
Seltene Erden am Boden
- 16. März 2016
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Sie heissen Cer, Neodym oder Yttrium und gehören zu den chemischen Elementen, die in den vergangenen Jahren als «Seltene Erden» Furore in Medien und an Börsen machten. Die Preise sind mittlerweile abgestürzt. Lohnt sich jetzt ein Einstieg? Gunther Maassen, Metallhändler und Mitinhaber der Haines & Maassen Metallhandelsgesellschaft in Bonn, wird beim Stichwort «Seltene Erden» mehr als deutlich: «Seltene Erden sind alles, nur nicht selten. Und es sind auch keine Erden.» Seltenerdmetalle, so der korrekte Ausdruck, benötigt die Industrie für Spezialanwendungen. So findet Cer in oxidierter Form als Ceroxid Anwendung als Poliermittel in der optischen Industrie. Neodym braucht die Industrie für die Produktion starker Magnete und Yttrium wird in der Reaktortechnik für die Herstellung von Rohren verwendet. Seltenerdmetalle kommen überall auf der Welt vor. «Cer, Yttrium und Neodym sind so häufig wie Chrom, Nickel und Kupfer. Das Problem ist nicht deren Seltenheit, sondern deren Raffination. Sie kommen nur als niedrig konzentrierte Mischerze vor», erklärt Michael Ritzau, Finanzexperte und promovierter Chemiker aus Inzlingen bei Basel.
Die Preisblase für die Metalle sowie die Minen-Konzerne wie Lynas und China Rare Elements, die diese Metalle fördern, erreichte ihren Höhepunkt bereits im April 2011. Seitdem sind die Kurse abgestürzt. Wer beispielsweise früh in den von der Schweizer UBS aufgelegten Indexfonds UBS-ETF STOXX Global Rare Earth UCITS ETF A oder in den von der Commerzbank aufgelegte Seltene Erden Index Basket unlimited investiert hat, hat höchstwahrscheinlich hohe Verluste eingefahren. Denn beide Fonds wurden erst wenige Monate vor dem Preishöchsttand der Minenaktien emittiert. «Das ist typisch. Die Banken nutzen den Boom, um ein neues Finanzprodukt zu lancieren und an den Gebühren zu verdienen. Egal wie sich der Kurs entwickelt, die Bank verdient immer», erklärt Ritzau, der sich nach eigener Darstellung als unabhängiger Honoraranlageberater dafür einsetzt, dass Privatanleger ihr Geld «sinnvoll und kostengünstig» anlegen.
Strategische Sondermetalle
Bedeuten die niedrigen Kurse nun, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für den Einstieg gekommen ist? Ritzau winkt ab, der Markt sei viel zu eng, die Finanzprodukte zu wenig diversifiziert: «Ein Privatanleger kann die Risiken und Marktmechanismen eines so speziellen Investments überhaupt nicht einschätzen und hat auch keine Zeit, dieses Segment zu beobachten.» Auch Maassen rät Privatanlegern von Seltenerdmetallen ab: «Grundsätzlich denke ich als Metallhändler schon: Warum soll jemand, der sich an Gold und Silber sattgesehen hat, nicht auch mal in etwas Exotisches investieren? Ich kenne einen Zahnarzt, der sich jedes Jahr 5 bis 10 Kilo Indium kauft.» Bei Indium handelt es sich um ein weiches Sondermetall, welches glänzt und ähnlich selten wie Silber ist. Es wird als Leiter für Flachbildschirme eingesetzt, gehört aber nicht zu den Seltenerdmetallen, sondern zählt zu den strategischen Sondermetallen. Auch bei Indium sei der Preis nun stark gesunken, derzeit kostet das Kilogramm um die 230 US-Dollar. Bei einem Preis von 150 bis 200 US-Dollar hält Maassen das auch für eine interessante Anlagemöglichkeit für Privatpersonen, denn im Unterschied zu Seltenerdmetallen könne man Indium gut zuhause lagern und auch leicht wieder verkaufen. Maassen: «Bei Indium kann ich leicht feststellen, ob das Metall verunreinigt ist.» Die Schwierigkeit bei Seltenerdmetallen sei dagegen, dass sie häufig in Pulverform existierten. «Ich würde nie von einer Privatperson ein Seltenerdmetall in Pulverform zurückkaufen. Die Qualitätskontrolle ist extrem aufwändig. Wenn ich das meinen Kunden sage, sind die dann auch nicht mehr interessiert», erklärt Maassen. Zudem würde er nie in einen Rohstoffmarkt investieren, der von wenigen Produzenten kontrolliert wird. China produziert etwa 95 Prozent der weltweiten Seltenerdmetallen. «Die chinesische Fanya Metal Exchange ist keine Börse, bei der das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt, ich nehme sie eher als Finanzierungsinstrument der chinesischen Metallproduzenten wahr», erklärt Maassen, der auch im Verband Deutscher Metallhändler (VDM) als Vorstandsmitglied aktiv ist und innerhalb des Verbands den Ausschuss «Strategische Sondermetalle» leitet.
Von der Börse zum Stammtisch
Der Hype um die «Seltenen Erden» entstand 2010, als China eine Exportquote für Seltenerdmetalle einführte und auf diesem Weg den Markt kontrollieren wollte. Aufgrund dieser künstlichen Verknappung stiegen die Preise. Das registrierten auch zahlreiche Medien und griffen das Thema auf. Seltene Erden wurden zu Beginn des Hypes stets als unverzichtbarer Rohstoff für die Industrie dargestellt. Tenor: Es braucht dieses Fitzelchen Metall, damit die Bewohner der Industrienationen weiterhin Mobiltelefone und Flachbildschirme kaufen, I-Pod hören oder deutsche Häuslebauer ihre Photovoltaikanlage aufs Dach montieren können. Die Story klang nicht nur einfach und nachvollziehbar, sondern dank des Adjektivs «selten» in Kombination mit «Erden» auch griffig und nach Insidertipp. Die Preise stiegen weiter. Ritzau: «Wenn Mainstream-Medien über ein spezielles Finanzthema berichten und an Stammtischen über Seltene Erden als Geldanlage diskutiert wird, ist das meist ein sicheres Zeichen für eine Preisblase. Dann sollte man die Finger davon lassen.»
Verlust bei Metall- und Minenaktien
Ist der Preis stark gestiegen, geschieht das, was auf Rohstoffmärkten immer passiert: Es werden auch Lagerstätten mit einer geringeren Konzentration oder höheren Personalkosten, beispielsweise in Kanada oder Australien, wirtschaftlich. Zudem zieht der Markt auch unseriöse Produzenten an, die Minen eröffnen, die mit unsozialen Arbeits- und Abbaubedingungen versuchen, das letzte Gramm aus Mischerzen zu gewinnen. Im Gegenzug suchen sich aber Unternehmen, die vormals Seltenerdmetalle bei ihrer Produktion einsetzten, günstigere Ersatzstoffe. «Für das Polieren von Linsen braucht es nicht unbedingt Ceroxid, da gibt es genügend andere Optionen», erklärt Chemiker Ritzau. Die Folge: Das Angebot steigt, die Nachfrage sinkt und die Preisblase platzt. Seit ihrem Höchststand im April 2011 sind Metallpreise und Minenaktien um über 90 Prozent gefallen. Die Preise der «Seltenen Erden» sind da gelandet, wo die Metalle ursprünglich herkommen: auf dem Boden.
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