
The Fat Duck
- 30. Mai 2018
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Es war einmal eine winzige alte Kneipe, untergebracht in einem alten Cottage aus dem 16. Jahrhundert in Bray, einem Vorort von Maidenhead in der Grafschaft Berkshire in England. Mit Heston Blumenthal zog ein komplett neues Konzept in die urigen Räume ein. Sie bekam den Namen «The Fat Duck». Blumenthal hatte von Anfang an die Vision, etwas Märchenhaftes zu zaubern.
«Die Fat Duck fliegt wieder!» Anfangs servierte Blumenthal kleinere Speisen, ähnlich einem französischen Bistro. Aber schon zu diesen Zeiten blitzte der zukünftige Charakter durch. Blumenthal experimentierte so lange an seinen «Triple Cooked Chips» herum, bis diese knusprig blieben. Leider ging sein Plan nicht auf, und das Restaurant stand kurz vor dem Bankrott. Blumenthal setzte alles, was er besass, auf eine Karte, und nach vier Jahren wurde er 1999 mit seinem ersten Michelin-Stern belohnt. Bereits 2004 war «The Fat Duck» mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet und eines von nur drei Restaurants im Vereinigten Königreich, die diese Anerkennung genossen. Der Höhenflug ging weiter, und im selben Jahr belegte das Restaurant den zweiten Platz unter den 50 besten Restaurants der Welt, im Jahr darauf folgte die Auszeichnung als bestes Restaurant der Welt!
The Fat Duck – Namensgebung
2014 schloss Blumenthal die «Fette Ente» und ging für ein halbes Jahr mit Sack und Pack nach Melbourne/Australien, wo er in einem neuen «The Fat Duck», welches später «Dinner» heissen sollte, weiterkochte. Diese vorübergehende Schliessung des Standortes Bray führte dazu, dass das Restaurant für den Guide Michelin 2016 nicht mehr bewertet werden konnte und damit seinen 3-Sterne-Status verlor, den es im Folgejahr aber wiedererlangte.
Die «Dicke Ente» nahm ihren Höhenflug nach einer Komplettsanierung im September 2015 wieder auf. «Es ist das Ehrgeizigste, was ich jemals gemacht habe, aber es ist auch das Aufregendste», so Blumenthal. Blumenthal möchte seine 42 Gäste nicht nur zum Essen einladen, sondern auf eine «Reise». Bei Ankunft erhält der Gast keine nüchterne Menükarte, sondern eine Art Karte mit so rätselhaften Namen von Speisen wie «Kann ich Geld für den Eismann haben?», die Geschichten aus Kindheitserinnerungen hervorrufen sollen. Berühmte Gerichte mussten einer ganz neuen Philosophie weichen: das erste personalisierte, humanisierte Restaurant-Erlebnis.
Experimente – auf zu neuen Ufern
Bei der Kreation seiner Gerichte stellt er traditionelle Kochtechniken und Ansätze infrage, und er lässt sich von einem eher wissenschaftlich geprägten Ansatz leiten. Die Menüs bestehen aus vielen kleinen Gängen der Molekularküche. So verfügt das Restaurant über ein zwei Türen entferntes angeschlossenes Labor, in dem Blumenthal und sein Team neue Menükonzepte experimentell entwickeln. Die Laborausrüstung umfasst eine Zentrifuge und einen Vakuumofen für besondere Garmethoden. Dies führt dann zu Kombinationen wie Nitro-Rührei und Eiscreme mit Rührei- und Schinkengeschmack, die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Neben dem Geschmack und dem Geruch spielt für Blumenthal auch das Mundgefühl eine essentielle Rolle. Er versucht, durch geschickte Disharmonien zwischen Geschmack und anderen Sinnesreizen die Erwartungen an die sinnliche Wahrnehmung der Speisen von deren Geschmacksgefühl und Mundgefühl zu trennen:
Die Schildkrötensuppe hat ein «Alice-im-Wunderland»-Thema, wo eine Uhr aus gefriergetrocknetem, mit Blattgold überzogenem Rindfleisch in eine Teetasse fällt und man einen «Tee» aus Rinderbrühe darübergiessen muss, der das Gold und die Uhr auflöst. Ein Teller mit Ochsenzunge und Gemüse wird daneben serviert, um sie in die Suppe zu geben. Toast-Sandwiches stellen die Beilage. «Sounds of the Sea», ein Teller mit Meeresfrüchten, serviert mit einem Meeresfrüchte-Schaum auf einem «Strand» aus Tapioka, Paniermehl und Aal wird mitsamt «iPod» gereicht, um durch die zu hörenden Wellengeräusche das Meeresfeeling komplett zu machen!
Feedback als Basis für Zukunft
Ganz spektakulär ist, dass Blumenthal die Psychologie und die Wahrnehmung der Gäste in seine Gerichte miteinbezieht. Der Gast soll nicht nur durch die Aromen der Speisen in Verzückung geraten, er möchte, dass jeder Gast ganz individuell in seine eigene Kindheit versetzt wird. «Wie soll das denn funktionieren?», fragen Sie sich bestimmt. Mithilfe eines Fragebogens, der bei Buchung ausgefüllt werden muss, und eines Folgeanrufs durch seine Mitarbeiter erfahren die Köche alles Nötige über ihren kommenden Gast, um diesem seinen ganz persönlichen Kindheitstraum auf seiner «Menü-Reise» wieder aufleben zu lassen. Nur um ein Beispiel zu nennen, versuchte Blumenthal (ausgerüstet mit Details aus der Kindheit eines Gastes), die Geburtstagstorte in Form einer Rakete nachzubauen und damit die Erinnerung wieder auszulösen, dass ein anderes Kind damals versuchte, die Torte zu sabotieren, indem es Pfeffer darüberstreute. Blumenthal verwendete natürlich keinen Pfeffer, sondern Vanillesalz, aber die Reaktion des Gastes war ergreifend!
«To me, food is as much about the moment, the occasion, the location and the company as it is about the taste.» – Heston Blumenthal
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