
The Brooklyn Bombshell
- 25. Dezember 2018
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Porzellanweisser Teint, flammend rotes Haar, eiserner Wille und ein Kopf, mit dem sie jede Granitwand durchbricht. Schon als Kind will sie Schauspielerin werden. Doch nicht nur einfach eine Darstellerin. Sie will ein Star sein. Susan Hayward. Die gefürchtete Lady mit der Wespentaille und spitzen Zunge. Die Bombe aus Brooklyn.
Vielleicht sind es ihre irischen Wurzeln, die die sanfte schwedische Coolness mütterlicherseits übertrumpfen und mit denen der temperamentvolle Dickkopf das starre und teilweise diktatorische Hollywood mitsamt seinen Studiobossen das Fürchten lehrt. Sie weiss, was sie will, und pfeift sowohl auf Niederlagen als auch auf die vernichtende Kritik des Produzenten, bei dem sie mit 18 Jahren und keinerlei Schauspielerfahrung an ihrem ersten Casting in Hollywood für die Rolle der Scarlett O’Hara in «Vom Winde verweht» vorspricht. Seinen Rat, doch besser wieder nach New York zu verschwinden und weiter als Model-Püppi zu posieren, schmettert sie galant ab: «Ich glaube, ich bleibe. Ich mag die Orangen.»
Im Schatten der Schwester
Susan Hayward wird am 30. Juni 1917 als Edythe Marrenner und jüngstes von drei Kindern in Flatbush, einem Quartier in Brooklyn, New York, geboren. Es ist eine Gegend, die hauptsächlich von eingewanderten Iren, Italienern und einer jüdischen Gemeinde bewohnt wird. Der typischen Arbeiterklasse, der auch Edythes Eltern angehören und wo viele Träume im staubigen Asphalt der Strasse ersticken, doch einige sich als brennende Vision in einem Kopf einnisten. Edythe ist mit ihrer hellen Haut und dem rubinroten Haar zwar ein hinreissender Hingucker, ihre Schwester Florence jedoch der Liebling der Mutter. Während Florence verhätschelt und mit mütterlicher Zuwendung überschüttet wird, fühlt sich Edythe vernachlässigt und wird den Groll ein Leben lang mit sich tragen.
Es ist ein Zusammenspiel von empfundener Ablehnung, ihrer überschäumenden Dynamik, dem Mief aus gekochtem Kohl und Armut, der in bleiernen Waben über den Dächern von Flatbush hängt und den unerschütterlichen Willen in ihr weckt, eines Tages auf der anderen Seite zu stehen: «Ich habe schon früh gelernt, dass das Leben ein Kampf ist. Meine Familie und meine Nachbarschaft waren arm. Der einzige Weg, dem als Kind zu entfliehen, war der Film. Damals entschied ich mich, reich zu werden.» Noch während der High School modelt der Teenager, um ein bisschen Geld in die Haushaltskasse beizusteuern.
Kampfgeist
Eigentlich hatte Edythe geplant, eine Ausbildung als Sekretärin zu absolvieren, doch die vielen Nachmittage, an denen sie der Tristesse Brooklyn entflieht und im Kino ihre Träume nährt, schüren ihren Plan, Schauspielerin zu werden, nur noch stärker. Als sie 18 Jahre alt ist, wird ein Agent von Warner Brothers auf den zu einer wahren Schönheit erblühten Teenager aufmerksam und lädt Edythe zum Casting für die Hauptrolle in «Vom Winde verweht» ein. Beseelt vom Drang, endlich das verwirklichen zu können, was schon so lange in ihr gärt, reist Edythe mit Sack und Pack nach Kalifornien, wo ihr der Produzent zwar ein Nichts an Schauspieltalent attestiert, sie jedoch den Schalter auf «und jetzt erst recht!» legt.
Geduldig hält sie sich mit kleinen Komparsen-Rollen über Wasser. Sie will den Durchbruch, auch wenn es ein zäher Kampf und wenig erfolgversprechende Jahre sind, die jeden anderen kapitulieren liessen, jedoch nicht eine Kämpferseele wie die ihre. In ihrer ersten Nebenrolle spielt sie 1938 an der Seite von Ronald Reagan im Drama «Girl on Probation» die arrogante «Gloria». Sie ist jetzt nicht mehr Edythe Marrenner. Der Filmproduzent David O. Selznick verpasst ihr in Anlehnung an den von ihm verehrten Schauspieler Leland Hayward den Künstlernamen Susan Hayward. Ein Jahr darauf folgt eine Rolle im Abenteuerklassiker von William A. Wellman «Beau Geste» mit Gary Cooper und Ray Milland.
Gefürchtet und verehrt
Susan verkörpert eine Art weiblichen Captain Jack Sparrow in «Fluch der Karibik». Eigensinnig, zielstrebig, allen Widrigkeiten zum Trotz, mit einer unverkennbaren Persönlichkeit gesegnet und losem Mundwerk ausgestattet, das weder Teufel noch Dämonen fürchtet, pfeift sie auf Konventionen und fährt ihre Krallen aus, wenn etwas nicht nach ihrem Gusto läuft. Auf ihre Fans und auch Produzenten übt die Frau mit den sexy Kurven eine unglaubliche Faszination aus. Die Frauen verehren sie, bewundern ihre Stärke und die Peitschenhiebe, mit denen sie sich im von Männern dominierten Hollywood behauptet. Die Männer fühlen sich von ihrem wilden Temperament angezogen wie die Motten vom Licht und versuchen, den rothaarigen Vulkan zu zähmen. Vergebens. Schwierige Rollen sind ihr wie auf den Leib geschneidert und passen zu ihrem komplexen Wesen, das einerseits ein verführerisch schnurrendes Kätzchen und andererseits eine knallharte Frau ist, die mit einem Gewehr, ohne mit der Wimper zu zucken, treffsicher alles wegballert, was sich ihr in den Weg stellt.
Trotz der Verzögerungen, die sich ihr in den Weg stellen, vergisst sie niemals das grosse Ziel, das sie erreichen will, greift 1939 nach ihrem Wechsel zu Paramount Pictures während eines Spendenanlasses zum Mikrofon und zettelt mit ihrer Frage an Studioboss Frank Freeman vor versammeltem Publikum einen Skandal an: «Man fragte mich heute des Öfteren, weshalb ich nicht in mehr Paramount-Filmen vorkomme. Kriege ich nun meinen Durchbruch, Mr. Freeman, oder nicht?»
Bekannt wird Susan mit ihrer Nebenrolle als «Drusilla Alston» im Abenteuerfilm «Reap the Wild Wind», in dem sie an der Seite von Paulette Goddard, Ray Milland und John Wayne spielt, sowie der Komödie «I Married a Witch» mit Fredric March und Veronica Lake. 1947 endlich riecht es nicht nur nach Durchbruch, sondern wird Susan Hayward durch ihre Rolle der Alkoholikerin Angie Evans im Drama «Smash-Up: The Story of a Woman» zum Star und gleichzeitig für einen Oscar nominiert. Noch drei weitere Nominierungen folgen für «Mein dummes Herz», «Mit einem Lied im Herzen» und «Morgen werde ich weinen», bis sie 1958 endlich mit ihrer schauspielerischen Meisterleistung unter der Regie von Robert Wise in «Lasst mich leben!» an ihrer direkten Konkurrentin Elizabeth Taylor vorbeizieht und die begehrte goldene Trophäe als beste Hauptdarstellerin in den Händen hält.
Rückzug
Ihre jahrelange Jagd nach Ruhm und Ehre hat sich ausgezahlt, und Susan zieht sich nach dem Gewinn des Oscars immer mehr zurück. Ihre erste, stürmisch turbulente Ehe mit Jess Barker endet 1954 nach 10 Jahren mit einem schmutzigen Scheidungskrieg, dem Sorgerechtsstreit um die Zwillingssöhne Gregory und Timothy sowie einem Selbstmordversuch von Susan. Drei Jahre später heiratet sie den Farmer und Geschäftsmann Floyd Eaton Chalkley, mit dem sie eine sehr glückliche Ehe führt und auf einer Ranch in Alabama lebt. Als Eaton 1965 plötzlich an einer Hepatitis-Erkrankung stirbt, kehrt Susan Hollywood in tiefer Trauer für fünf Jahre den Rücken und nimmt später nur noch Rollen an, um Geld zu verdienen. Depressionen und Alkoholsucht zermürben die Frau, die einst eher ein Quadrat aus dem Erdball geformt hätte, als sich jemandem oder einer Situation zu beugen.
Der Film, der zur wahren Geschichte wurde
1962 spielt sie an der Seite von Michael Craig im Film «Das Glück in seinen Armen» die Lebedame Laura Pember, die an einer Party erfährt, dass sie an einem Gehirntumor leidet und nur noch wenige Monate zu leben hat. Zehn Jahre später wird bei Susan, die unter drastischen Kopfschmerzen leidet, ein unheilbarer Gehirntumor diagnostiziert. Sie unterzieht sich einer Chemotherapie und ist gegen Ende des Jahres halbseitig gelähmt. Getreu ihrem Motto «against all odds», allen Widrigkeiten zum Trotz, absolviert sie im April 1974 ihren letzten öffentlichen Auftritt und überreicht an der Oscar-Verleihung die Auszeichnung für die beste Hauptdarstellerin.
Die Frau mit dem rubinroten Haar, die keine Niederlage gelten lässt, erliegt 1975 ihrer Krankheit.
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