
Lustwandelei auf Schloss Marqueyssac
- 8. September 2017
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Entworfen vom Architekten des Sonnenkönigs Ludwig XIV., im Zuge der Französischen Revolution enteignet und nach dem Ersten Weltkrieg in Vergessenheit geraten – die Geschichte der «hängenden Gärten von Marqueyssac» im Département Dordogne ist eine bewegte. Mit seinen 150ʼ000 von Hand geschnittenen Buchsbäumen und sechs Kilometern Wanderwege ist der Garten einer der schönsten Frankreichs im italienischen Stil und ein Fleckchen Erde, das zum Glück wiederentdeckt wurde.
Auf einer Höhe von 130 Metern liegt es, das Château de Marqueyssac mit seinem fulminanten Ausblick auf das Tal der Dordogne, Castelnaud und La Roque-Gageac. Im 17. Jahrhundert einst als Jagdschloss für die französische Königsfamilie errichtet, wurde es jedoch nie persönlich von den Versailler Herrschern besucht. Zu entlegen soll dieser malerische Landstrich für sie gewesen sein. Stattdessen kümmerte sich ein Berater Ludwigs XIV. – Marquis Bertrand Vernet de Marqueyssac – um das royale Anwesen in der überaus angenehm sonnigen Provinz. Für den Fall, dass der König und seine Entourage doch einmal das Schloss mit ihrer Anwesenheit erfreuen würden, liess der Marquis den Landsitz um eine Kapelle und eine imposante Gartenanlage erweitern. Für den Barockgarten mit seinen opulenten Terrassen, den streng geometrischen Formen und Wanderwegen zeichnete dann auch höchstpersönlich der Gartenarchitekt des Sonnenkönigs, André Le Nôtre, verantwortlich, der nicht nur Pläne anfertigte, sondern auch seinen talentiertesten Schüler in den Süden Frankreichs entsandte.
Im Wandel der Zeit
Doch das Glück sollte nicht immer auf der Seite der Herrscher stehen. Im Zuge der Französischen Revolution, die mit weitreichenden Enteignungen des Adels einherging, erbte ein Regierungsbeamter namens Julien de Cerval das Anwesen im Jahre 1860. Julien de Cerval, von der Vision beseelt, die strenge Symmetrie des königlich-französischen Gartens in organischere Formen umzuwandeln, liess auf dem rund 20 Hektar grossen Gelände 150’000 Buchsbäume pflanzen und sie kugelrund stutzen. Dass sich bis heute neben ihnen auch Mittelmeerzypressen, Steineichen, Pinien, Rosmarin oder auch Alpenfeilchen finden lassen, ist Julien de Cervals Leidenschaft für Italien zuzuschreiben, wo er als Soldat einst Verdienste erworben hatte. Cerval erschuf ein Paradies, das bis zum Ersten Weltkrieg in voller Blüte stand, bevor es verfiel und in Vergessenheit geriet.
Das Wiedererwachen
Dass «Die hängenden Gärten», wie der Park von Château de Marqueyssac auch genannt wird, wieder zum Leben erweckt wurden, ist einem Mann zu verdanken: Kléber Rossillon, Erbe der Schlumberger-Familie und kein Geringerer als der Enkel des Illustrators Marius Rossillon, der einst das Michelin-Männchen erfand. Als Inhaber einer Firma, die in ganz Frankreich Kunstdenkmäler restauriert und betreibt, übernahm er Mitte der 1990er Jahre das Anwesen, das sich ihm eingangs in bizarrer Wildheit präsentierte. So war das Schloss marode, das Dach eingefallen, die Nebengebäude kaum mehr als Ruinen und die ehemaligen Skulpturen im Park bis zu zehn Meter in die Höhe gewachsen. Bis zur Eröffnung des Parks 1995 – und damit auch erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich – waren 60 Subunternehmer damit beschäftigt, der Anlage wieder Leben einzuhauchen und die Pflanzen zu kultivieren, wobei man sich weitgehend an die Pläne des 19. Jahrhunderts hielt. So kommen bis heute ausschliesslich altmodische Scheren zum Einsatz, wobei das Prinzip «Schnitt folgt dem Wuchs» gilt. Oder wie Chefgärtner Jean Lemoussu einmal sagte: «Die Pflanzen geben dadurch vor, ob Hecken, Bögen, Kugeln oder andere Formen entstehen. Im Grunde lenkt die Natur die Entwürfe. Wir haben nur gelernt, ihre Absichten zu verstehen, und verwirklichen sie lediglich.» Die einzige Ausnahme bilden die kubisch geschnittenen Buchsbäume, die auf vorwitzige Weise den Hang «hinunterzupurzeln» scheinen – eine Idee, die Kléber Rossillon beim Frühstück hatte, als er einmal mit Zuckerwürfeln gespielt hatte.
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- Seit 2004 ist der Park mit dem Ehrentitel «Jardin remarquable» ausgezeichnet, was so viel wie «bemerkenswerter Garten» heisst. Foto: Château de Marqueyssac
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- Formschnitt ist die Kunst, Pflanzen durch eine besondere Schnitttechnik eine geometrische, architektonische oder figürliche Form zu geben. Foto: Château de Marqueyssac
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