
ROTATING ROOMS
- 30. November 2016
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Das Sharifi-ha House ist so spektakulär wie faszinierend und zweifelsohne ein architektonisches Meisterwerk unserer Zeit. Für das Privathaus der Superlative liessen sich die in Teheran ortsansässigen Architekten von den traditionellen iranischen Herrenhäusern inspirieren, die aufgrund der sehr stark variierenden klimatischen Verhältnisse von heissen Sommern und sehr kalten Wintern häufig über zwei Wohnzimmer auf verschiedenen Seiten des Hauses verfügen – das sogenannte Taabestan Neshin für den Sommer und das Zemestan Neshin für den Winter. Das schmale Grundstück mit einer Breite von gerade einmal elf Metern und einer Länge von 33 Metern war dabei die Ausgangslage, um das Wohnen neu zu überdenken und Räume mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten im Sinne der Tradition zu konzipieren. So wurde die zweidimensionale Fassade kurzerhand auf eine dreidimensionale erweitert: durch drei um 90 Grad drehbare Holzquader von je 20 Quadratmetern, wodurch sich ein und derselbe Raum ganz unterschiedlich nutzen lässt.
Ein Haus, zwei Gesichter
Sind die bewegbaren Module geschlossen, werden sie zu einem räumlichen Bestandteil des Inneren und schützen vor Kälte und Schnee. Um 90 Grad ausgeschwenkt, präsentieren sie sich mit ihren luftigen Verglasungen und den Freiräumen als sonnendurchflutete Loggia, die, in ihrer Endposition angekommen, stattliche drei Meter aus der Fassade ragen. Gerade einmal zwei Minuten dauert die Transformation, durch die sich das Haus – ganz nach gewünschtem Lichtszenario, Sonnenstand oder Jahreszeit – den persönlichen Bedürfnissen der Bewohner anpassen lässt. Eine Transformation, bei der nicht nur durch die Kombination von beweglichen Elementen und den fixen Strukturen der Architektur Spannung erzeugt wird, sondern auch der Grundriss und damit der Charakter des Hauses verwandelt wird – von geschlossen und introvertiert zu offen und extrovertiert. Für die Technik vertraute der Bauherr, der selbst deutsche Maschinenbautechnik im Iran vertreibt, auf die technische Lösung für drehbare Kragarme, die auch bei Theaterkulissen oder Automobilpräsentationen zum Einsatz kommen.
Puristisches Innenleben
Und auch das Innere des Sharifi-ha-Hauses steht seiner äusseren Hülle in nichts nach. Die grosszügige Residenz erstreckt sich mit ihren insgesamt 1400 Quadratmetern über sieben Stockwerke. So befinden sich in den beiden Untergeschossen der Wellnessbereich und die Fitness-Räume, während im Erdgeschoss die grosse Garage, Lagerräume und eine Personalwohnung mit zwei Zimmern untergebracht wurden. Das erste und das zweite Obergeschoss dienen repräsentativen Zwecken und öffentlichen Aktivitäten, die dritte und die vierte Etage sind als private Bereiche der Familie vorbehalten. Die so gradlinige wie puristische Innenarchitektur präsentiert sich in einer beeindruckenden Grosszügigkeit. Durch Deckendurchbrüche wurden die Räume so geschickt miteinander verbunden, dass das Licht durch ein grosses Dachfenster – gleich eines Atriums – bis in das erste Obergeschoss gelangen kann. Ein weiteres Highlight des Sharifi-ha House ist unbestritten der Brunnen vor dem Haus, der mit seinem Glasboden nicht nur als Lichtspender für das darunterliegende Schwimmbad fungiert, sondern durch das Zusammenspiel von Licht, Bewegung und Wasser sich stets verändernde Reflexionen an die Wände des Schwimmbades zaubert. Ebenso wurden vorhandene Pinienbäume so in die Architektur einbezogen, dass sie bei ausgeschwenkten Boxen wie in einem Bilderrahmen erlebt werden können.
Das Sharifi-ha House ist eine mehr als gelungene Neuinterpretation der Tradition – eine in Perfektion geschlossene Marriage zwischen Funktionalität und Ästhetik, die mit Sichtbeton, Glas und Holz begeistert und, trotz der Übersetzung in die Moderne, als eine Hommage an die iranische Kultur zu verstehen ist.
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