu lassen, war immer schon die Maxime für erfolgreiches Wirtschaften. Für den Patron war das schon immer klar. Heute in global präsenten Unternehmen, mit einer komplexen Organisation ist es viel schwieriger, diese Handlungsmaxime organisationsübergreifend durchzusetzen und zu kontrollieren. Die Überzeugung des einzelnen alleine reicht nicht mehr aus. Es muss ein Code of Conduct entwickelt werden, aber auch klare Verhaltensrichtlinien und Kontrollen im Sinne des Risk Managements. Wenn heute vertrauliche Daten heraus gegeben werden und in falsche Hände geraten, dann herrscht ein immenser Reputations- und wirtschaftlicher Schaden. Aus diesem Grund sprechen wir heute von einem systemischen Reputation Management.
Die wichtigste Aufgabe für ein Unternehmen ist Gewinn zu erwirtschaften. Wer kein Gewinn erwirtschaftet, hat langfristig keine Existenzberechtigung. Subventionen oder Rettungen durch den Staat sind ein fataler Eingriff in die marktwirtschaftliche Ordnung unter dem Scheinargument «too big to fail». Heute geht es darum Gewinn zu erwirtschaften und dabei nicht nur die Aktionäre, sprich Shareholder zufrieden zu stellen, sondern mit allen Stakeholdern – Kunden, Mitarbeitern, Nichtregierungsorganisationen, Medien – eine Win-Win-Beziehung zu schmieden. Diese so genannten Stakeholder-Unternehmen sind in der Gesellschaft eingebettet und kommen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung umfassend nach. Insofern gefällt mir der Begriff «Societal Responsibility» besser. Denn neben der sozialen Verantwortung ist die ökologische und wirtschaftliche Verantwortung gleichermassen wichtig.
Springen wir in eine Branche die in den letzten Jahren Reputationsverlust erlitten hat, die Finanzbranche. In «The Wolf of Wall Street»können wir das aktuell als Kinoerlebnis vor Augen führen. Was lief aus Ihrer Sicht falsch?
Blenden wir mal die individuellen Verfehlungen aus und richten wir den Blick weg von kriminellen Machenschaften wie dem Ponzi-Scheme von Bernard L. Madoff, so sehen wir, dass das Finanzsystem sich fatalerweise von den Kunden und deren Interessen völlig distanziert hat und sich zu einem selbstreferenzierenden System entwickelt hat. Die Produkte und Dienstleistungen waren ausschliesslich daraus ausgerichtet, den eigenen Gewinn ins Absurde zu steigern. Die von dem ehemaligen Deutschen Bank Chef Josef Ackermann geforderte Eigenkapitalrendite in Höhe von 25 Prozent ist symptomatisch für die Verfehlungen und diesen Zeitgeist. Schlussendlich herrscht eine Kollektivschuld, da wir alle der Gier erlegen sind.
Das ist Whitewashing im besten Stil. Das Problem bei CSR und dem Global Compact der Vereinten Nationen ist, dass diese Richtlinien nicht verbindlich sind und sich jedes Unternehmen das Label auf die Fahne schreiben kann. Reputation Management bedeutet einen tiefgreifenden Eingriff in die Unternehmenskultur, bei den Banken in die Vergütung der Banker, Bonisysteme, ein Code of Conduct im Verhalten, Kontrollmechanismen im Risk Management, die Corporate Governance und damit die Gewaltenteilung im Unternehmen. Viele Unternehmenskrisen haben ihren Ursprung in Doppelfunktionen: Der CEO war gleichzeitig der Präsident des Aufsichtsorgans und hatte damit eine uneingeschränkte Macht. Das war nicht nur in der Finanzbranche so. Die Hoffnung besteht, dass starke Regulierungen, diese Art von Machtballung und –missbrauch künftig zu verhindern sind, ohne eine Organisation überzuregulieren und damit zu lähmen. Einen grossen Aufholbedarf in Sachen Corporate Governance haben beispielsweise Vereine wie die FIFA oder der deutsche Automobilclub ADAC, die durch Zahlenmanipulationen und offensichtlichen Korruptionsfällen mit einem Schlag seine Glaubwürdigkeit verspielt hat. Das lässt sich auch an konkreten Personen festmachen. Denken Sie nur an Daniel Vasella, der über viele Jahre hinweg ein Doppelmandat hatte
Über 5000 Unternehmen aus 130 Ländern beschwören im Rahmen des Global Compact ihre Bereitschaft gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Klafft da nicht eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit?
Wie gesagt kann sich jedes Unternehmen schnell dieser Bewegung anschliessen. Die Vorgaben sind zu lax und nicht bindend. Was auf internationaler Ebene passiert, sehen wir auch am Kyoto-Protokoll. Ein Unternehmen, welches es mit der Umwelt, der gesellschaftlichen Verantwortung als Good Corporate Citizen ernst meint, entwickelt seine eigenen Standards und setzt Zeichen in der Unternehmenswelt und der Branche. Dort lässt sich die Ernsthaftigkeit ablesen.
Sind die vielen Glanzbroschüren oft nicht nur symbolische Finten und Ausdruck von Widersprüchen in Globalisierungsprozessen?
Ich habe nichts gegen Hochglanzbroschüren, wenn der Inhalt Substanz hat. Geschäftsberichte haben eine ungeheure Entwicklung genommen. Auf Druck von den Stakeholdern investieren Unternehmen massiv in die Verbesserung der Performance und der Kontrolle der Wertschöpfungskette. Corporate Volunteering und viele andere philanthropische Massnahmen sind keine CSR-Strategie, aber Ausdruck von einer Bereitschaft des Unternehmens, sich Goodwill zu erarbeiten.
Wir haben es nicht nur mit symbolischen Aktionen zu tun?
Gesellschaftliche Verantwortung muss immer Bezug zum Geschäft und der Branche haben. Ein Rohstoffunternehmen soll keine Almosen oder Geschenke verteilen, sondern die in der Wertschöpfung beteiligten Partner am sozialen und ökologisch nachhaltigen Erfolg partizipieren lassen.
Dann können Sie uns jetzt sicher auch ein konkretes positives Beispiel verraten?
Unser neuer Mandant IXE Group operiert im globalen Agrikulturbereich so. Die Anbauer werden fair entlöhnt, behalten ihre Identität und partizipieren an der Wertschöpfung. In der Schweiz gibt es in Sachen Nachhaltigkeit einige Vorzeigeunternehmen. Dazu zähle ich Zurich oder Swiss Re, die aufgrund der Natur des Versicherungsgeschäfts eine hohe Sensibilisierung gegenüber Risiken entwickelt haben. In der Maschinenindustrie hat sich Sulzer durch ein umfassendes Gesundheits- und Sicherheitsmanagement als Reputationsleader und vorbildlicher Arbeitgeber positioniert, der mit den Gewerkschaften Gesamtarbeitsverträge ausgehandelt hat.
Diese Quantensprünge sind für die Entwicklung der Ökonomie noch heute von zentraler Bedeutung für Wettbewerb und Fortschritt. Doch leider werden nicht mehr wettbewerbsfähige Unternehmen – auch durch den verzerrenden Eingriff des Staates – leider zu lange am Leben gehalten. Innovation im Stile von Apple hat viele Anbieter wie Sony oder Nokia aus dem Markt gedrängt. Und das ist gut so. Aber auch der Gewinner Apple ist mit komplett neuen Reputations-Herausforderungen konfrontiert, wie die Selbstmordflut beim Zulieferer Foxconn zeigte. Auch die massive Kritik an der zwar legalen, aber moralisch fragwürdigen Steueroptimierung des Konzerns, kann selbst einem Kultunternehmen schaden Apple wandert auf einem schmalen Grad und die zukünftigen Risiken schätze ich als gross ein.
In Zeiten von Diversität und einer globalen Belegschaft mit kulturellen, religiösen und ethnischen Hintergründen ist eine Ethik nach unserem christlich geprägten Verständnis nicht mehr zeitgemäss und taugt nicht als ein einheitlich verbindlicher Verhaltenskodex. Überhaupt ist der Begriff Ethik viel zu schwammig. Beim Management von globalen Geschäften müssen messbare Kriterien angewendet werden, wie zum Beispiel die Ökobilanz, CO2 Ausstoss, aber auch klare Verbote ausgesprochen werden wie das Verbot von Kinderarbeit. Laxe Standards und ethische Leitsätze sind da nicht zielführend. Es braucht übergreifende Kontrollinstanzen, die bei Nichtbefolgung von Mindeststandards auch Sanktionen verhängen können, die schmerzhaft sind. Hier sind wir noch weit entfernt. Umso wichtiger sind global vernetzte Aktivisten, welche Druck auf die Sünder ausüben und so Veränderungen herbeiführen.