Suad Sadok – der Olivenöl-Liebhaber
- 10. Juli 2012
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1961 kam er als 22-jähriger Gastarbeiter in die Schweiz. Vom Kofferträger zum Direktor des Hotels Carlton und später Präsident der Schweizerischen Speisewagen-Gesellschaft. Seit seiner «Pensionierung» widmet er seine Leidenschaft dem Olivenöl.
PRESTIGE: Sie kommen ursprünglich aus Istanbul. Was hat Sie in die Schweiz geführt?
Suad Sadok: Vor fünfzig Jahren – und auch heute noch – war die Hotellerie in der Schweiz sehr berühmt. Ich habe zu der Zeit im Hotel Divan in Istanbul gearbeitet und wollte meine Kenntnisse verbessern. Daher habe ich die Schweiz ausgewählt.
Wie haben Sie die ersten Jahre erlebt?
Ich habe angefangen als Gepäckträger im Hotel Carlton und zehn Jahre später wurde ich Direktor des «Carlton». Inzwischen habe ich mich natürlich weiter ausgebildet und habe alle Stationen durchgelaufen.
Nun sind Sie seit 50 Jahren in der Schweiz. Haben Sie hier einen beruflichen Werdegang erlebt, den Sie in der Türkei nicht hätten erfahren können?
Ich hatte natürlich gute Möglichkeiten, um mich hier weiterzubilden. Die Hotelfachschule habe ich besucht, dann das Seminar vom Hotelierverein, was ein höheres Studium für die Hoteliers und Restaurateure ist. Ferner habe ich die Weinfachschule besucht und noch weitere verschiedene Kurse. Ich habe mich stets weitergebildet und hatte ebenso die Gelegenheit, nach Amerika an die Cornell University zu gehen, um auch dort Hotellerie zu studieren.
Woher haben Sie Ihre Olivenöl-Passion?
In meiner Jugend haben wir zuhause Olivenbäume gehabt. Meine Aufgabe war als kleines Kind – vermutlich war ich drei bis vier Jahre alt –, die Oliven, die meine Eltern heruntergeschlagen haben, aufzusammeln. Auf den Boden lag ein weisses Leintuch, und ich musste die Oliven, die neben dem Tuch gelandet waren, einsammeln. So habe ich die Liebe zu den Oliven entdeckt. Und diese Liebe habe ich nie vergessen. Als ich pensioniert wurde, habe ich mich gefragt, was kann ich noch machen, und da sind mir die Oliven wieder in den Sinn gekommen. Zusammen mit meinen Partner Beat Läubli wurde dann der «Olive Shop» gegründet.
Welche Rolle spielt Olivenöl in Ihrem beruflichen und privaten Alltag?
In meinem privaten Alltag verwende ich die verschiedenen Olivenölsorten je nachdem, was ich oder meine Frau kochen. Der Genuss spielt natürlich eine grosse Rolle, und in beruflicher Hinsicht, dass ich etwas machen kann, was mir Freude macht – und dass ich auch allgemein Freude bereiten kann. Die Olive ist nebst Brot und Wein eines der ältesten Lebensmittel, die man kennt. In der Antike hat das Olivenöl ebenso eine grosse Rolle gespielt – wenn man bedenkt, dass der Olivenzweig zum Frieden schliessen verwendet wurde.
Wie sind die grossen Preisunterschiede bei Olivenöl zu erklären?
Wenn Sie ein gutes Öl produzieren wollen, müssen Sie den Baum richtig pflegen. Das heisst, Anfang des Jahres müssen die Bäume fachmännisch geschnitten werden. Wenn die Oliven zu wachsen beginnen, müssen sie gleichmässig von der Sonne profitieren. Nachher sollten die Oliven von Hand gepflückt werden. Ich möchte Ihnen einen Beispiel geben: Ein Mensch kann von Hand pro Tag circa 100 Kilo Oliven sammeln. Ein Baum hat circa 20 Kilo Oliven, und Sie benötigen fünf bis sechs Kilo Oliven, um einen Liter Öl produzieren zu können. Wenn Sie heute einen Baum pflanzen, ernten Sie Ihre ersten Oliven circa nach zwölf Jahren! Diese Zahlen zeigen sehr deutlich, warum ein gutes Öl nicht günstig sein kann. Wobei die Olive nicht teuer ist, sondern der Lohnanteil. Ausserdem muss der Baum richtig gepflegt werden, das heisst, die Düngung zur richtigen Zeit vornehmen und während des Sommers die Olivenfliege fachmännisch bekämpfen. Anschliessend ist nach der Erntezeit wichtig, dass die Oliven in den richtigen Behältern transportiert werden. Diese müssen luftdurchlässig sein, damit die Oliven nicht ersticken, und sie müssen sehr schnell gepresst werden. Wenn Sie zum Beispiel drei Tage warten, werden Sie nie ein gutes Olivenöl bekommen. Das Öl sollte anschliessend zwei Monate in einem Stahltank ruhen und dann in eine dunkle Flasche gefüllt werden. Das sind die Grundelemente, um ein gutes Öl zu produzieren, und wenn man alle diese Faktoren beachtet, kann man gar nicht ein preiswertes Öl produzieren.
Wenn man heutzutage ein preiswertes Olivenöl kauft, sind die Oliven meist schon so gereift, dass sie von alleine auf den Boden fallen – und somit können natürlich 100 Kilo in fünf Minuten gesammelt werden. Nur dann haben Sie die Erde, die Steine und anderes dabei, was nicht in ein Olivenöl hineingehört. Natürlich wird es gewaschen, aber der erdige Geschmack bleibt trotzdem. Ferner ist zu beachten, dass, wenn Sie eine grüne Olive nehmen, Sie ein qualitativ gutes Öl, aber quantitativ wenig haben. Und dieses wird meist bitter schmecken. Die schwarze Olive ist süsslich, quantitativ haben Sie zwar mehr, aber eine schlechtere Qualität. Und alle diese Faktoren entscheiden natürlich über den Preis des Öles.
Wie erkenne ich den Geschmack von qualitativgutem Olivenöl? Respektive wie degustiert man Olivenöl?
Beim Wein spielen ja Auge, Nase und Gaumen eine grosse Rolle. Beim Olivenöl vergessen Sie die Augen, denn ein professionelles Degustationsglas ist blau. Man muss sich eine Art Cognac-Glas vorstellen, darauf ist ein Deckel. Sie nehmen das Glas in die Hand und erhitzen es mit den umschliessenden Händen bis auf eine Temperatur von circa 28 Grad. Dann nehmen Sie den Deckel weg und bringen das Öl an die Nase heran. Die Nase erinnert Sie an etwas, beispielsweise Mandeln, Sie nehmen einen Schluck und lassen es bei der Zungespitze rollen und weiter in den Gaumen anhalten. Sensorisch werden Sie wieder die Mandeln erkennen. Die menschliche Sensorik sagt immer die Wahrheit. Öle, die fast nicht kratzen im Gaumen, sind sehr gut, wenn allerdings ein längeres Kratzen spürbar ist – Hände weg davon.
Was gehört auf die Etikette einer Olivenölflasche?
Auf eine Etikette gehört: Wo wurde es produziert? Wo wurde es abgefüllt? Und die vollständige Adresse der Produzenten. Ferner sollten das Datum sowie Ablaufdatum draufstehen. Je nach Öl das Qualitätsmerkmal «DOP». Dies ist das Minimum, was auf einer Flasche stehen sollte. Leider haben Sie häufig auch einen Haufen Prosa, was wiederum irrelevant ist. Also die Etikette beachten und wenn möglich immer probieren.
Welche Feinde hat das Olivenöl?
Luft, Licht und Wärme.
Kann man Olivenöl erhitzen?
Bis 190 Grad kann man das Öl erhitzen.
Erkennt man, in welchem Land ein Olivenöl hergestellt wurde? Sind die geschmacklichen Unterschiede deutlich erkennbar?
Es sind drei Unterschiede bei Olivenöl: mild, mittel oder kräftig. Dies hängt von der Region, dem Klima und der Olivensorte ab. Die Olivenöle aus Ligurien oder Gardasee sind sehr mild und schmecken meist nach Mandel oder Baumnuss. Wenn jemanden das nicht gerne hat, hat er vermutlich Olivenöl nicht gerne. Je mehr man Richtung Süden geht, entdeckt man bei den Ölen eine Geschmacksrichtung von grünem Gras, grünen Tomaten und Artischocken heraus.
Und welches Olivenöl ist nun «das beste»?
Beim Degustieren findet jeder seine Präferenz. Es gibt nicht «das beste» Olivenöl, sondern «die besten» Olivenöle.
Wo sind Ihre Olivenöle erhältlich?
In den Mövenpick-Weinkellereien, im Jelmoli Olive Shop in der Gourmet Factory oder im Ristorante Ciro.
Wein oder Olivenöl – worauf könnten Sie am besten verzichten?
Olivenöl ist wichtiger für die Gesundheit als der Wein. Ohne Wein kann man schon leben – ohne Öl natürlich auch. Aber wenn schon, dann kann man eher ohne Wein leben.
NICE TO KNOW
Mit einem Dessertlöffel ein leichtes Olivenöl drei Minuten lang den Mund spülen, tötet für den Tag jegliche Bakterien und trägt zur Stärkung des Zahnfleisches bei.