Sammelliebe – Jahrtausendealte Leidenschaft
- 14. Juli 2015
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Von seltenen Büchern, wertvollen Skulpturen, Gemälden und Reliquien über Sammeltassen, Briefmarken, Münzen, Orden bis hin zu Spielzeug, Schallplatten, Muscheln oder gar Pfeffermühlen – so ziemlich jedes Objekt hat seine Sammler. In allen Jahrhunderten gab es mehr oder weniger ausgefallene Dinge, die die Leidenschaft von Sammlern erregen konnten. Doch woher kommt diese Sammelleidenschaft? Ist es eine Besessenheit? Eine Sucht? Ist es eine Leidenschaft oder ein innerer Zwang oder einfach das Bedürfnis, etwas zu haben, zu besitzen, anzuhäufen? Fragen, mit denen sich Historiker, Psychologen und Sozialtherapeuten seit Jahrzehnten auseinandersetzen. Doch zu gross ist das Spektrum der Sammelleidenschaft und zu unterschiedlich sind die Charaktere der Sammler.
Da gibt es zum Beispiel den berühmten Handschriften- und Büchersammler Sir Thomas Philipps, der für seinen Umzug 103 Fuhren, 230 Pferde, 160 Mann und fast ein Dreivierteljahr benötigte. Als er 1872 starb, hinterliess er die vermutlich grösste und wichtigste Sammlung von Büchern und Handschriften, die je von einem einzelnen Menschen zusammengetragen wurde. Sir Thomas’ Besitzsucht grenzte wahrscheinlich an Manie, nur drei Jahre vor seinem Tod schrieb er: «Ich kaufe gedruckte Bücher, weil ich ein Exemplar von jedem Buch auf der Welt haben möchte.» So erwarb er in grandiosem Massstab über fünfzigtausend Bücher und Manuskripte, Tausende von Karten, Meisterzeichnungen, Stammbäumen und Urkunden, und über 60’000 Handschriften nannte er sein Eigen. Die Sammlung war derart gross, dass Sotheby’s in London und New York bis heute, weit mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod, über sechzig Auktionen der berühmten Sammlung mit einem Erlös von Abermillionen Dollar veranstaltet hat.
Vergnügen & Nutzen
Mit seiner Sammelleidenschaft steht er nicht alleine da. Auch Walter Benjamin, Don Juan, Katharina die Grosse oder Honoré de Balzac waren fanatische Sammler – um nur einige zu nennen. Allen enthusiastischen Sammlern gemein ist das tiefe Bedürfnis, auf Schatzsuche zu gehen. Diese lässt sich heute leichter bestreiten als zu Zeiten von Sir Thomas Philipps, denn der Internethandel hat den Sammelmarkt einem weiten Publikum geöffnet und es einfacher gemacht, nach Objekten zu suchen – egal ob man im ländlichen Friesland oder ein paar Blocks von New Yorks Antikmeile entfernt lebt.
Sammeln gehört also zu den ältesten Leidenschaften der Menschheit, irgendetwas, irgendwie und irgendwann hat jeder einmal gesammelt. Antrieb des Sammelns sind häufig der Drang nach Erkenntnis, die Lust am Entdecken, der Wille zur schöpferischen Selbstbetätigung und Selbstverwirklichung ausserhalb der lebensnotwendigen und erhaltenden Arbeit, die Freude an Ordnung und sichtbarem Zusammenhang, das Glücksgefühl, das durch persönliche geistige Bereicherung und Vervollkommnung hervorgerufen wird – ja, «Sammler sind glückliche Menschen», so Johann Wolfgang von Goethe. Viele ernsthafte Sammler sehen ihre Sammlertätigkeit jedoch zudem als eine gesellschaftliche und kulturpolitische Aufgabe an. Sie sehen sich, vielleicht auch unbewusst, einer grossen Tradition verpflichtet, denn ohne das Wirken zahlreicher Sammler in Vergangenheit und Gegenwart wäre unsere Kultur um einiges ärmer.
Mäzenatentum und Kunstförderung
Viele der heutigen Museen und Bibliotheken sind aus privaten Sammlungen hervorgegangen, zumeist aus solchen reicher Menschen, die Kunstschätze zusammentragen liessen, um sich einfach selbst hervorzutun und mit Glanz zu umgeben. Viele sammelten jedoch auch mit Sachverstand und aus Verantwortung vor der Geschichte und der Kunst. Diese haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr namhafte Unternehmen für sich erkannt. Und so wundert es nicht, dass viele Firmen, allen voran aber Banken und Versicherungen, ihren Firmensitz, ihre Verwaltungsgebäude und Filialen mit Kunstwerken ausstatten. Die Motive hierfür sind vielfältig. Einige Betriebe möchten ihren Mitarbeitern geistige Werte vermitteln, andere betreiben reine Imagepflege, fördern nicht nur die Kunst, sondern binden sie in ihr Marketingkonzept ein; wieder andere sehen Kunst als reine Geldanlage. Während in der Vergangenheit Kunstengagement mehr im Verborgenen praktiziert wurde, gilt heute die Devise «Tue Gutes und sprich darüber». Immer mehr Banken, Versicherungen und Unternehmen stellen ihre Kunstsammlungen einer grossen Öffentlichkeit vor oder gründen gar eigene Museen. Eine der grössten Firmensammlungen nennt beispielsweise die Deutsche Bank ihr Eigen – mit mehr als 56’000 Kunstwerken, die auf 911 Standorte in 48 Ländern verteilt sind. Aber auch Banken wie die HypoVereinsbank oder Marken wie Montblanc pflegen und hegen ihre Sammlungen mit eigenen Kunstexperten und weiteren Ankäufen. So erleben wir heute eine Renaissance der Mäzene auf den unterschiedlichsten Gebieten.