The Gambino Family – Teil I: Carlo Gambino
- 8. Oktober 2012
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Keine einzige Mafia-Organisation in den Vereinigten Staaten von Amerika war jemals so mächtig, so reich und so skrupellos wie sie: die Gambino-Familie. Die Vielfalt der Geschäftszweige der Gambino-Familie sicherte ihnen Milliardengewinne, die nicht nur ein Jahrhundert überdauerten, sondern für die Ewigkeit strukturiert worden sind. Den buchstäblich richtigen «Riecher», um ein solches Mega-Imperium aufzubauen, hatte ein Mann, der kaum grösser als einen Meter fünfzig und so schlau wie ein Fuchs und stark wie ein Löwe war: Carlo Gambino.
In der Wiege der Mafia
Als Carlo Gambino am 24. August 1902 im kleinen Kaff Caccamo am Fusse des Monte San Calogero geboren wird, schlummert seine Zukunft im Reich der Kriminalität bereits in seiner Wiege. Seine wohlhabenden Eltern sind profitabel vernetzt und zahlreiche Verwandte gehören der Mafia an. Mit der Unterstützung seiner Familie stellt Don Vito Cascio Ferro, der Kopf der Ehrenmänner und zugleich mächtigster Mann Siziliens, den ambitionierten Carlo ein, der vorzeitig die Schule abgebrochen hat. Der charismatische und furchtlose Mafia-Boss begnügt sich nicht mit Diebstählen, sondern wittert mit der Erhebung von Schutzgeldern ein viel besseres und lukrativeres Geschäft. Bezahlt ein Geschäftsmann das auferlegte «Pizzo» (Schutzgeld) nicht, ist es Carlo, der dieses mit Gewalt eintreibt. Carlo ist klein und unscheinbar, und nur die riesige, ausgeprägte Hakennase, die wie der scharfe Schnabel eines Adlers aus seinem Gesicht hervorsticht, verleiht ihm eine gewisse Aggressivität. Schnell offenbaren sich den Kreisen der Mafia seine Qualitäten, sein Einsatz und sein ausgeprägter, fast schon animalischer Instinkt. Mit 19 Jahren wird der ehrgeizige Carlo offiziell in die Vereinigung der Ehrenmänner aufgenommen.
Die Bewegung der Faschisten im Jahr 1920 unter ihrem Führer Benito Mussolini wird immer mächtiger, und dem organisierten Verbrechen stellt sich ein neuer und sehr resoluter Feind in den Weg. Eines von Mussolinis Zielen ist die Zerschlagung der Mafia, und die verfolgten Mafiosi rettet nur die Absetzung ins Ausland vor dem Gefängnis. Da ein grosser Teil von Carlos Familie mütterlicherseits bereits nach New York ausgewandert ist, beschliesst Carlo, Sizilien zu verlassen. Die Castellanos, ein mächtiger Mafia-Clan, können ihm eine kriminelle Karriere voller goldener Möglichkeiten bieten. An einem Tag im November 1921 wird Carlo auf einem Frachtschiff über den Ozean geschmuggelt.
Der Bruch alter Traditionen
Carlo hat klare Vorstellungen über seine Zukunft und nichts und niemand soll seinen Weg an die Spitze des organisierten Verbrechens behindern. Die Castellanos führen unter anderem ein kleines Transportunternehmen und Carlo überzeugte nicht nur als Fahrer, sondern auch als «Shocker», der die Trucks anderer Schwarzhändler kapert und deren Ware stiehlt. Eines Tages trifft Carlo auf Giuseppe «Joe The Boss» Masseria, eine lokale Grösse im Schwarzmarktgeschäft und ein «Mustache Pete», einen der traditionsbelasteten Ehrenmänner. Gambino, der gute Gelegenheiten riecht, beschliesst, für ihn zu arbeiten, und entwickelt sich dank seines ausgeprägten Geschäftssinns und Organisationstalents innerhalb kürzester Zeit zu einem unentbehrlichen Mitarbeiter. Als Masseria am 15. April 1931 von Lucky Luciano in ein Restaurant auf Coney Island eingeladen und dabei erschossen wird, ist auch Carlo der festen Überzeugung, dass dessen Tod endlich den ersehnten Aufschwung in den alteingesessenen und festgefahrenen Mafia-Mustern bringen wird, und schliesst sich Lucky Luciano an. Lucky Luciano und Carlo Gambino arbeiten nun für den neuen Boss der Unterwelt, Salvatore Maranzano, der sich glücklich wähnt, die smarten und erfolgreichen jungen Mobster in seiner Crew zu haben, während die beiden aufstrebenden Sterne am kriminellen Mafia-Himmel bereits seinen Tod planen. Nur wenige Monate nach Masserias Tod wird Salvatore Maranzano, der letzte Bremsklotz der alten Mafia-Garde, an seinem Schreibtisch erschossen.
Die Gräber der beiden «Mustache Petes» Masseria und Maranzano sind noch frisch, als die neue Generation unter der Führung von Lucky Luciano die Herrschaft des Syndikats übernimmt und die Unterwelt in eine Kooperation umstrukturiert, in der jede wichtige Mafia-Familie ein Stimmrecht im Aufsichtsrat erhält. Carlo Gambino ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hat jedes Mal auf die richtige Karte gesetzt. Jetzt ist er dem Mobster Vincent Mangano zugeteilt, der das Hafenviertel von Brooklyn kontrolliert, und Carlo beginnt, sein eigenes kriminelles Imperium zu planen. Mit 29 Jahren führt Carlo seine eigene Crew und wählt als erstes Mitglied seinen Cousin Paul Castellano, der, genauso wie er, in die Mafia hineingeboren wurde. Carlo, der weiss, wie schnell ein Störfaktor eliminiert wird, braucht Vertrauensmenschen in seinem engsten Umfeld, denn der stetige Blick über die Schulter behindert den Weg an die Spitze. Carlo Gambino schwört auf Blutsbande, und später wird man sagen, zu sehr.
Die Vermählung zweier Familien
Als er 1932 mit 30 Jahren seine Cousine ersten Grades und zugleich Schwester von Paul Castellano heiratet, vertieft er das Band mit den Castellanos. Die Heirat mit Catherine ist absurd und für einen erzkatholischen Italiener ein Tabu, jedoch sind die Castellanos mächtig und die Ehe mit Catherine verstärkt auch Carlo Gambinos Macht. Als das Ende der Prohibition gefeiert wird, greift Carlo zu immer neueren Geschäftsfeldern und verdient innerhalb kürzester Zeit seine erste Schwarzmarkt-Million. Wie bei einem Fabelwesen, dem beim Abschlagen des Kopfes fünf neue wachsen, kumulieren sich die Geschäfte von Carlo, der überall eine neue Geldquelle findet. 1950 hat er sich den exzellenten Ruf erarbeitet, der beste Grossverdiener für die Manganos zu sein. Doch irgendwie scheint der Weg nach oben blockiert zu sein. Als 1951 sein Boss Vincent Mangano auf mysteriöse Weise stirbt, übernimmt Albert Anastasia, sein Stellvertreter und zugleich Carlos Rivale, die Kontrolle des Syndikats. Anastasia, der «Lord High Executioner», ist einer der gefürchtetsten Mobster und Gründer der «Murder Incorporated», einer kriminellen Vereinigung, der innerhalb von 20 Jahren hunderte von Morden zuzusprechen sind. Anastasia befördert Carlo Gambino zu seinem Unterboss, doch diesem ist bereits bewusst, dass er niemals auf natürlichem Weg der Boss werden kann. Doch Carlo ist entschlossen, die Spitze des Syndikats einzunehmen. Anastasia muss verschwinden.
An der Spitze
Mit dem Tod von Albert Anastasia, der am Morgen des 25. Oktober 1957 im Barbershop des «Sheraton»-Hotels in Manhattan erschossen wird, ist der Weg für Carlo Gambino endgültig frei. Der 55-Jährige hat sein lebenslanges und ehrgeizig verfolgtes Ziel erreicht – er ist der Pate der Paten. Der gewiefte Carlo weiss, dass der Erfolg in der Ausweitung der Geschäftsfelder liegt, und beteiligt sich nebst den illegalen Aktivitäten an Pizzerien, Nachclubs, Textil-, Bau- und Transportunternehmen. Gemeinsam mit der Lucchese-Familie übernimmt der Gambino-Clan die illegalen Aktivitäten am John F. Kennedy International Airport, dehnt seinen Einfluss auf die Müllabfuhr New Yorks und im «Garment District», der Modeindustrie Manhattans, aus. Die Hochzeit seines Sohnes Thomas Gambino mit Franca Lucchese, der Tochter des Mobsters Tommy Lucchese, ist ein weiteres Blutsbündnis. Mit 65 Jahren ist Carlo Gambino eher ein Grossvater als ein «Godfather». Er spricht mit starkem Akzent, trinkt täglich Dutzende Tassen schwarzen Kaffees und ist ein Mann, der schwer zu fassen ist. Carlo Gambino treibt sich nachts nicht herum, unterliegt keinen bestimmten Gewohnheiten und hat sich dennoch etwas angeeignet, worüber sich die FBI-Agenten, die sein Haus überwachen und abhören, die Haare raufen. Wenn sich die führenden Köpfe der Mafia in Gambinos Haus in Brooklyn treffen, quittiert der Boss Beschlüsse nur mit einem stillen Nicken. Diese Taktik sollte sich bewähren.
Tod einer Legende
Ende der 60er Jahre zeichnet sich langsam der Abstieg von Carlo Gambino ab. Ihm wird als Drahtzieher zahlreicher bewaffneter Überfälle der Prozess gemacht, doch seine Anwälte verzögern die Verhandlungen immer wieder aufs Neue. Hinzu kommen Abschiebungsersuche, Gambino ist immer noch illegal im Land, die jedoch auch geschickt vereitelt werden. Doch die Jahre haben Spuren hinterlassen. Am Abend des 15. Oktober 1976 sieht sich Carlo in seinem Sommerhaus auf Long Island ein Spiel der New York Yankees an. Carlo, der immer auf der Hut und dem Tod einen Schritt voraus war, ist diesem jetzt ausgeliefert und stirbt an einem Herzinfarkt. Sein Erbe ist eine Dynastie, die Milliarden von Dollars umwälzt und die er innerhalb von 20 Jahren zu einem Weltimperium aufgebaut hat, ohne einen einzigen Tag im Gefängnis gesessen zu haben. Sein Begräbnis gleicht einem Spektakel, und als der Konvoi kranzgeschmückter, dunkler Limousinen langsam zum Friedhof rollt, zollen Tausende Schaulustige aus dem ganzen Land dem verstorbenen Patriarchen auf seinem letzten Weg ihren Respekt. Carlo Gambino ist eine Legende.
Carlos Tod wird mit seiner Nachfolgeregelung eine blutige Spur für die Familie Gambino hinterlassen. Sein Vermächtnis sind nicht nur die Milliarden und eine Weltmacht, sondern seine eisern forcierten Blutsbande innerhalb der Gambino-Familie. Seine Verfügung, Paul Castellano zu seinem Nachfolger zu bestimmen, ist der Sargnagel für die Familie und die falscheste aller Entscheidungen, die der sonst so intuitiv veranlagte Carlo jemals treffen konnte.