Nicole Kidman – Knackig. Kühn. Klug.
- 10. Oktober 2013
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Diese noble Blässe, diese feuerroten Haare: Nicole Kidman (46) verkörpert die Eleganz des alten Hollywoods. Doch sie kann auch anders – beispielsweise als sexy Vamp verführen. Ihre Erfolgsformel? Die Australierin hat keine Angst vor intimen Rollen. Regisseur Chan-Wook Park sagt: «Nicole Kidman ist egozentrisch, schwierig, arrogant und kommt immer zu spät. Hätte mir das jemand vor unserem ersten Treffen erzählt, wäre ich überhaupt nicht überrascht gewesen», sagt Regisseur Chan-Wook Park. Zu seiner Enttäuschung war sie das genaue Gegenteil. Die beiden drehten 2013 den Thriller «Stoker» miteinander. – Ein düsteres, unterhaltsames Stück Kino.
Königin des Independent-Cinema
Viel wird behauptet. Viel wird geschrieben. Kaum etwas davon ist wahr. Fakt ist, Kidman gehört zur Hollywood Royalty. Bestbezahlt ist sie und bereits mit einem Oscar geehrt worden. Jeder Regisseur will die Diva. Doch die 46-Jährige sagt nur zu, wenn die Rolle herausfordernd ist. Ob Kubrick, Luhrmann, Van Sant, Pollack, Von Trier oder Minghella: Sie steht regelmässig für die grössten Visionäre der Branche vor der Kamera. Blockbustermacher ignoriert sie konsequent. Kidman ging noch nie den einfachen Weg: Sie mag Parts, die sie an ihre Grenzen treiben und emotional aufwühlen. Auf der Leinwand kehrt die Australierin ihr Innerstes nach Aussen. Sie fürchtet sich auch nicht davor, splitterfasernackt zu spielen. Solche Szenen sind die Königsdisziplin im Kino. – Wie kriegt sie die hin? «Man muss alle im Raum vergessen, sonst fühlt man sich verwundbar», so Kidman.
Filmdrehs machen ihr Spass. Arbeiten müsste sie schon lange nicht mehr. Es heisst, sie besitze ein Vermögen von 300 Millionen US-Dollar. Den Grossteil davon hat ihr Ex-Ehemann Tom Cruise überwiesen. Sie selbst scheffelt Geld mit ihren Filmen (20 Millionen Gage pro Rolle) sowie lukrativen Werbedeals zum Beispiel für Chanel No. 5, Omega Uhren, Energy-Riegeln und Jimmy Choo-Schuhe.
Ihre Jobs führen sie von Adelaide bis Acapulco. Gerade hat sie in Australien Ferien gemacht – mit Ehemann Keith Urban und den zwei jungen Töchtern. Dann düste Kidman nach Monte Carlo, um dort die letzten Szenen für «Grace of Monaco» zu drehen – das potenzielle, neue Meisterwerk von Olivier Dahan («La Vie en Rose»). Anschliessend gings schnurstracks weiter nach Los Angeles. Die Schauspielerin flog so viel, dass sie Nasenbluten davon bekam. Doch die Strapazen sieht man ihr nicht an. Elegant – das Wort beschreibt Nicole am treffendsten. Den Grande Dame-Look spart sie sich aber für den Red Carpet auf. Zu Hause trägt sie am liebsten Jeans und T-Shirt – die kauft sie sich übrigens selbst. «Ich nehme keine geschenkten Kleider an», sagt der Star. «Das wäre irgendwie geschmacklos.»
Diva-Rolle ist nur gespielt
Als Leinwand-Ikone verströmt sie Glamour. So viel davon, dass mancher berühmte Kollege neben ihr verblasst: wie bei einer Vernissage eines Edeljuweliers am Rodeo Drive. Jack Nicholson war da, neben ihm stand Shirley MacLaine. Doch dann schwebte La Kidman an ihnen vorbei: in einem Tunikakleid, das Lockenhaar gezähmt und hochgetürmt: Göttinnen gleich.
Die charismatische Diva. – Doch das ist alles nur gespielt und nichts weiter als eine Rolle. «Wenn ich so ausgestellt bin, fühle ich mich oft sehr unsicher. Auf dem Filmset ist das Gegenteil der Fall. Da gehöre ich hin. Dort versucht eine Gruppe von Menschen, zusammen etwas Grossartiges zu erschaffen. Diesen kreativen Prozess liebe ich.»
Die Anzahl ihrer Filmdrehs hat sich in den letzten Jahren wegen ihrer Kinder vermindert. «Die Familie geht vor», unterstreicht Kidman. «Ich bin jetzt vor allem rund um die Uhr Mama.» Sie, ihr Mann Keith und die Kids leben abgeschottet – entweder in einem Haus in Sydney oder auf einer Farm bei Nashville in Tennessee. Dort ist sie sicher vor neugierigen Reportern oder Paparazzi. Diese Rückzugsmöglichkeit ist für den Star essenziell. «Andernfalls würde ich verrückt werden.»
Die Häuser des Promopaars sind immer erfüllt mit Musik. Ihr Gatte spielt Mundharmonika, Banjo, Piano, Bass und Schlagzeug. Seine Karriere als Countrymusiker nimmt er ernst. Kidman singt auch gern selbst. Dass sie das kann, bewies sie im fantastischen Musical «Moulin Rouge» – und beim Robbie Williams-Duett «Somethin Stupid», dem Weihnachtshit 2001. Neben Swing und Country steht sie aber auch auf kantigere Töne, wie den Sound der Black Keys oder den von Jack White. «Er wohnt gleich in der Nähe von uns, wir hängen oft in seinem Studio ab.»
Die Koffer packen, reisen, Texte lernen und sich dann vor die Kamera stellen. Dieses Ritual begleitet die Schauspielerin durch ihr Leben. Nach über 60 Filmdrehs: Was empfindet sie da beim Gedanken an ihre bisherige Karriere? «Es ging alles so schnell. Ich bin seit ich denken kann Schauspielerin. Ich bin mit gerade einmal 22 nach Hollywood gekommen, ein Jahr später war ich bereits verheiratet (mit Tom Cruise), dann kam ein Film nach dem anderen.»
Mühe mit Kubricks Nacktideen
Nicole Kidmans erste Grossproduktion war der Thriller «Dead Calm» (1989), in dem sie sich mit Filmpartner Sam Neill auf hoher See gegen den mörderischen Billy Zane zur Wehr setzen musste. Nach dieser recht freizügigen Rolle wollte die ganze Welt mehr über den sexy Rotschopf wissen – und mehr von ihm sehen. Tom Cruise war am schnellsten und schlug Nicole als seinen Co-Star für das Rennfahrer-Drama «Days of Thunder» (1990) vor. Weihnachten desselben Jahres heiratete das Paar bereits überhastet. Als Miss Cruise drehte sie fesselnde Dramen («To Die For», 1995 / ?«The Portrait of a Lady», 1996), einen Blockbuster («Batman Forever», 1995), einen Hollywoodflop mit George Clooney («?The Peacemaker», 1997) sowie zwei umstrittene Filme mit ihrem Ehemann, das langweilige Immigranten-Drama «Far and Away» (1992) und den pseudoverruchten Kubrick-Thriller «Eyes Wide Shut» (1999). Im Film kriselt’s bei dem Paar. Im realen Leben war das damals – obwohl es jeder reininterpretierte – nicht so. «Tom und ich standen uns zu dieser Zeit sehr nahe. Wir waren uns bewusst, dass ‚Eyes Wide Shut’ provozieren sollte. Doch wir vertrauten Stanley Kubrick total.» Sie gibt allerdings zu, dass ihr die vielen Nacktszenen anfangs recht zu schaffen machten. «Stanley musste mich beruhigen. Aber am Ende drehten wir Sachen, die recht extrem waren, aber im fertigen Film dann gar nicht auftauchten. Da ich mich am Set aber sicher fühlte, hatte ich keine Probleme damit.»
Über Tom Cruise redet sie selbst Jahre später nicht so gern. Die Scheidung tat weh. Sie sagt nur: «Wenn es einem richtig dreckig im Leben geht, dann hat das auch irgendwie etwas Reinigendes.» Nicole war danach sechs Jahre lang single. «Denn ich wollte lieber gar keine Beziehung haben, als eine schlechte.» Mit ihrem Ex hat sie zwei Kinder: Connor (17) und Isabella (20). Beide sind adoptiert und wurden auf Wunsch ihres Vaters als Scientologen erzogen. Was Kidman darüber denkt? Sie bleibt vage, sagt nur: «Ich respektiere ihren Glauben.»
Die düsteren Zeiten sind längst passé: Kidman ist heute zufrieden. Die Beziehung zu Countrysänger Keith Urban tut ihr gut. Das bestätigt sie, sagt, sie sei «wunschlos glücklich. Er ist der beste Mann der Welt. Es scheint, als hätten wir uns gesucht und gefunden.» Seit die beiden Kinder haben, wird jedes neue Filmprojekt von den Eltern ausführlich diskutiert. Denn er ist schliesslich auch berühmt und geht arbeiten. Kommt es zu Terminkollisionen, sagt Nicole bisweilen tolle Angebot der Familie zuliebe ab. «Denn die Kinder und die Ehe sind wichtiger als alles andere.»
Zweite Heirat in australischer Kapelle
2006 haben die Zwei an der australischen Küste geheiratet – in einer Kapelle im gotischen Stil, die idyllisch auf einem Hügel mit Meerblick liegt. Kidman trug ein elfenbeinfarbenes Kleid von Balenciaga mit passendem Schleier und dazu Perlenohrringe. Ihr Vater Antony führte sie zum Altar. Kidmans Schwester Antonia und die damals 13-jährige Tochter Isabella fungierten als Brautjungfern. Die Zeremonie war katholisch. Mitgefeiert haben 230 Gäste, darunter Kidmans Freunde Russell Crowe, Naomi Watts, Baz Luhrmann sowie «X-Men»-Star Hugh Jackman, der den Frischvermählten ein Ständchen sang.
Umgeben von Australiern fühlt sie sich wohl. «Weil wir sehr lebenslustige und bodenständige Menschen sind.» Den Film «Australia» 2008 zu drehen war eine Herzensangelegenheit für Kidman. Sie beschreibt ihre Heimat so: «Es ist etwas in der Luft, der Erde sowie der Natur der Menschen, das einen gefangen nimmt. Und ich bin ein Teil davon. Ich werde mich bis an mein Lebensende als Australierin fühlen.»
Geboren worden ist sie allerdings in Honolulu/Hawaii. Der Kidman-Clan zog erst 1970 nach Ausstralien. Genau dorthin, wo die Sonne am heftigsten auf den Boden knallt. Für die blasse Rothaarige der pure Horror. Sie musste sich wegen Hautkrebs am Bein behandeln lassen. Seither geht sie ohne Ganzkörpermassage mit Sonnenschutzfaktor 50 und Hut nicht mehr aus dem Haus. Schon als Kind war Nicole fasziniert von Ballett und Schauspielerei. Ihre erste Rolle? Die eines Schafes als 6-Jährige im Krippenspiel. Es folgten viele weitere Theaterstücke und 1983, als 16-Jährige, schaffte sie den Sprung auf die Mattscheibe. Sie wirkte in «Bush Christmas» mit, einem Film, der noch heute an Weihnachten in Australien ausgestrahlt wird.
Auf ihrem Weg nach oben begleitete sie ihre beste Freundin, Schauspielerin Naomi Watts. Diese behauptet, dass sie nur dank Nicole dem Beruf treu geblieben ist. «Sie hat mich immer aufgemuntert und mich unterstützt. Sie hinderte mich daran, aufzuhören», sagt Watts. Und siehe da, seit sie 2001 in David Lynch’s Thriller «Mulholland Drive» mitspielte, ist die Australierin ebenfalls ein Star. Sie war sogar schon zweimal für einen Oscar nominiert («21 Grams», 2004, und «The Impossible», 2013).
Nicole will eine Schule in Asien aufbauen
Mit 46 gehört Nicole Kidman langsam zu den reiferen Schauspielerinnen. Für die werden in Hollywood die Rollen immer rarer und rarer. Meryl Streep, Susan Sarandon und Kristin Scott Thomas gehören da schon zu den Ausnahmen. Kidman macht sich nichts vor. Sie sagt: «Die Zukunft gehört der Jugend. Das war schon immer so. Vielleicht mache ich auch bald etwas ganz anderes. Meine Mutter und ich spielen schon seit Längerem mit dem Gedanken, eine Schule für künstlerisch begabte Kinder zu gründen, wahrscheinlich irgendwo in Asien.»
Den Alterungsprozess anhalten, das wollte sie auch schon einmal. Darum liess sie sich Botox spritzen. «Ein Fehler», wie Kidman heute zugibt. «Ich bin froh, dass ich endlich mein Gesicht wieder bewegen kann.» Gut so, denn ihre maskenhafte Glätte wertete den sonst positiven Gesamteindruck des Streifens «Australia» ab. Mittlerweile setzt die Schauspielerin auf ein strenges Fitnessprogramm und eine gesunde Ernährung. «Ich bin vollkommen natürlich und stolz darauf», sagt sie.
Kidman ist kein Star zum Anfassen. Dafür schottet sie sich zu sehr ab. Darum interessiert es einen umso mehr, wie sie zuhause so ist. Was passiert dort, wo die Kameras sie nicht beobachten dürfen? Vor allem steht sie nicht im Mittelpunkt, sondern Sunday Rose (4) und Faith Margaret (2). Mami kocht jeden Abend für ihre Töchter, auch wenn diese sie zu Filmdrehs begleiten. Ihre Familie und ihre Freizeit sind Nicole heilig. Deswegen verschwendet sie die freie Zeit auch nicht mit Tweets oder Facebook. Die Australierin liest lieber oder schaut sich Fernsehshows wie «Homeland», «Modern Family» oder «American Idol» an. Denn dort sitzt ihr Schatz Keith in der Jury.