
Ode an die Weiblichkeit
Anka Refghi
- 12. Oktober 2018
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Der amerikanische Fotograf Just Loomis ist einer der grössten Porträt- und Modefotografen unserer Zeit. Der einstige Assistent und gute Freund von Helmut Newton offenbart in seinem neu erschienenen Buch «Backstage» intime Einblicke hinter die Kulissen der Modewelt vergangener Dekaden.
Ob in der Mitte des 19. Jahrhunderts oder heute – «Modenschauen» faszinieren die Menschen seit jeher. So schrieb der Literat und Kunstkritiker Léon Roger-Milès bereits vor rund 100 Jahren in dem Vorwort zu seinem Buch «Les Créateurs de la Mode – Dessins et Documents de Jungbluth»: «(…) Wenn im Februar die Sommermode und im August die Wintermode präsentiert wird, werden die Salons der grossen Couturiers von einer Menschenmenge gestürmt … Und es ist ein herrliches Schauspiel, selbst für die blasiertesten Blicke, die Kollektionen über den Laufsteg defilieren zu sehen … Diese Modenschauen haben etwas Beglückendes und Traumhaftes … Und damit meine ich nicht die technische Ausstattung der Kleider – ich meine alleine diesen Anblick und den kaleidoskopischen Eindruck, den er auf der Netzhaut hinterlässt …»
Der Reiz des Verborgenen
Doch schon längst haben sich die Fashionshows zu einem Spektakel der Superlative entwickelt, bei dem es weit über das Defilieren hinausgeht. Sie sind Gesamtkunstwerke, in denen Kleider, Models, Multimedia und Kulisse zu einer berauschenden Einheit verschmelzen und «Big Business» bedeuten. Waren die 1990er- und 2000er-Jahre durch Supermodels wie Claudia Schiffer, Kate Moss oder Tyra Banks geprägt, sind es heute Celebrities und Influencer wie Kendall Jenner oder Gigi Hadid. Was bleibt, ist die Faszination. Dennoch hat sich innerhalb der letzten Dekaden eines ganz besonders verändert: die Bedeutung des Backstage-Bereichs. Denn wer heute etwas ist, dem stehen die Tore zu diesem weit offen. Während sich aktuell das «Dahinter» mit seinen Stars, Models, Influencern und YouTube-Film-Teams die Waage mit dem «Davor» der ersten Reihen hält, lag der Fokus einst ausschliesslich auf dem Laufsteg selbst. Erst als Fotografen wie Robert Fairer in den 1990er-Jahren den Reiz des «Verborgenen» hinter den Kulissen fotografisch ins Spotlight rückten, begann das «Faszinosum Backstage». Davor allerdings war es – zumindest fotografisch – noch sehr ruhig.
Die Welt der geheimen Schönheit
Es waren die 1980er-Jahre, als die schöne Inès de la Fressange als Muse von Karl Lagerfeld gefeiert wurde, die Japanerin Rei Kawakubo mit ihren avantgardistischen und gleichermassen düsteren und unförmigen Modeentwürfen den Moderedakteurinnen reihenweise schockähnliche Zustände bescherte und die Sterne grosser Modehäuser wie Moschino, Dolce & Gabbana, Trussardi oder auch Prada aufgingen.
Und es war die Zeit, in der die Karriere des jungen amerikanischen Fotografen Just Loomis in Mailand begann, als ihn die Redakteurin und Galeristin Carla Sozzani 1983 mit seiner ersten Mode-Strecke für die «Vogue Sposa» beauftragte. Die bis heute anhaltende Liebe für die Backstage-Fotografie aber entdeckte der einstige Assistent von Helmut Newton nicht etwa in Mailand, sondern in Rom. Ein prägendes Erlebnis, über das er einmal sagte: «Ich war in Rom und habe die Valentino-Show fotografiert. Ich wanderte hinter die Bühne … niemand ging hinter die Bühne. Es war, als würde man eine Welt der geheimen Schönheit entdecken … Ich bin fest davon überzeugt, dass im Backstage eine Art vorzeitliche, animalische Energie herrscht. Eine Atmosphäre, die entsteht, wenn sich die wummernde Musik mit den Bewegungen der Models und den mysteriösen Reflexionen ihrer Gesichter in den Spiegeln mischt. Diese Models werden dann zu archetypischen Frauen. Und ich verliere mich in einem Strudel von Bildern, auf den ich instinktiv reagiere.» In den darauffolgenden Jahren entstanden einzigartige Werke, die zu bildgewaltigen Zeitzeugen einer ganzen Branche wurden. So dokumentieren die Fotografien in seinem aktuellen Buch «Backstage» die pulsierenden Modewelten der 1980er-Jahre in Mailand, Paris und Rom, zeigen das New York der 1990er-Jahre und die rohe Modewelt im Los Angeles Anfang der 2000er-Jahre. Stark, eindrucksvoll und analog.
Zur Person
Just Loomis wurde 1957 in Reno, Nevada, geboren und lebt heute in Los Angeles. Nach seinem Studienabschluss am «Art Center College of Design» in Pasadena wurde er ab 1980 Assistent von Helmut Newton, mit dem ihn bis zu dessen Tod 2004 eine enge Freundschaft verband. In den 1980er-Jahren Modefotograf in Mailand, widmete er sich Ende der 1990er-Jahre ebenso der Porträt- und Dokumentarfotografie, aus der seine legendäre Monografie «As We Are» hervorging. Just Loomis, «Backstage», Hatje Cantz
«Ich wollte die Models bei der Arbeit erfassen, nicht beim Posieren …
sie waren so schön in Bewegung.»
Just Loomis
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