
Unterwegs von Chur nach Tirano mit Rolf Sachs
- 10. Oktober 2013
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Der Künstler, Designer und Fotograf Rolf Sachs, Sohn des legendären Lebemanns Gunter Sachs, zeigt in seinem neusten Fotoprojekt einmal mehr seine Verbundenheit zum Engadin. Rolf Sachs stellte anlässlich der St. Moritz Art Masters erstmals seine Ausstellung «Camerain Motion: Von Chur nach Tirano» vor.Mit seiner Kamera hat er die flüchtigen Momente einer spektakulären Alpenlandschaft eingefangen. So wie sie sich dem Betrachter bei einer Fahrt mit der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Rhätischen Bahn durch die Schweizer Berge bieten. PRESTIGE traf den Künstler in der Schlossereiwerkstatt St. Moritz und sprach mit Ihm über den Begriff «Heimat», das Engadin und die Kunst zu leben.
Prestige: Herr Sachs, Sie stellen heute Ihr neues Fotoprojekt vor. Was ist das Besondere an «Camera in Motion: From Chur to Tirano»?
Rolf Sachs: Dieses Projekt wird viele Menschen anregen, eine Still Camera in Bewegung zu benutzen, denn die Bilder sind voller Leben. So simpel diese Form der Aufnahme ist, so sehr spricht sie doch den heutigen Zeitgeist an. Es kommt ständig zu Überraschungen. Etwas mit dem ich gar nicht gerechnet habe, ist zum Beispiel, dass bei Aufnahmen in den Kurven nur ein einziger Punkt scharf gezeichnet wird. Dadurch sehen einige Aufnahmen fast irreal aus – wie eine Spielzeuglandschaft. Und das macht dieses Projekt so spannend.
Haben Sie Ihre Bilder nachträglich noch bearbeitet?
Nein! Das ist eins meiner Prinzipien. Keine nachträgliche Bearbeitung. Bei meinem letzten Fotoprojekt, bei dem ich über einen langen Zeitraum immer dieselbe Aussicht fotografiert habe, ist auch alles so wie es aus der Kamera kam. – Alles nur mit einer einzigen Einstellung aufgenommen. Es gibt sicher tolle Bilder, die stark bearbeitet wurden, aber meine Bilder sind 1:1, so wie sie aus der Kamera kommen.
Wie oft sind sie die Strecke von Chur nach Tirano für Ihr neues Projekt mit der Bahn gefahren?
Ich selbst habe mit der Kamera vor dem Auge vier Fahrten gemacht. Aber es stehen noch einige Fahrten an. Es gibt noch eine sehr schöne Zeit, die ich noch nicht eingefangen habe: Der Herbst, in dem sich alle Lärchen gelb verfärben. Die muss ich auf jeden Fall noch fotografieren. Inzwischen kenn ich aber jede Kurve auf der Strecke, weiss, welche Belichtungszeit ich wo einstellen muss. So kann ich jetzt natürlich bei den Aufnahmen noch mehr spielen. Ich habe nun den Blick dafür, wie was aussehen könnte. Man muss ein bisschen ins Leere schauen, damit der Vordergrund nicht scharf ist, so erkennt man vor dem eigenen Auge, wie das Bild aussehen wird.
Wie viele Bilder haben sie insgesamt bisher geschossen?
12 000 und es kommen noch mehr. Die Datenmengen sind der Wahnsinn, denn ich verwende eine 70 Millionen Pixel-Kamera. Somit können wir die Bilder natürlich auch riesig aufziehen. Im Winter werden wir das ganze Projekt vorstellen.
Sie leben seit langer Zeit in London. Trotzdem zieht es Sie immer wieder in die Schweiz zurück und auch dieses Projekt befasst sich ja ganz intensiv mit dem Engadin. Warum?
Ich bin mit dem Engadin eng verbunden. Meine Familie ist schon immer eng mit St. Moritz verbunden. Ich bin hier in die Schule gegangen, habe hier ganz besondere Momente erlebt, angefangen von den tollen, wilden Teenagerzeiten, die stets prägend sind. Heute werde ich, das hoffe ich zumindest, von den Einheimischen als Einheimischer akzeptiert. Ich habe einige honorige Posten im Bobsport, natürlich auch im Dracula-Club und bin Vize-Präsident im Cresta-Club. Das nehme ich auch sehr ernst, denn ich fühle mich verantwortlich für diese Region.
Empfinden Sie in London so etwas wie Heimweh nach dem Engadin?
Ich denke, ich könnte hier oben nicht arbeiten. Es gibt zu wenig Ecken und Kanten. Man kann nicht an einem Ort arbeiten, der zu schön ist. Vielleicht als Schriftsteller, aber als bildender Künstler eher weniger. Da ist London für mich ein interessanteres Pflaster. Doch ich bin mit vielen Orten verbunden, auch mit Deutschland. Ich bin sehr international aufgewachsen, meistens in der Schweiz, bin halb Franzose, halb Deutscher vom Blut her. Meine kreative Sprache ist sehr deutsch. Daher bereite ich in Köln auch gerade eine Ausstellung vor mit dem Namen «Eingemachtes – Typisch deutsch».
Was genau wird dort zu sehen sein?
Ich nehme deutsche Begriffe auf, deutsche Tugenden wie Fleiss, Pünktlichkeit, Reinheit bis hin zu Melancholie, Weltschmerz und Angst. Zu jedem dieser Begriffe habe ich ein Objekt gemacht.
Sind diese Begriffe nicht sehr klischeebehaftet?
Nein, ich denke, dass die Deutschen wirklich genauer, präziser, pünktlicher und fleissiger als andere Nationen sind. Die Engländer sind lustiger, haben einen Way of life, aber das Land funktioniert weniger. Schweizer wiederum sind ein wenig engstirnig, aber dafür funktioniert auch hier alles besser. Alles hat seine guten und schlechten Seiten. Ich will meine Ausstellung jedoch nicht politisieren, denn bin kein Politiker oder Philosoph …
Wie würde Sie sich beschreiben?
Ich bin ein kreativer Weltbürger, ein fröhlicher Mensch und hoffe, dass ich die Welt ein bisschen offener, freier, weniger konventionell machen kann. Wir müssen ausbrechen, wir sind zu abhängig von unserer Erziehung, unserer Sozialisation und davon müssen wir uns befreien. Wir müssen toleranter werden. Jeder ist so, wie er ist, daher müssen wir beginnen, freier zu denken.
Kann Kunst dazu beitragen?
Ja, natürlich. Es gibt sehr viele Menschen die Kunst innerlich berührt und sie zum Umdenken anregt. Auch wenn man die Welt durch Kunst nur ein kleines Bisschen anders sieht, kann das schon etwas bewirken. Um Kunst zu begreifen, muss man jedoch eigentlich in einem urbanen Umfeld leben.
Die meisten Ihrer Arbeiten sind mit einem Augenzwinkern verwirklicht worden, oder?
Alle Objekte reflektieren sicherlich den Charakter des Künstlers, deshalb freut es mich, dass Sie das Augenzwinkern herauslesen können. Manchmal würde ich mir noch etwas mehr davon in meinen Werken wünschen. Humor, Spass und das Leben oder sich selbst nicht zu ernst nehmen sind sehr wichtige Komponenten. Das ist bereits die halbe Miete und man fühlt sich selbst viel wohler in seiner Haut.
Aber nehmen sich nicht gerade viele in St. Moritz viel zu ernst?
Nein, das ist das Bild, was die Medien vermitteln. Das ist ein grosses Klischee, diese Menschen sind gar nicht Teil von St. Moritz. Hier gibt es so viele Unikate. Lustige Engländer, die um zwei Uhr morgens mit den Tabletts die Bobbahn runterrauschen und die Deutschen, die vorher noch schnell abklären, ob sie versichert sind. Das ist das Leben hier. Ein sehr, fast schon humoristisches Beisammensein. Aber das sehen die meisten nicht, da nur Pudel, Pelze und Champagner gezeigt werden, was mit dem echten Leben hier gar nichts zu tun hat.
Woher kommen die Ideen zu Ihren Projekten und Werken?
Ach, das ist schwer zu beantworten. Als Künstler ist man ständig am Denken und hat neue Ideen. Manchmal kommen Sie mitten in der Nacht, manchmal in Teammeetings, wo eigentlich etwas anderes verfeinern sollte.
War es für Sie schwer, als Künstler ernst genommen zu werden? Mit dem Namen Sachs haben doch sicherlich viele «verwöhntes Bübchen aus reichem Hause» verbunden.
Das mit dem reichen Sohn ist immer da. Ich finde das jedoch einfach menschlich und verständlich. Es stört mich auch nicht so sehr. Dieses Bild wird mir mein ganzes Leben angehängt, aber ich kann ganz gut damit umgehen. Ich kann ja nicht aus meiner Haut raus. Doch inzwischen werden viele meiner Werke auch unabhängig von meinem Namen betrachtet und geschätzt.
Haben sie irgendwelche Vorbilder beziehungsweise gibt es Künstler oder Designer, die Sie besonders verehren?
Oh, da gibt es wahnsinnig viele. Ich finde nicht immer alles toll, aber ich bin oft unglaublich eifersüchtig darauf, dass ich nicht selbst die Idee zu einigen Projekten hatte. Hinzu kommt, dass meine Mitarbeiter in meinem Studio wahnsinnige Spielverderber sind. Es kommt häufig vor, dass ich ganz aufgeregt mit einer neuen Idee zur Arbeit komme. Eine halbe Stunde später zeigt mir mein Team dann im Internet, dass es die Idee schon lange verwirklich wurde.
Kunst ist für Sie in drei Worten?
Frei, offen und endlos. Die meisten Menschen denken, es sei alles bereits gemacht worden, aber es ist noch nichts gemacht worden. Und das ist das unglaublich Schöne an der Kunst. Es gibt immer wieder neue Überraschungen. Es ist unglaublich, wie tief man schürfen kann.