
No commercial – Front Design
- 11. Oktober 2013
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Ein Schwein wird zum Tisch und ein Kaninchenbau zur Lampe. Kompromisse sind den Front-Designern fremd und so experimentieren sie fleissig drauflos. Die Aufforderung, aus dem Stegreif zehn bekannte Produktdesignerinnen zu nennen, die nicht im Doppelpack mit einem männlichen Partner auftreten, dürfte einige in Verlegenheit bringen. Jedoch gibt es einen Trumpf, mit dem man die Liste auf Anhieb um drei Namen erweitern kann: das schwedische Designerkollektiv Front Design, bestehend aus Sofia Lagerkvist, Charlotte von der Lancken und Anna Lindgren. Die drei Schwedinnen lernten sich an der Konstfack School of Arts, Craft & Design kennen. Ihre Arbeiten haben gemeinsam, dass sie konventionelle Vorstellungen über Bord werfen. Die Entwürfe der erfolgreichen Designerinnen sind augenzwinkernd, aber konsequent durchdacht. Und sie beweisen, dass Arbeiten im Kollektiv kreativ macht.
Femininer Erfolg
Einer der Gründe, warum die drei Schwedinnen für Furore in der Designwelt sorgen, ist die Tatsache, dass sie ein Frauenteam sind. Jedoch ist diese Tatsache in ihrer Heimat viel weniger bemerkenswert als im internationalen Vergleich. Denn es lässt sich nicht verleugnen, dass weibliche Designer in Schweden eine deutlich bessere Position haben als in vielen anderen Ländern. Front Design aus Stockholm gehören zweifelsohne zu den grössten Medienstars der skandinavischen Designerinnen.
Die nüchternen Formen, die klaren Linien und das Minimalistische, das charakteristisch für nordisches Design ist – das alles passt nicht recht in das Bild von Front Design. Kitsch, Poesie, Experimente und Provokation – Design polarisiert – Front polarisiert! Manch einer fragt sich sogar, ob es sich hier tatsächlich um Design handelt oder ob Front eher eine eigenwillige Form von Installationskunst ist. Die Ideen der drei Schwedinnen sind gewiss nicht immer für den Hausgebrauch geeignet, denn hier findet man laufende Tische mit Roboterbeinen oder Kommoden, deren Oberflächen sich ständig verändern. Mit ihren ungewöhnlichen Entwürfen räumen die drei Schwedinnen jedoch einen Preis nach dem anderen ab. Zu den Kunden von Front zählen unter anderem Moroso, Porro, Kvadrat, Kartell, Moooi und seit neuestem auch Axor, die Designmarke von Hansgrohe SE. Zudem sind ihre Arbeiten in Ausstellungen wie beispielsweise dem MoMa in New York zu bewundern.
Zum Erfolgsrezept der drei Schwedinnen gehört gewiss auch ihr Sexappeal. Denn ohne die attraktiven Front-Fotos der Designerinnen würde die Medienaufmerksamkeit möglicherweise etwas geringer ausfallen. Eine kleine Zugabe, doch das Trio hat auch so genügend kreative Energie, um sich hervorzutun. Bereits 2004 bei der Nachwuchsschau der Mailänder Möbelmesse «Salone Satellite» erhielt Front Design reichlich Medienaufmerksamkeit. Ihre Kollektion «Design by Animals» war einfach anders.
In einer Branche, in der jede «Gans» werkeln darf, liess Front Tiere für sich arbeiten: Ratten nagten Muster in Tapeten, Teile eines aus Gips abgegossene Kaninchenbaus wurden zu einer Lampe, ein Pferd aus schwarzem Polyester – über 200 Kilo schwer – bekam einen Lampenschirm auf dem Kopf.
Mit ihren Tierfiguren gelang den Damen von Front der Durchbruch in der Designerwelt. Seither entwerfen sie peppige Möbel und Wohnaccessoires, die Funktionalität mit einem augenzwinkernden Look verbinden. Unkonventionell, experimentell und künstlerisch sind ihre Schlüsselworte. Kollektionstitel wie «Furnitureto fall in love with at first sight, or hate forever» spiegeln dies wieder. Bei Front treffen Kitsch, Provokation und Originalität aufeinander. Mit einem Hauch Zauberei-Inspiration spielen sie mit den Grenzen der Wahrnehmung.
Design oder Science-Fiction?
Stühle die mit Licht in den Raum skizziert werden und per Computer in reale Sitze verwandelt werden: Das Verfahren klingt wie eine Science-Fiction-Sequenz, jedoch ist es das Rapid Prototyping-Verfahren, welches Front gerne verwendet. Die drei Front-Designerinnen beschäftigten sich mit der Frage, ob es möglich ist, direkt in einen leeren Raum hinein zu entwerfen, und ob aus einer manuellen Skizze sofort ein Objekt werden kann. – Ein 3D-System, das die Bewegung der Finger festhält und diese durch Rapid Prototyping in «echte» Gegenstände transformiert. So entsteht eine dreidimensionale Ideenskizze ohne die üblichen Zwischenstufen des Designprozesses. Design als Performance! Front inszeniert. Design wird so von seiner ursprünglichen Funktion als Gestaltungsprozess losgelöst. Damit wird die traditionelle Vorstellung von Design als Entwurfsskizze ad absurdum geführt. Die manuelle Skizze übernimmt den absoluten Stellenwert, jedoch bildet sie nicht, wie gewohnt, mit Stift und Papier auf einer Fläche eine vorläufige Linie ab, sondern wird als eine dreidimensionale Bewegung ausgedrückt.
Der Bewegungsablauf wird mit einer Kamera aufgezeichnet und in wenigen Stunden entsteht aus der dreidimensionalen Skizze mittels Rapid Prototyping eine räumliche Ideenskizze. Mithilfe von Laserstrahlen wird das 3D-Format gebaut. Das Ergebnis sind fertige Prototypen, die industriell herstellbar sind.
Überhaupt scheinen die Schwedinnen an die Festigkeit und die Konventionen von Design nicht weiter zu glauben. Ihr «Melting Table» kollabiert mit der Zeit unter dem eigenen Gewicht. Er gibt seinen plastischen Geist auf und wird praktisch unbrauchbar – obgleich nicht weniger ästhetisch. Die «Blow Away Vase» thematisiert die Vergänglichkeit. – Ein Objekt zwischen Design, Kunst und dem Nichts, jedoch als Repräsentation der Lage des Designs ist sie perfekt. Und so manches Mal trügt der Schein. Mit dem Sofa «Soft Wood» kommt dieses Sprichwort zum Tragen: Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine schlichte, rustikale Holzbank. Doch spätestens, wenn man darauf sitzt, spürt man ein gemütlich gepolstertes Sofa. Möglich wird diese optische Täuschung durch einen raffinierten Bezugsstoff mit sehr realistischer Kiefernholzmaserung.
Die Dusche neu interpretiert
Die neueste Kooperation von Front besteht mit der Designmarke Axor von Hansgrohe SE. Seit 20 Jahren entwickelt das Unternehmen Visionen vom Lebensraum Bad. «Dabei geht es nicht in erster Linie um das Produkt, sondern vielmehr darum, Freiräume zu schaffen, etablierte Verhaltensmuster aufzubrechen und einen offenen, interdisziplinären Dialog zu führen», so Philippe Grohe. Diesen Dialog führt das Unternehmen mit international renommierten Designpartnern, zu denen von nun an auch Front gehört. Der «AXOR Water Dream» von Front lässt uns Wasserwege in ihrer ursprünglichsten Form ganz neu erleben. «Wir wollten mit unserer persönlichen Wahrnehmung der Dusche auf die oft verborgene Technik hinter der Wand aufmerksam machen», erklärt Charlotte von der Lancken. «Dabei ist es uns wichtig, ein Bewusstsein für das Ursprünglichste im Badezimmer – die Installation – zu schaffen.» Sofia Lagerkvist ergänzt: «Wir haben deshalb mit den elementarsten Komponenten, mit denen Wasser zu uns findet, gespielt – Muffen, Rohre, Ventile, Trichter.» Front greift mit skandinavischer Einfachheit die technische Perspektive des Duschens auf und präsentiert hier eine Hommage an das Handwerk und die Ästhetik der Technik.