
Poesie auf Leinwand
von Anka Refghi
- 10. Januar 2018
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Seine Filme sind melancholisch, bildgewaltig und voller Sehnsucht. Und kaum einer verfilmt die Einsamkeit so schön, wie er es tut: der chinesische Regisseur Wong Kar-waï, der nun zu Recht den «Prix Lumière» für sein Gesamtwerk erhalten hat.
2009 gewann ihn Clint Eastwood zum ersten Mal. Danach folgten unter anderen Gérard Depardieu, Quentin Tarantino, Pedro Almodóvar, Martin Scorsese und zuletzt die grosse Catherine Deneuve. 2017 ging der «Prix Lumière» nun an Wong Kar-waï, den Virtuosen, der sich als einer der wenigen Regisseure aus Hongkong mit einem ganz eigenen Stil – und weit weg vom Hollywood-Mainstream – im Westen durchsetzen konnte.
Wie alles begann
Die Wurzeln für Wong Kar-waïs Film-Leidenschaft sind im Hongkong der 1960er Jahre zu finden. Denn gerade einmal fünf Jahre alt, emigriert der am 17. Juli 1958 in Shanghai Geborene mit seiner Mutter nach Hongkong. Einsam in der neuen Stadt, ohne Freunde und Verwandte, machte seine Mutter aus der Not eine Tugend und ging mit dem kleinen Kar-waï beinahe täglich ins Kino, wo Filme aus Europa und den USA gezeigt wurden. Eine Zeit, von der er später einmal sagen wird, sie sei seine persönliche «Filmschule» gewesen.
Später arbeitet Wong Kar-waï an der «Hong Kong Television Broadcast Ltd.», der damaligen Talentschmiede für Regisseure des neuen Hongkong-Kinos und als das «Shaolin-Kloster der New Wave» bezeichnet. Zusammen mit einem Autorenteam schreibt er rund 50 Drehbücher, die jedoch ohne grössere Bedeutung sind. Um seine eigenen Visionen verwirklichen zu können, entscheidet sich Wong Kar-waï Anfang der 80er Jahre für die Selbstständigkeit. Und bereits in seinem ersten eigenen Film «As Tears Go By», der 1988 erscheint, macht der begnadete Regisseur alles ein wenig anders: Während im aufstrebenden Hongkong der 1980er Jahre zahlreiche Gangsterfilme gedreht werden, erzählt er die Geschichte von zwei Verlierern.
Das Wong’sche Universum
Der nächste Film, «Days of Being Wild», der 1991 erscheint, markiert einen wichtigen Meilenstein in seinem Filmschaffen, arbeitet er hier doch zum ersten Mal mit dem aussergewöhnlichen Christopher Doyle zusammen, der fortan zu seinem Stammkameramann werden sollte. Eine Zusammenarbeit, die bis zum heutigen Tage andauert. Mit ihm kreiert Wong seine so charakteristische Bildsprache, seine unverkennbare Filmtextur und die immer wiederkehrenden Motive, die alle seine Filme miteinander verbinden und zu einem «Wong’schen Universum» werden lassen. Dazu gehört auch, dass er immer wieder mit denselben Schauspielerinnen und Schauspielern zusammenarbeitet, die so zu einem Teil seines Gesamtkunstwerks werden. Dabei sind seine Protagonisten innerlich zerrissen, voller Sehnsucht und Einsamkeit. Überhaupt wird die Einsamkeit in Wongs Filmen zum roten Faden – poetisch, schmerzlich und bildgewaltig. Jede Einstellung ein Gemälde, ein Abbild eines auf zwei Menschen reduzierten Universums, in dem es um flüchtige Momente, statt um Handlungsstränge geht.
Virtuos durch Raum und Zeit
Seine Filme spielen in Hongkong, Shanghai, Argentinien, den Philippinen oder den USA, und sie spielen in den 1930er Jahren, in den 60er Jahren seiner Kindheit, in der Gegenwart und – wie in seinem Film «2046» – auch in der Zukunft. Zeit und Raum scheinen dabei oft voneinander losgelöst. Als stilbildendes Element benutzt Wong auch simultan verschiedene Geschwindigkeiten, wie in «Chunking Express». Inspiriert durch Mangas, in denen oft der Vordergrund scharf, während der Hintergrund unscharf ist, imitiert er dies auf seine «Wong’sche» Weise: So lässt er seine Schauspieler sich im Vordergrund sehr langsam bewegen, während die Schauspieler im Hintergrund rennen müssen. Und es ist genau das, was den Charme seiner Filme ausmacht. Experimentell und eigen. Ebenso kommt der Musik in seinen Werken eine tragende Rolle zu, einschlägige Rock- und Popstücke, aber auch Tango oder klassische Musik. Und so sind seine Werke «Happy Together», «As Tears Go By» und «In The Mood for Love» gar nach bekannten Musikstücken benannt. So auch «My Blueberry Nights», in dem die Sängerin Norah Jones auch gleich die Hauptrolle neben Jude Law und Natalie Portman spielt. Übrigens sein einziger Film mit amerikanischen Schauspielern.
Wong Kar-waï lebt mit seiner Frau Esther, der er nicht nur den «Prix Lumière» widmete, sondern deren Name auf jedem seiner Filme im Abspann zuerst zu lesen ist, in Hongkong.
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