
Mann ohne Stil
- 26. März 2018
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Stimmung und Atmosphäre sind dem US-Designer Rafael de Cárdenas bei seinen architektonischen Werken wichtiger, als dass man seinen persönlichen Stil erkennt. Das Porträt eines Mannes, der erst auf Umwegen zum Interior Design kam.
Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom. So auch im Falle des Designers Rafael de Cárdenas geschehen. Der gute Mann mit kubanischen Wurzeln heuerte zuerst als Designer für die Männermode von Calvin Klein an, gab dann einige Jahre lang Produkten ein stilvolles Aussehen und entschloss sich letztendlich im Jahr 2006 dazu, sein Interior-Labor «Architecture at Large» zu eröffnen. Das brachte ihn zwar nicht in die Ewige Stadt, aber in die Design-Metropole schlechthin. Heute, eine Dekade später, ist sein Name dabei nicht mehr nur in New York City Programm, sondern er schaut auf mehr als 100 erfolgreiche Projekte weltweit zurück. Den Antrieb, am Ende dann doch im Bereich Architektur und Interior Design anzuheuern, gab dabei übrigens ein Zeitungsartikel in der «New York Times». Der heute schon verstorbene US-Architekturkritiker Herbert Muschamp betitelte darin das neu eröffnete Guggenheim-Museum in Spanien als «Reinkarnation von Marilyn Monroe». Eine Beschreibung, die de Cárdenas tief beeindruckte und ihn dazu bewog, an der U.C.L.A.’s Architecture School zu studieren.
Kein Rastermann
In seinem Karriereweg selbst sieht Rafael de Cárdenas dabei schon einen roten Faden. «In meiner Arbeit geht es in erster Linie darum, Atmosphären und Stimmungen zu schaffen», sagt er. «In gewisser Weise war es schon immer so, und meine verschiedenen beruflichen Stationen brachten und bringen das auf verschiedenen Wegen zum Ausdruck.» Dabei schätzt er an seiner heutigen Arbeit vor allem, dass Architektur nur eine Facette seiner Arbeit ist. Oder um es mit seinen Worten zu sagen: «Ich wollte mich nie einschränken, mich nicht in die Box des Designers packen lassen. Meine Interessen waren schon immer sehr vielfältig. Das Gleiche gilt für alles, was wir bei Architecture at Large tun.»
Sein Freiheitsgefühl kommt zudem noch in einem anderen Punkt gut zum Ausdruck. Denn während anderen Architekten und Designern der persönliche Stil, ein immer wiederkehrendes Wiedererkennungsmerkmal in den Werken, mehr als nur wichtig ist, versucht Rafael de Cárdenas genau das zu verhindern: «Ich denke schon, dass ich irgendwie einen individuellen Stil habe. Aber ich tue mein Bestes, um ihn zu unterdrücken. Denn es geht mir nicht darum, einen persönlichen Stil zu definieren, sondern vielmehr darum, eine Qualität hervorzurufen, die stimmungsvoller und atmosphärischer als anderes ist.»
Kein Mann for everything
Es wundert einen somit auch nicht, dass sich der Designer auch nicht auf eine Art Immobilie festlegt. Er tut laut eigenen Angaben, Dinge, wenn sie für ihn richtig sind. Schwebt etwas vage in der Luft, lässt er lieber die Finger davon. Herausgekommen sind dabei bislang unter anderem zahlreiche Kunsträume in verschiedenen amerikanischen Metropolen wie auch in Athen. Dazu hat er das private Fitnessstudio von Nike in SoHo konzipiert und auch die OHWOW-Galerie in Miami designtechnisch mitkreiert. Und auch wenn er ja offiziell keinen eigenen Stil besitzen möchte, fällt auf, dass man doch irgendwie eine klare Handschrift erkennen kann. So unaufgeräumt seine Werke auf den ersten Blick manchmal erscheinen, die klaren Linien sorgen für die Ruhe, die das Auge am Ende braucht. Oder besser: Selbst beim zweiten und dritten Blick bleibt es spannend, man sieht sich aber niemals müde.
Erkennbar ist dieser Nicht-Stil besonders gut auch in den gemeinsam von de Cárdenas und der New York Johnson Trading Gallery entwickelten Möbelkollektion. Hier lag der Fokus klar auf den Attributen Rotation, Spiegelung und Vervielfachung von Formen. Auf der anderen Seite aber überrascht er dann auch immer wieder mit wirklich schlichten Entwürfen, wenn man das ungestraft so über einen Designer sagen darf. Besser wäre vielleicht zeitlos. Jedenfalls lässt sich mit «schlicht» sein Projekt des «Pool House» am besten beschreiben. Rechtecke, klare Linien und dezente Farben sind hier Programm. Nur die beiden Rutschen, die beim frontalen Blick aussehen wie die muskulösen Arme eines Bodybuilders, setzen einen auffälligen Akzent.
Ein Do-it-by-yourself-Man
Aktuell hat Rafael de Cárdenas ein Buch über seine Arbeit lanciert. Das als Monographie beworbene Werk umfasst über 300 Seiten und ist seit dem Herbst 2017 im Handel. Inhaltlich ist es ein Überblick über das erste Jahrzehnt von Architecture at Large. Doch statt alleine auf Ghostwriter und Verlagswissen zu vertrauen, hat sich der Designer selber stark in die Entwicklung mit eingebracht: «Ich habe sehr eng an dem Buch mitgearbeitet, zusammen mit einigen wichtigen Mitarbeitern, die auch enge Freunde sind. Namentlich sind dies Felix Burrichter und Karen Marta, die es herausgegeben haben, und Patrick Li, der es entworfen hat.» Sein Ziel war es, nicht nur einen Bildband herauszubringen, der sich zwar schön auf dem Couchtisch macht, aber eben niemals wirklich angeschaut wird. «Wir alle wollten ein Buch, das man wirklich lesen und nicht nur durchblättern möchte. Auf der anderen Seite sollte es natürlich auch gut aussehen. Ich glaube, es ist uns gelungen. Ich bin sehr zufrieden damit.»
Er selber liest übrigens gerade aktuell Stephen Kings «Es» und James Salters «Verbrannte Tage». Ein spannender Gegensatz zwischen Autobiographie und Fiction also, der sicher auch für kreative Gedanken sorgt. Ansonsten nutzt der Designer seine freie Zeit zum Kochen, wobei ihm das Anrichten noch um einiges mehr begeistert. Dazu passt dann auch seine Aussage zum Thema Hobby allgemein wie die Faust aufs Auge: «Abgesehen von ein paar Hobbys, denke ich, dass die meisten meiner Interessen in der Unterstützung meiner Designpraxis liegen.» Und dem kann man nur zustimmen. Design ist das Leben von Rafael de Cárdenas, auch wenn er eigentlich als kleiner Junge davon träumte, einmal Musikvideos zu inszenieren.
Ein echter Winner
Rückblickend auf seinen bisherigen Erfolg, glaubt er, dass es sich um eine perfekte Symbiose aus Glück und harter Arbeit handelt. «Ich nehme an, dass Glück eine grosse Rolle spielt», meint er. «Aber man macht auch sein eigenes Glück. Ich arbeite hart und denke ständig an meine Arbeit. Ich glaube, dass Design die Linse ist, durch die ich die Welt betrachte.» Mit Blick auf Auszeichnungen ist er übrigens ehrlich: «Jeder mag Anerkennung, und ich bin sicher nicht anders. Auszeichnungen können durchaus etwas für die eigene Karriere tun, aber im Allgemeinen denke ich, dass sie auf emotionaler Ebene höchst lohnend und befriedigend sind.» Er selber wurde bislang unter anderem von Maison et Objet Americas im Jahr 2016 zum «Designer of the Year» gekürt.
In die Zukunft blickend, würde er – auch wenn er jedes seiner Projekte als Traumobjekt betitelt – nun gerne ein Hotel inszenieren. «Ich denke, dass es Zeit ist, ein Hotel zu bauen. Hotels beinhalten eine Kombination aus Häuslichkeit und Romantik, die ich sehr mag.» Ansonsten lässt er sich weiter überraschen, was noch auf ihn zukommt. Dass etwas kommt, darüber macht er sich aber keine Sorgen. Dafür läuft es seit 12 Jahren ziemlich gut mit dem «Architecture at Large». Und bekanntermassen sind ja alle guten Dinge drei und eben nicht vier. Sodass er auf eine weitere Karriere vielleicht verzichten sollte.
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