Marc Newson – futuristisch, sexy, humoristisch
- 10. Juli 2012
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Berühmt geworden ist Marc Newson mit Objekten im retro-futuristischen Look. Ob Türstopper oder Raumfahrzeug, Freizeitschuhe oder Sitzgelegenheit – fast jeder Entwurf des australischen Designers hat biomorphe Formen. 2011 ging der Lucky Strike Designer Award an den Australier Marc Newson – einen der einflussreichsten Designer seiner Generation. Mit Marc Newson würdigt die Raymond Loewy Foundation «den weltweit sehr erfolgreich agierenden Allround-Designer für Industrieprodukte und Güter des täglichen Lebens», so die Jury der Stiftung. Geboren 1963 in Sydney, reiste Newson bereits in frühen Jahren durch Europa und Asien, bevor er am Sydney College of the Arts Schmuckdesign und Bildhauerei studierte und mit Möbeldesign zu experimentieren begann. Nach seinem Abschluss 1984 erhielt er ein Stipendium des Australian Crafts Council und organisierte in der Roslyn Oxley Gallery in Sydney eine Ausstellung, in der auch die legendäre Lockheed Lounge präsentiert wurde – und für wahre Aufregung sorgte! Zuvor hatte Newson mehrere «elende Monate» damit verbracht, die Aluminiumplatten auf sein erstes Modell zu hämmern. Dieses skulpturale Möbelstück besteht aus fiberglasverstärktem Polyester, der mit einer Haut aus genietetem Aluminiumblech überzogen ist. Das Aussehen der Liege erinnert stark an alte Flugzeuge, gleichzeitig sind ihre Formen rund und organisch. Ein Exemplar der legendären Lockheed Lounge hat 2009 auf einer Design-Auktion in London den Rekordpreis von 1,1 Millionen Pfund erzielt. Damit ist die Liege das mit Abstand teuerste Objekt zeitgenössischer Designerkunst. In einem Interview erklärte der Londoner Kunst- und Designhändler Kenny Schachter warum: «Es ist das bedeutendste Werk des modernen Designs. Alles auf dem Markt wird daran gemessen.» Das versteigerte Exemplar befand sich lange Zeit in der Sammlung von Newsons Mutter. Es erlangte einige Berühmtheit, als sich Madonna im Video zu ihrer Single «Rain» auf dem futuristisch anmutenden Möbel räkelte.
Möbel, Kleidung und Privatjets
1997 ging der Kosmopolit nach London, wo er zusammen mit Benjamin DeHaan das Unternehmen Marc Newson Ltd. ins Leben rief. Die Bandbreite der Produkte, die Newson entwirft, reicht von Fahrrädern (MN01 für Biomega) über Mobiltelefone (für Japans KDDI) bis hin zur Inneneinrichtung des Falcon-900B-Privatjets, Uhren für seine eigene Firma Ikepod und die Kleidung der australischen Olympia-Mannschaft 2004. Ebenso vielfältig sind die Namen der Hersteller, für die Newson bisher arbeitete. Neben den Design-Herstellern Alessi, Flos, Iittala oder Magis zählen auch Bekleidungsfirmen wie Nike oder G-Star oder der Autohersteller Ford zu seinen Kunden. Das Design des gebürtigen Australiers lässt sich nur schwer einer bestimmten Stilrichtung zuordnen, da es sowohl biomorphe als auch futuristische Züge aufweist. Newsons Entwürfe spielen mit den Phantasien und Gefühlen der Konsumenten und setzen kühne Visionen der Vergangenheit in Objekte der Gegenwart um. Newsons Arbeiten wurden nicht nur mit zahlreichen Preisen prämiert – darunter sechs Good Design Awards des Chicago Atheneum –, sondern auch in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. Die Arbeiten Newsons sind in den meisten ständigen Ausstellungen der grossen Museen vertreten – so etwa im Museum of Modern Art in New York, im Londoner Design Museum, im Musée National d’Art Moderne des Centre Georges Pompidou sowie im Vitra Design Museum.
Die Darstellung der Zeit
Natürlich durften die Uhren nicht fehlen, denn jeder gute Designer hat irgendwann das Bedürfnis, sich auch an der Darstellung der Zeit zu versuchen. So wurde die Schweizer Firma Ikepod eigens von Newson und in Kooperation mit Oliver Ike ins Leben gerufen, um die originellen Uhrenideen des Australiers in die Tat umzusetzen. Mit dem Ikepod Hourglass gelang ein grosser Designwurf. Dabei handelt es sich gleichermassen um eine Uhr wie um ein Kunstobjekt, denn der funktionale Aspekt tritt angesichts der Formgebung stark in den Hintergrund. Das Äussere erinnert an eine klassische Sanduhr, was durch das Gehäuse aus Borosilikatglas 3.3 unterstrichen wird. Im Inneren rieseln sogenannte Nanokügelchen aus Edelstahl und zeigen so die Zeit an. Leider hielten die Managementfähigkeiten bei Ikepod nicht Schritt mit Newsons überirdischem Design. Name, Entwürfe und Ideen wurden dann 2006 von einem New Yorker Kunstsammler namens Adam Lindeman aufgekauft, und bald wurden wieder erste Uhren produziert und neue Modelle vorgestellt. Radikal neue Uhren präsentierte Newson 2010. Für Jaeger-LeCoultre interpretierte er die legendäre Atmos neu als Atmos 566. Der australische Designer begeisterte sich schon in seiner Kindheit für die Atmos-Tischuhr. Anlässlich des 80-Jahre-Jubiläums der ewigen Uhr entwirft er ein ebenso schlichtes wie zeitgenössisches Modell: Eine Glocke aus Baccarat-Kristall mit abgerundeten Formen schützt das kostbare Uhrwerk, das zu schweben scheint. In Anlehnung an das Symbol der Unendlichkeit wird das Modell insgesamt 888-mal hergestellt.
Design mit Sexappeal
Dass der Australier schöne Kurven nicht nur bei Designobjekten liebt, wird gern kolportiert. Und ob Sex eine Rolle in seinem Design spielt, darüber denkt er nicht nach.
«Mein Stil ist eher ein Ergebnis meiner Herkunft. Das Licht, mit dem ich aufgewachsen bin, die Farben, das Meer. Die Surf- und Popkultur, mit der ich in Sydney aufgewachsen bin, haben mich geprägt. Bretter, Wellen, Wetsuits. Das ist fliessend, Pop, australische Jugendkultur. Es ist nicht sehr europäisch. Ein australischer Designer zu sein, hat mir eine besondere Perspektive gegeben.»
Was ist dran an seinem Ruf als Womanizer? Er gibt zu: «Frauen waren für mich durchaus karrierefördernd.» Ende der 80er etwa verhalf ihm seine damalige Freundin zum Einstieg beim Tokioter Designunternehmer Teruo Kurosaki. Das Model gefiel dem Japaner – mehr noch die Modelle des australischen Newcomers. Kurosaki wurde Newsons Mentor, seine Firma Idée verlegte seine Entwürfe erstmals in nennenswerter Auflage. Darunter heutige Ikonen wie der «Embryo Chair», der «Pod of Drawers» – und auch die «Lockheed Lounge». Über den Wert des guten Stücks denkt er nicht nach. «Ich entwerfe, weil ich Trends kreieren will. Ein Designer muss sich Gedanken über morgen machen. Sobald ein Entwurf alltagstauglich wird, kann er nicht mehr innovativ sein.» In seinen Arbeiten stellt er sich immer wieder die Frage, wie das, was er gestaltet, in Zukunft wahrgenommen wird. Er versucht Design zu machen, was zukunftsfähig ist, denn daran wird der Designer gemessen. Er spielt in seinen Entwürfen mit den Phantasien und Gefühlen der Konsumenten und setzt kühne Visionen der Vergangenheit in Objekte der Gegenwart um.