
Mit Karl Lagerfeld fing alles an… Kiki Kausch and the red bag
- 30. November 2012
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Die Berliner Fotokünstlerin Kiki Kausch hat sich in rasant schneller Zeit einen Namen gemacht. Sie stolperte in ihrer zweiten Karriere keinem Geringeren als Karl Lagerfeld über die Füsse. Der hängte ein Triptychon von ihr, das ihn selbst als «man at work» bei einem Shooting für Chanel in New York zeigt, in seine eigene Ausstellung und adelte damit ihre Fotokunst. Ihre erste Fotoarbeit erwarb ein Fotosammler für eine fünfstellige Summe. Ansporn und Bürde für die Autodidaktin zugleich. Kiki Kausch, aufgewachsen in Wiesbaden, Studium der Germanistik und Romanistik in Heidelberg und Mainz, zog es zunächst ins Filmgeschäft und landete beim ZDF als Nachrichtenredakteurin für das heute journal und als Auslandsreporterin für die ARD in Wien.
Fotomotive rund um den Globus
Nun reist Kiki, die mit Tochter und Ehemann in Berlin lebt, seit fünf Jahren rund um den Globus, immer auf der Suche nach Fotomotiven, die sie faszinieren. Was sie dabei gesehen, festgehalten und arrangiert hat, lässt sich mit Worten beschreiben wie: Schönheit, Lebendigkeit und Echtheit. Berühmtheiten wie Pierce Brosnan, Michael Gorbatschow oder Leonardo DiCaprio standen ihr Modell. Ihre Bilder sind Bestand internationaler Sammlungen. Wir treffen uns zum Lunch in einem Bistro nahe der Hamburger Aussenalster. Als Kiki Kausch das Restaurant betritt, treffen sie bewundernde Blicke ob ihrer lebendigen Attraktivität. Auch die legendäre Hamburger Kiezgrösse mit der obligatorischen Sonnenbrille unterbricht ihren Wortschwall mit dem Tischnachbarn für einen langen Blick auf Kiki. Wir kennen uns seit einer Zufallsbegegnung in Marrakesch vor drei Jahren, als sie ein Fotoshooting im berühmten «La Mamounia» vorbereitete.
Interviewbox
PRESTIGE: Frau Kausch, der Weg von der ZDF-Redakteurin führt nicht zwangsläufig zur Fotografin. Ist er jedoch eine gute Voraussetzung?
Kiki Kausch: Das Visuelle hat natürlich mit meiner Laufbahn beim Fernsehen mit bewegten Bildern zu tun. In der Aktualität muss man schnelle Entscheidungen treffen. Welches Bild transportiert in der Kürze die grösste Dichte an Information. Ein Foto kann wie eine Schlagzeile sein, nur ohne Worte. Das habe ich als Journalistin jeden Tag gelernt und das war sicher die Vorschule zur Fotografie, wenn auch völlig ungeplant.
Wie muss man sich das vorstellen, dass Sie sich als Autodidaktin der Fotokunst verschrieben?
In dem Fotoladen, wo ich seit einigen Jahren meine Kameras kaufe, gelte ich als absolut beratungsresistente Ignorantin. «Fräulein, wenn Sie wüssten, was diese Kamera alles kann …» Und schon ist das Fräulein aus dem Laden verschwunden. Ich liebe es einfach, die Dinge selbst zu entdecken. Ich bin keine gute Anleitungszuhörerin. Technik ist sicher ein Teil des Ganzen. Ich glaube an die richtigen Momente und an gute Ideen, an den ersten Moment bei einer Begegnung. An das Eigene im Blick. Das ist sicher manchmal riskant, aber, toi, toi, toi!, es ist noch nie etwas richtig schiefgegangen, technisch meine ich.
Welche Sujets haben Sie damals inspiriert, sind es heute andere, neue Themen?
Dass also aus den «unerklärten», gerade aus der Verpackung genommenen Kameras auch Brauchbares herauskommt, war vor allem ein echter Glücksfall, als mir Karl Lagerfeld 2005 in New York über den Weg lief, in Soho vor dem Chanelstore, wo er gerade das kanadische Model Daria Werbowi shootete. Und genau die Szene, diesen Mann bei der Arbeit, hielt ich in drei Aufnahmen fest. Daraus entstand mein erstes Triptychon. Es hing lange nur für meine Familie und Freunde im Wohnzimmer. Bis es eben eines Tages in der Ausstellung von Karl Lagerfeld landete und damit etwas Neues und Wunderbares in meinem Leben begann … Der Rest ist bekannt.
Danach ging ich viel auf Reisen, um mit einer ganz neuen Aufgabe und Leidenschaft per Kamera die Welt zu entdecken, bevorzugt dreiteilig. Damals war ich nervös, ob mir wieder solche Bilder gelingen wie die mit Lagerfeld. Mein Auge blieb noch eine Weile in der Modewelt hängen. Hinter den Kulissen nach den emotionalen unperfekten Momenten zu suchen. «Backstage Secrets N° 1» war meine zweitwichtigste Arbeit und wurde in einer grossen Gruppenausstellung mit den Werken von Legenden wie Man Ray, F.C. Gundlach, Annie Leibowitz etc. gezeigt. Dann hatte ich nach der Obama-Wahl 2008 einen grossen Hang zu Amerika: Strassenmusiker in San Francisco, sexy Stanford-Studenten in Badehosen, hübsche Kellnerinnen in Chicago …
Aktuell war ich von zwei Pilotinnen fasziniert, die ich während eines Fluges im Airbus A 380 auf dem Weg nach Singapur fotografieren durfte. Stundenlang war ich im Cockpit und überwältigt vom Sonnenaufgang am Hindukusch, besonders aber von der Arbeit dieser jungen, attraktiven Frauen. Ich bin mir sicher, dass sich die 500 Passagiere hinten auch an dem Anblick erfreut hätten. Viele aber mit Herzklopfen, denn dass Frauen diesen Job genauso gut machen wie Männer, ist noch lange nicht in den Köpfen angekommen. Naja, vielleicht trägt das Triptychon «female cockpit A 380» nun ein wenig dazu bei …
Was möchten Sie beim Betrachter Ihrer Fotokunst auslösen?
Ich möchte dem Betrachter etwas Neues zeigen, etwas, das er so noch nie gesehen hat. Den eigenen, meinen Blick, meine Komposition, meine Klangfarbe. In die Triptychen kann man viel hineininterpretieren. Ich lasse jedem seine Unabhängigkeit, dies zu tun, wenngleich es richtige und echte Geschichten gibt, die sich auch mit Worten gut erzählen lassen. Da bin ich manchmal hin- und hergerissen, ob ich etwas zeige oder erzähle oder beides?
Mit welchen Stilmitteln arbeiten Sie?
Das Stilmittel der Dreiteiligkeit hat etwas Natürliches für mich, weil ich ja früher in Filmen gedacht habe. Drei Bilder sind ein Minifilm. Und ebenfalls könnte man wohl sagen, dass immer noch die Reportage mein Stilmittel ist. Ganz selten inszeniere ich oder gebe Anweisungen. Das widerstrebt mir eher. Ich spiele gerne mit dem realistisch geplanten Zufall.
Wie ist die Idee für «Love Suites – follow the red bag» entstanden?
Auf fast allen Reisen habe ich meine rote Tasche dabei, diese ist so rot, dass sie am liebsten jeden Abend ausgehen und etwas erleben möchte. Das ist die Geschichte von «Love Suites – follow the red bag». Eigentlich ist das aus purer Laune heraus entstanden. Man nehme ein schönes Hotel und lässt die rote Tasche einfach an der Stelle fallen oder liegen, wo es der Besitzerin der Tasche gerade beliebt. Bei Tag und bei Nacht. Mit Schmuck oder ohne, mit einem Apfel oder einem iPad …
Steckt auch etwas von Ihnen persönlich in der geheimnisvollen Frau mit der «red bag»? Gibt es eine Identifikation?
Eine Frau mit einer roten Handtasche steckt quasi in jeder Frau. Manchmal in der Realität, manchmal nur in der Phantasie. Insofern gibt es da auch einen Bezug zu mir, da ich mich leicht mit den Allüren und Vorlieben dieser geheimnisvollen Dame identifizieren kann. Das macht sehr viel Spass und gehört nun zu meinem Leben …
Denken Sie an eine Fortsetzung dieser Serie?
Definitiv wird die Serie, die nun 24 Bilder umfasst, fortgesetzt. Es muss aber weiter so fliessend sein wie bisher. Ich möchte das Thema einbauen, aber nicht deshalb ein Hotel besuchen. Es muss in die Reise und in das Lebensgefühl passen. Ich hatte auch schon Hotels, zu denen wir nicht gepasst haben, die Tasche nicht, ich nicht. Das passiert wie bei einem ganz normalen Gast, der dem Hotel gewogen ist und wiederkommt oder eben nicht. Insofern ist die red bag auch eine Orientierungshilfe bei der Wahl des Hotels, quasi eine sehr persönliche Empfehlung. Ich denke, das passt in unsere Zeit, in der wir medial mit vielem überflutet werden, das sich oft schwer einordnen lässt. Dann lieber einer roten Tasche folgen (lacht) … Inzwischen habe ich das Gefühl, dass das Thema endlos ist. Ich hätte nie gedacht, dass man die rote Tasche so oft unterschiedlich aussehen lassen kann. Doch es funktioniert. Ich habe mir einen «red bag»-Blick angewöhnt, sobald ich ein Hotel betrete. Es passiert automatisch und: «Oh Gott, wenn ich die rote Tasche gar nicht dabeihabe, dann bekomme ich sofort den Reflex, wieder zu gehen – so weit ist es schon gekommen.» (lacht herzhaft.)
Welche Kriterien sind für Sie, respektive die geheimnisvolle Dame, entscheidend für ein Hotel?
Grundsätzlich hat die geheimnisvolle Dame ein Faible für Luxus, kleiner Luxus, grosser Luxus – gar kein Luxus geht nicht. Aber Luxus kann ja auch schon die Bettwäsche oder der Gurken-Ingwer-Saft sein. Was ist Luxus in der Hotellerie? Service, Service, Service. Das hat mal der Chairman der Four-Seasons-Gruppe gesagt und das kann ich auch unterstreichen. Wenn man gut behandelt wird und das Personal einem in sehr guter Erinnerung bleibt, sind goldene Wasserhähne und Design, das sich selbst überholt, belanglos. Ich mag viele Hoteltypen. Es ist auch spannend zu sehen, welche Ideen dahinterstehen. Ich liebe es, in neuen Hotels auf Entdeckungsreise zu gehen. Ganz schlimm ist dieses Mittelmass. Ich nenne keine Namen, aber dann würde die Dame mit der roten Handtasche lieber in eine persönliche, mit Herz geführte klitzekleine Pension gehen …
Gibt es Kollegen in der Fotokunst, die Sie besonders schätzen?
Ich habe keine Vorbilder, da ich mich zuvor nur im Vorbeigehen mit Fotokunst beschäftigt habe. Eine Ausstellung hat mich einmal sehr in ihren Bann gezogen. Der Fotograf war Richard Avedon, der ehemalige Chef-Fotograf der «New York Times». Dessen Werk ist in hohem Mass zeitlos und dennoch ein Zeitdokument, eine grosse Vision und Leistung, die darin steckt. Vielleicht bin ich auch feige und scheue den Vergleich mit anderen Kollegen, denn ich besuche so gut wie nie Fotografie-Ausstellungen. Andererseits möchte ich auch nicht beeinflusst werden. Das stört meinen Pioniergeist.
Verraten Sie uns Ihre Pläne für die nahe Zukunft?
Jetzt steht erst mal die Ausstellung mit den 24 Arbeiten der Love Suite Collection an, die noch bis Ende Januar in München läuft. Vermutlich wird noch dieses Jahr das grossformatige Triptychon «female cockpit» in den Lufthansa-Lounges ausgestellt.
Was ich 2013 mache, brüte ich gerade aus und verrate mal noch nichts …