
The dress watch – a watch to dress up?
- 10. Juli 2012
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Die Dresswatch unterscheidet sich in vielem von «normalen» Uhren – dies nicht zuletzt, weil sie einem oft so schlicht erscheint, dass der eigene Charakter dieser Uhr schlichtweg untergeht. Erst auf den zweiten Blick erkennt das menschliche Auge die zeitlose Form dieser Uhr, was so durchaus ihrem Zweck entspricht. Denn die Dresswatch trägt man vornehmlich zu einem Anzug (daher auch das Wort Dress) – in früheren Zeiten sogar nur zum Smoking, dem Tuxedo oder einem dunklen Anzug.
Wen schert schon die genaue Uhrzeit?
Die Dresswatch etablierte sich zuerst in den Goldenen Zwanzigerjahren, jener Zeit der späteren Belle Époque, deren rauschende Parties und grosszügige Soirées in manchen Romanen von Somerset Maugham verewigt wurden. Es war die Zeit, als grosse Reichtümer neue Besitzer fanden und Stil als Eigenschaft zum Erfolg beitragen konnte. Die Angabe der Zeit stilisierte sich in dieser Zeit zur fast exklusivsten Nebensächlichkeit der Welt, indem man(n) sich auf die Angabe der Stunden und Minuten beschränkte und allenfalls noch durch die Gangreserve darauf hingewiesen wurde, ob die angegebene Zeit auch aktuell war oder die Uhr allenfalls aufgezogen werden musste. Nachvollziehbar! Denn wer wird in charmanter weiblicher Begleitung um drei Uhr morgens, beim Tanzen im Mondschein, gleich auf die Uhr schauen? Die Angabe der Zeit durfte höchstens zur Beruhigung der weiblichen Begleitung dienen: «Es ist so zwischen drei und vier Uhr morgens – es dauert noch etwas bis zum Sonnenaufgang», so ähnlich dürfte die lakonische Antwort eines Gentleman auf die Frage nach der Uhrzeit gelautet haben.
Vorreiter Breguet
Die charakteristischen Merkmale einer Dresswatch sind nicht einfach zu beschreiben, da, wie erwähnt, diese Uhren in schlichtem – auch zeitlosem – Design gehalten sind. Sie sind in der Form der Gehäuse eher fein mit betonenden Linien um die Lunette, so nennt der Fachmann den Rand, der das Glas mit dem Gehäuse vereint, welche dem Cadran – so der Fachausdruck für das Zifferblatt – den betonenden Charakter verleihen. Vorreiter dieser Art von Uhren ist die Manufaktur von Breguet – gegründet 1775 von einem Schweizer aus dem Jura, der es in Paris zu grossem Ansehen und Weltruhm brachte. Zahlreiche Patente zeugen von der Genialität dieses Geistes und leben in den heutigen Uhren von Breguet weiter.
Getragen und geschätzt wurden die Zeitmesser von berühmten Personen wie Zar Nikolaus II., Winston Churchill – bekannte Autoren und Künstler nannten einen Zeitmesser von Breguet ihr Eigen. Neben den traditionellen Uhrenmarken folgten auch namhafte Juweliere dem Trend der Dresswatch: Cartier, Van Cleef & Arpels, Tiffany sowie die englischen Hofjuweliere Asprey und Garrard’s begannen ihre Kollektionen zu erweitern und neben geschmeidigen Juwelen auch hochwertige Zeitmesser für den Herrn anzubieten. Dafür gingen diese oft Kooperationen mit Uhrenmanufakturen ein, welche ihnen die Werke lieferten. Beispielhaft war die Zusammenarbeit von Cartier mit Jaeger-LeCoultre, von Tiffany mit Patek Philippe etc.
«Black Tie»-Begleiter
Gestalterisch unterschieden sich die Uhren der Juweliere gegenüber denjenigen aus der Manufaktur oft durch den feinen Edelsteinbesatz, der vielfach in symmetrischen Linien am Gehäuse und an der Lunette angebracht wurde. Dieses Ornament verriet den in den 20er Jahren so beliebten Art-déco-Stil, der sich in der Architektur wie auch in der bildenden Kunst als eigene Stilrichtung etablierte. Charakteristisch war die schlichte, geometrische Formgebung, die der Betrachter im Spiegelbild wiedererkannte. Als Metall diente Platin. Das zu jener Zeit exklusivste, aber auch schwierigste aller Metalle stellte die Hersteller von Uhren vor ganz neue Herausforderungen.
Die Dresswatch wurde als Accessoire für den Abend entdeckt, und in den Nachkriegsjahren gelangte dieser Uhrentyp zum «must have» für jeden Gentleman, der in nobler Gesellschaft verkehrte. Für ein Dinner in Cocktail-Kleid und «Black Tie» war es absolut nötig, sich auch für den Abend mit passender Uhr am Handgelenk zu präsentieren – und nicht etwa mit der Uhr, welche man vorher beim Golf oder Polo trug. Als jedoch für Männer die Mode der Manschettenknöpfe aufkam, änderten sich auch die Formen der Uhren. Um nicht an der Hemd-Manschette hängen zu bleiben, wurden die Uhren flacher: Audemars Piguet, Vacheron Constantin, Patek Philippe und andere, auch weit weniger bekannte Marken begannen in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts solche Uhren herzustellen. Bald nach dem Krieg kam in den angelsächsischen Ländern die Mode auf, die Uhren auf dem Gehäuseboden zu gravieren, welche so zum perfekten Geschenk für illustre Persönlichkeiten wurden.
Besonders der amerikanische Markt trug den flachen Uhren Rechnung. Die Absatzzahlen dieser Uhren vervielfachten sich und die Serien wurden immer grösser. An zahlreichen Charity-Veranstaltungen trug man diesen Uhrentyp, selbst Präsident Roosevelt präsentierte sich mit einer «Venus» am Handgelenk. John F. Kennedy und andere taten es ihm gleich. Die Dresswatch avancierte zum Objekt der Begierde – ihre Träger waren Botschafter des gehobenen Lebensstils und bewegten sich in höheren Kreisen.
Mit der Zeit veränderte sich die Uhr: Das flache Uhrwerk, das bisher mit Handaufzug in Bewegung gesetzt wurde, versah nun seinen Dienst mit Hilfe eines Rotors – auch Schwungmasse genannt – ,den man entsprechend flach konzipierte, so dass das Werk auch nur einige Millimeter an Höhe benötigte. Die Kreationen wurden immer raffinierter: Uhrengehäuse und Manschettenknöpfe wurden nun als Krönung in Form und Farbe aufeinander abgestimmt. Einige Manufakturen besannen sich in den 60er/70er Jahren auf ihre Vergangenheit: Patek Philippe lancierte ihre «Calatrava» neu – eine an Schlichtheit unübertroffene runde Form, deren Ursprung ins Jahr 1936 datiert. Aus dem gleichen Haus stammt die «blaue Ellipse», auf Französisch «Ellipse bleue» genannt, hergeleitet aus der gleichnamigen geometrischen Form aus der Antike.
Phantasievolle Formgebung
Als sich das Nachtleben demokratisierte und sich blaublütige Sprösslinge mit Angehörigen des Geldadels gemeinsam in Diskotheken zu vergnügen begannen, änderte sich auch der Stil der Dresswatch. In den sechziger Jahren begannen die Hersteller phantasievolle Gehäuseformen in die Konzeptionen einfliessen zu lassen. Dadurch gelang es dem Träger, seine Begleitung mit speziellen Merkmalen zu beeindrucken. Salvador Dalí – Krösus der Surrealisten – liess beispielsweise verschiedene seiner gemalten Uhren herstellen. Dadurch entstanden Uhrformen wie die Uhr, welche zur Hälfte über die Tischkante fällt und wegen des daraus resultierenden 90-Grad-Winkels zum Zeitablesen und am Arm eines rational denkenden Menschen absolut unbrauchbar war.
Circa zehn bis fünfzehn Jahre später – die legendären Zeiten von Jackie Onassis im «Saint-Germain» waren passé – präsentierte die Firma CORUM eine Uhr, welche in ihrer Art ganz neue Massstäbe setzte: In einer Art Zusammenarbeit mit Rolls-Royce Motor Cars beschloss man, die weltbekannte Form des Kühlergrills in einer Uhrenform aus 18 Karat Gold zu verewigen. Ob diese Uhr je ihren Erfolg hatte, kann heute nicht mehr genau gesagt werden. Fest steht jedoch, dass diese Uhr in ihrer Art sicher beispiellos polarisierte: Einerseits suggeriert sie der Umwelt, der Träger sei ebenfalls Besitzer eines gleichnamigen Fahrzeugs, oder jemand kauft sich diese Uhr, ohne einen Rolls-Royce sein Eigen zu nennen. In beiden Fällen bewirkt aber schon allein das Tragen einer solchen Uhr ein ambivalentes Gefühl zum Besitzer. Die Uhr fand dadurch ihre Kunden in der Schickeria.
Wem Sportuhren eher zu schwer oder zu wichtig erscheinen, dem wird mit einer Dresswatch geholfen. Sie vereint überaus elitäre Ansprüche an ihr Äusseres (Fläche, Grösse etc.) und wird deshalb vom Träger auch nicht als Hindernis am Handgelenk empfunden. Bereits Anfang der sechziger Jahre wurde die Dresswatch deswegen auch tagsüber getragen. Was früher Filmstars und Präsidenten waren, sind nun Manager, Anwälte und Bankiers: Berufsleute mit besonders diskretem Erscheinungsbild sind noch heute grosse Anhänger der Dresswatch. Deshalb erstaunt der Erfolg der Marke Blancpain nicht so sehr, hat diese Marke doch schon früh nach der Übernahme der Marke durch Jean-Claude Biver (dem heutigen CEO von HUBLOT) ihre Anhänger gefunden. Ob im Bankenviertel von London oder in der Anwaltskanzlei an der 5th Ave / on the Park – die Dresswatch von Blancpain gehörte in den achtziger Jahren zum Accessoire des Mannes.
Shortcut
Das passende Armband
Eine Dresswatch trägt man(n) mit Lederarmband in den Farben Schwarz oder Braun – aber auf keinen Fall zu hell. Das dunkle Band bietet den optimalen visuellen Kontrast und verfeinert die Linien und Kanten der Uhr. Das Band unterstreicht so zusammen mit dem Anzug die Persönlichkeit und vollzieht den (kleinen) Unterschied.