«Malen kommt in meinem Leben als Erstes» – Burkhard Driest
- 29. November 2012
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Jurastudent, Bankräuber, Querdenker: Burkhard Driest, der Romane, Musicals und Drehbücher wie am Fliessband produzierte, der mit Andy Warhol befreundet war, für Rainer Werner Fassbinder «Querelle» schrieb und in dessen Filmen spielte, ist ganz offensichtlich ein Mann mit vielen Talenten. Sein grösstes allerdings blieb bis heute nahezu verborgen – die Malerei. Als er sieben Jahre alt wurde, richtete der Vater für ihn ein Atelier ein, als er siebzehn wurde, begann er professionell zu malen. Bis heute ist so ein umfangreiches Werk entstanden. Alles Riesenformate: «Meine Bilder sind für Menschen mit grossen Wohnungen» – wilde, expressive, farbintensive, narrative Öl- oder Acrylbilder, viele mit autobiografischem Hintergrund, so aus der Drogenszene, aus dem Gefängnis, aber auch aus dem Widerstand gegen die ersten Atomkraftwerke. Beeindruckende Bilder, irritierend, ungewöhnlich und überraschend im gegenwärtigen Kunstdiskurs. «Als sorgfältiger Beobachter und konsequenter Chronist schafft Burkhard Driest verführerische Werke von suggestiver, mitreissender Dynamik und psychischer Direktheit. Ausdrücklich berührt er – empfindsam, zornig und bisweilen witzig – essentielle Bereiche und zeitlose Themen wie Schönheit und Erotik, Vergänglichkeit und gesellschaftliche Verantwortung», schreibt der Kunsthistoriker und ehemalige Direktor der Villa Massimo, Jürgen Schilling, in dem vor kurzem erschienenen Bildband «Burkhard Driest, Malerei». PRESTIGE traf sich mit dem Schauspieler Burkhard Driest und sprach mit ihm über Kunst, Gewalt, Heimat und Politik (und Romy Schneider).
PRESTIGE: Herr Driest, was als Erstes auffällt, ist die elementare Wucht Ihrer Bilder. Es heisst, dass Gewalt in Ihrem Leben eine grosse Rolle gespielt hat.
Burkhard Driest: Die ersten Jahre meines Lebens waren von zwei schroffen Akkorden bestimmt: die Liebe zu meiner Mutter (und zu den Frauen) – und die Gewalt, die von den Männern ausging. Es ist nicht möglich, diese Bilder der frühen Gewalt jemals zu vergessen.
Sie sagten einmal: «Wenn Journalisten schreiben, ich sei der Maler der geöffneten Schenkel, so haben sie nicht verstanden, worum es mir geht.» Worum geht es Ihnen?
Da meine Malerei, anders als mein Schreiben, für keine Öffentlichkeit bestimmt war, nicht einmal für meine Freunde, gab es gleichsam keine Vorderseite des Bildes, keine öffentliche Seite. Sondern nur den Herstellungsprozess hinter dem Bild. Ich konnte zeichnen und malen, das war nicht mein Problem. Daher richteten sich mein ganzes Interesse und meine ganze Neugier auf den Prozess der Entstehung. Es gab keine rationale Kontrolle. Ich benutzte meine Gefühle als Produktivkraft. Die Bilder sind auf einer tiefen gestalterischen Ebene gleich, können aber auf einer mehr thematischen und gegenständlichen Ebene sehr verschieden sein.
Sie zeigten vor kurzem Ihre bisher grösste, sehr beeindruckende Einzelausstellung. Sie malen aber seit über 50 Jahren. Bis heute aber haben Sie sich immer wieder möglichen Ausstellungen verweigert. Warum?
Durch den Erfolg meines ersten Buchs rutschte ich ins Filmgeschäft und kam in Kontakt mit den Massenmedien. Das wurde dann noch durch die Talk-Show 1974 mit Romy Schneider verstärkt. Die Kunstwelt und die «breiten Medien», wie ich die Zeitungen, Zeitschriften und TV-Programme, die wir alle kennen, hier einmal nenne, haben so wenig Gemeinsames, dass man sie fast als Kontraste sehen kann. Das hat sich erst im ausgehenden 20. Jahrhundert geändert, nämlich mit Jörg Immendorf, der durch seine Krankheit plötzlich auch ein Held dieser «breiten Medien» wurde. Hätte ich meine Bilder veröffentlicht, würden die «breiten Medien» mich als malenden Schauspieler präsentiert haben. Mein Malen aber kam in meinem Leben als Erstes.
Malen bedeutet heute für Sie der «Moment des inneren Freiseins, der Befreiung von Gefühlen, guten wie schlechten». Kunst ist die Bewegung zum Zustand der Katharsis, zum Einssein mit der Welt.
Ich zeichne schon seit meinem vierten Lebensjahr. Es war die gleiche Freude am farbigen Ausdruck und am magischen Einfangen der Wirklichkeit – mit den kindlichen Freuden des Gelingens und der Wut des Misslingens – wie später. Am Anfang aber gab es den Bezug zum Betrachter, nämlich meiner Mutter, der ich die Bilder zeigte und für die ich sie malte. Das verlor sich später, weil sie nichts Hässliches auf den Leinwänden mochte und Picasso für einen Dilettanten hielt. Für später galt: Malen ist eine heftige Beschäftigung und verbraucht ordentlich Emotionen, viel mehr als das Schreiben. Anders als das Schreiben bietet das Malen jedoch schneller ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem «Wie», also mit dem formalen Experimentieren.
Sie setzen sich in Ihren Bildern oft mit politischen Entwicklungen auseinander. Atomkraft, Erfahrungen mit aidskranken Freunden oder Ihr Gefängnisaufenthalt. Sind Ihre Bilder per se politisch?
Der Begriff «politisch» kommt für mich vom Griechischen «Polis», die Stadt. Ich bin Städter. Die Stadt ist die gesellschaftliche Aussenwelt, getragen von handwerklichen, kaufmännischen, industriellen, finanziellen Strömungen, von denen die Menschen bewegt und getragen werden. Wie stark der Impact finanzieller Strömungen tatsächlich ist, muss seit der Finanzkrise jedem Europäer klar geworden sein. Das war aber auch schon vorher so, es war nur kein Thema in den «breiten Medien». Viele Jahre war ich Marxist, und ich lernte durch theoretische Schulungen die gesellschaftlich-politischen Aspekte sehr klar wahrzunehmen, sogar in den sexuellen Beziehungen. Also auch in der Liebe, und daran sehen Sie, ich kann das Politische nicht ausblenden. Selbst beim Malen eines idyllischen Blumenstrausses würde ich «die politische Einstellung des Bürgertums nach 1848» streifen. Allerdings stehen hinter meiner bildlichen Gegenständlichkeit konkrete Erfahrungen – ich war in Wackersdorf, etliche meiner Freunde sind an Aids gestorben, und ich verbrachte Jahre im Gefängnis.
Der Sammler Dr. Harald Falckenberg, Chef der Hamburger Phoenixhallen, schätzt Ihre Kunst. Ihre grossformatigen Bilder rechnen Sie erstaunlich preiswert per Quadratmeter ab, sie sind bereits ab 20’000 Euro zu haben. Sind Sie im Kunstgeschäft angekommen?
Der Belser Verlag brachte erst im vergangenen Jahr einen opulenten Kunstband über meine Malerei heraus. Dadurch gab es Einladungen zu Ausstellungen, etwa in Hannover, Stuttgart, Essen oder Hildesheim. Es wurden auch Bilder verkauft, was aber nicht heisst, dass ich im Kunstmarkt angekommen bin. So, wie ich mir den Kunstmarkt vorstelle, stehe ich vor der Stadtmauer, alle Tore sind geschlossen. Harald Falckenberg steht auf der Zinne, schaut herunter. Ein Wächter hat die Klappe am Tor geöffnet, blickt misstrauisch heraus und fragt: «Was ist da los?»
Sie sind ein Multitalent. Welche Projekte betreiben Sie momentan?
Seit zwei Jahren bin ich völlig in der Malerei versunken. Ich habe für nichts anderes mehr Zeit.
Sie haben ein sehr abwechslungsreiches Leben an vielen Orten geführt. Wo leben Sie momentan? Was bedeutet Heimat für Sie?
Momentan lebe ich auf Ibiza und bei meiner Tochter in Berlin. Heimat sind für mich die Familie, die Freunde, die Sprache und die deutsch-polnische Landschaft im Norden. Heimat ist für mich auch das altmodische Leben mit Pferd und Wagen. Wenn man sich dies etwas genauer durchdenkt: Heimat ist der Einklang mit der Welt. Und noch genauer: der liebevolle Einklang.
Dürfen wir – augenzwinkernd – eine letzte Frage stellen? Haben Sie Romy Schneider nach der berühmten Talk-Show jemals wiedergesehen?
Ja, habe ich.