
Meister der Harmonie
- 8. Juli 2022
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Den Kopf, Körper und Geist in Balance bringen und so Gelassenheit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit fördern. Während seines Meditations-Retreats im «The Dolder Grand» bietet Shi Xing Mi, mit bürgerlichem Namen Walter Gjergja, eine umfassende Einführung in die Wellnessmethoden des Shaolin. Ein Gespräch mit dem ersten nichtchinesischen Shaolin-Meister über jahrhundertealte Praktiken.
PRESTIGE: Herr Gjergja, was waren Ihre ersten Berührungspunkte mit Buddhismus und traditionellem Shaolin?
WALTER GJERGJA: Als ich etwa zwölf Jahre alt war, lebte ich in einem kleinen Dorf in Italien. Hier eröffnete damals eine der ersten Shaolin-Schulen Europas, mehrheitlich konzentriert auf die physischen Praktiken und weniger auf die philosophischen. Es war ziemlich ungewöhnlich, dass in einem kleinen Dorf solch eine Schule eröffnet wurde, und meine Neugier war geweckt. Aber eigentlich begann alles schon früher: Als ich etwa drei Jahre alt war, war ich eines Tages am Strand mit meiner Mutter. Ich fing an, auf komische Art und Weise zu tanzen. Meine Mutter, amüsiert von meinen Bewegungen, fotografierte mich daraufhin. Als ich zwölf Jahre später mit dem Studieren der Shaolin-Praktiken beschäftigt war, besuchte meine Mutter einige Ausstellungen und Shows mit mir. Zurück zu Hause kramte sie in alten Kisten ein Fotoalbum hervor und zeigte mir die Bilder von mir am Strand. Das Verblüffende: Auf den Bildern nahm ich die gleichen Haltungen wie in den Shaolin-Übungen ein. Vielleicht war es nur Zufall, vielleicht aber auch nicht. Aber es war auf jeden Fall äusserst aussergewöhnlich.
Vielleicht hatten Sie es also schon immer in sich, die Veranlagung, eines Tages ein Shaolin-Mönch zu werden. Was für charakteristische Merkmale braucht jemand, um Shaolin zu praktizieren?
Sicherlich muss man den Willen haben, tief in sich hinein zu tauchen und zu erfahren, wer man ist und worum es im Leben geht. Viele der Praktiken werden über einen langen Zeitraum hinweg ausgeübt, Selbstreflexion und die Arbeit zwischen Körper und Geist stehen im Zentrum. Vielen Menschen ist das unangenehm. Ich fühlte mich schon immer wohl mit mir, ging gerne in die Natur und hatte diesen instinktiven Drive in mir.

Als gebürtiger Italiener ist es eher eine Seltenheit, in einem chinesischen Shaolin-Kloster aufgenommen zu werden. Wie kam es dazu?
Es war ein langer Prozess. Shaolin-Kung-Fu wurde dank der Schule in meinem Heimatdorf in Italien innert weniger Monate meine grösste Leidenschaft. Es folgte die Teilnahme an Meisterschaften in Italien, danach Europa und weltweit. Immer mehr wuchs in mir aber der Wunsch, mich nicht nur mit den physischen Shaolin-Praktiken, sondern mit der gesamten Kultur auseinanderzusetzen. Nach meinem Abschluss an der Universität in Philosophie und Wirtschaft reiste ich nach China, um mein Studium direkt im Shaolin-Tempel fortzuführen.
Ein sagenumwobener Ort. Wie haben Sie diesen wahrgenommen?
Der Shaolin-Tempel vereint das Alte, Mystische mit ganz alltäglichen Dingen. Hier findet jeder, wonach er sucht. Nach zehn Jahren des Praktizierens war meine Reise zum Tempel natürlich von vielen Fantasien, Filmen und Dokumentationen geprägt. Das Reisen nach China war in den 1990er-Jahren auch noch nicht so einfach – es gab keine ausgebaute Infrastruktur, die englische Sprache war noch nicht verbreitet, und es gab keine Karten, die den Weg zum Tempel aufzeigten. Mit einer Wegbeschreibung auf Chinesisch auf einem Stück Papier stieg ich ahnungslos in den Zug – es war ein Abenteuer. Als ich das Kloster erreichte, fühlte ich mich einerseits 2000 Jahre zurückversetzt, andererseits ist der Tempel eine touristische Attraktion. Neben tausenden von Touristen findet man hier auch Souvenir-Shops. Es ist eine Dualität zweier Welten. Tritt man aber hinter die Fassade und verbringt seine Zeit im Tempel mit dem Studium, lebt man wie vor 2000 Jahren.
Sie wurden als erster Nichtchinese im Shaolin-Kloster in China offiziell zum Meister geweiht. Die Shaolin-Lehre endet damit aber nicht. Welche Ziele streben Sie als Meister noch an?
Sobald man im Tempel ein gewisses Level an Wissen besitzt und man von der Shaolin-Familie als ein würdiger Erbe betrachtet wird, erhält man mittels Zeremonie und Prüfung einen Mönchsnamen – in meinem Fall Shi Xing Mi. Das ist sozusagen eine rein formelle Sache. Ein Master zu sein, geht jedoch darüber hinaus. Du zeigst, dass du bereit bist, das Wissen auf effektive Weise mit anderen Menschen zu teilen. Die Arbeit mit Körper und Geist und das Verständnis darüber, was Leben bedeutet, ist ein nie endender Prozess. Ein Shaolin-Master ist sozusagen nichts anderes als ein Wissenschaftler des Lebens, der versucht, Antworten zu finden auf die Fragen «Wer bin ich?» und «Was ist Leben?».
Welchen Rat geben Sie Menschen, die anfangen möchten, sich solche Fragen zu stellen und Meditation im Alltag einzubinden?
Mit kleinen Schritten anzufangen. Es ist wie beim Joggen: Wenn der Körper nicht die entsprechende Ausdauer und Muskeln aufbringen kann, läuft man nicht sofort einen Marathon. Auch eine teure Ausrüstung ist unnötig, wenn man nur ein paar hundert Meter weit laufen kann. Nein – ziehe ein paar bequeme Schuhe an und gehe im Park spazieren. Wenn man dies ohne Probleme schafft, fängt man mit leichtem Joggen an, dann wird man immer schneller. Mit Meditation ist es das Gleiche: Setz dich in einen ruhigen Raum, in die Natur oder in einen Park und konzentriere dich nur auf deinen Atem. Versuche, deinen Geist zu beruhigen. Dazu braucht es keine Ausrüstung, kein Training, das schafft jeder. Anschliessend können weitere Übungen und Positionen erlernt werden.
Wie viele unterschiedliche Shaolin-Techniken gibt es?
Viele, sowohl statische, also stillsitzend, als auch dynamische, also Meditation in Bewegung mit dem Körper. Daneben unterscheiden sich die Gründe für Meditationen. Es gibt Übungen, um Stress zu bewältigen, oder gegen Angstzustände. Meditation kann ganz unterschiedlich angewendet werden. Aber ihr liegt immer die Kontrolle des Geists zugrunde. Wenn du keine Kontrolle hast, kannst du keine dieser Techniken anwenden.
In den Übungen der Shaolin geht es darum, die Bewegungen der Tiere der chinesischen Astrologie nachzuahmen – der Schlange, des Drachens, Tigers, Leoparden und Kranichs. Das derzeitige Retreat im «Dolder» lautet: «Erwecke den Tiger». Wofür steht dieses Tier im Shaolin?
Alle Tiere in der östlichen Tradition und im Shaolin haben eine metaphorische Bedeutung, sie sind Symbole und Energien von Verhalten und Charakteristiken. Der Tiger steht für Dynamik – sowohl im positiven Sinne, wie Mut, Stärke und dem Bewältigen von Herausforderungen, als auch im negativen wie Aggression und Konflikte. All diese Energien sind in uns Menschen, im Retreat lernen wir diese kennen, spüren und kontrollieren.
Aus welchen Gründen sollte man ein solches Retreat besuchen?
Grundsätzlich fühlen alle Teilnehmer eines solchen Retreats, dass das moderne Leben enorm schnell vorbeizieht. Jeder verliert langsam in gewisser Weise einen Teil von sich selbst: Sie vernachlässigen den eigenen Körper, beanspruchen ihren Kopf zu sehr oder haben Spiritualität komplett vergessen. Viele Menschen fühlen sich damit nicht wohl, sind nicht mit sich im Reinen, obwohl sie ein sehr privilegiertes Leben führen. Es fehlt ihnen nicht an Nahrung oder einem Zuhause, sondern an etwas Immateriellem – und sie suchen nach Antworten. Des Weiteren gibt es Gründe wie traumatische Erlebnisse oder Verlust, die den Wunsch aufkommen lassen, die Verbindung mit sich selbst zu optimieren. Wir müssen verstehen lernen, dass unser Körper das Gefäss ist für unseren Verstand, unser Bewusstsein und unseren Geist. Diese drei Elemente leben in Koexistenz und sind nicht voneinander trennbar. Folglich müssen wir die drei Elemente harmonisch in Einklang halten.
Ein schöner Gedanke. Wie lassen sich solche Ziele aber in die Realität umsetzen?
Indem man seine Ziele mit der Realität verknüpft. Heute ist der einzige Tag, die einzige Realität, die zählt. Die Vergangenheit existiert nicht, die Zukunft ist nur eine Vorstellung. Mach also diesen Tag so positiv und schön wie möglich. Wenn du daraus ein besseres Morgen geschaffen hast, wunderbar. Ein Beispiel dazu: Wenn es dein Ziel ist, in Zukunft ein Bestsellerautor zu sein, fang heute an, die ersten Seiten zu schreiben. Geniesse nicht deinen Status und das Geld als Bestsellerautor in der Zukunft, sondern das Schreiben der ersten Seiten des Buches hier und jetzt.

Vom 18. bis 20. November 2022 führt das «Dolder Grand» gemeinsam mit Shi Xing Mi einen zweitägigen Workshop zu diversen Disziplinen durch. Auf dem Programm stehen unter anderem Shaolin-Fitness sowie Atem-, Meditations- und Achtsamkeitsübungen.
Das Meditation Retreat Package beinhaltet zwei Übernachtungen inklusive reichhaltigen Frühstücks, zweitägiges Meditation Retreat mit Shaolin Shi Xing Mi, 100 Franken Guthaben pro Person zum Abendessen im Restaurant Saltz, Teilnahme an Group-Fitness-Klassen und ein Überraschungsgeschenk.
Bilder_The Dolder Grand
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