
«Kunst ist Leben»
- 22. Juli 2019
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Mario Mazzoleni gilt als einer der renommiertesten Galeristen Italiens und grösster Sammler von Andy Warhols Werken. Bei einem Hausbrand würde er dennoch zuerst seine Familie retten. «Ich bin kein Materialist», sagt Mazzoleni. Wann in seinen Augen ein Bild zu teuer ist, was Warhol als Künstler so besonders macht und warum er mit seiner Sammlerlust keine fehlende Mutterliebe ersetzt.
PRESTIGE: Herr Mazzoleni, erinnern Sie sich an das erste Kunstwerk, das Sie erstanden haben?
Mario Mazzoleni: Sehr gern sogar. Es war eine wunderschöne Zeichnung auf Holz von Gianfranco Ferroni, einem bedeutenden italienischen Maler. Ich habe sie direkt von ihm erworben, mit meinem Ersparten, ich war damals fünfzehn.
Sotheby’s erzielte vergangenes Jahr mit dem Gemälde «Liegender Akt (auf der linken Seite)» von Amedeo Modigliani einen Rekordpreis von 157 Millionen Dollar. Ist das nicht absurd?
Der Kunstmarkt entwickelt sich immer mehr in diese Richtung. Ich würde nicht sagen absurd, aber gewiss übertrieben. Solange es Interessenten gibt, die bereit sind, solche Summen für ein Gemälde zu bezahlen, so lange wird es auch Preise in dieser Grössenordnung geben. Mir gefällt, dass es Menschen gibt, die lieber solche Summen für ein Kunstwerk als für eine Jacht ausgeben.
Wann ist ein Bild zu teuer?
Wenn der Preis die Qualität übersteigt. Bedauerlicherweise geht es in der Kunst heutzutage viel um Marketing und wenig um Technik. Gerade bei jungen Nachwuchskünstlern sehe ich reichlich Improvisation. Wichtige Galerien fördern Kritiker, die Sympathien für Werke hegen, die wenig Substanz und Inhalt haben. Wichtig ist eine gute Balance. Die Qualität soll den Preis rechtfertigen.
Haben Sie auch schon zu viel für ein Bild ausgegeben?
Nein, meine Stiftung ist sehr wachsam bezüglich Preis und Qualität.
Welches Kunstwerk hat Ihren Verstand von Kunst nachhaltig geprägt?
Ich bin im Land von Caravaggio geboren. Schon als Kind faszinierten mich seine Skulpturen. Für mich ist Caravaggio der grossartigste Künstler überhaupt.
Ein anderer Künstler, den Sie sehr schätzen: Andy Warhol. Was machen seine Werke so besonders?
Warhol war ein Genie. Exzentrisch und talentiert. Ich hatte das Vergnügen, ihn mehrmals zu treffen. Seine Werke sind im Laufe der Jahre bei Sammlern immer beliebter geworden. Wie kaum ein anderer verstand er es, Marketing für sein Schaffen zu betreiben. Aber dahinter lag viel Können. Er hat die zeitgenössische Kunstszene stark geprägt. Die Idee der Factory war schlicht brillant und führte zu einer Reihe ähnlicher Projekte auf der ganzen Welt. Es ist bedauerlich, dass es keinen Zweiten wie ihn gibt. Es bräuchte tausend Andy Warhols.
Gibt es ein Kunstwerk von ihm, das Sie noch unbedingt haben möchten?
Ich würde behaupten, ich besitze bereits seine interessantesten Werke und Relikte. Angefangen bei Michael Jacksons Gitarre, signiert vom Popstar und Warhol persönlich, über die Einladung an Marilyn Monroe zur Ausstellung der Galerie Castelli, bis zum Mao. Meine letzte Errungenschaft war ein lilafarbener elektrischer Stuhl, der 85ste von insgesamt 250 Exemplaren. Ein wunderschönes historisches Werk.
Ist es verwerflich, Kunst aus rein monetären Interessen zu sammeln, ohne Verständnis für ihre Schönheit?
Absolut, ja. Es ist mir unverständlich, wie man Kunst als blosse Handelsware betrachten kann. Ich erstehe und sammle lediglich Kunstwerke, die mich begeistern, die eine Geschichte erzählen. Nie würde ich ein Gemälde in meinen Galerien ausstellen, das mir nicht gefällt oder keine Botschaft vermittelt.
Was sagen Sie zu Sigmund Freuds These: Sammler kompensieren Entbehrung, die sie als Kind durch fehlende Mutterliebe erlitten haben? Ich verehre Sigmund Freud, ein grossartiger Denker, und natürlich hat er recht. Was mich jedoch betrifft, ist es reine Passion. Ich bin mit Bildern unter meinem Bett aufgewachsen. Ich habe immer Kunst geatmet, es ist mir eingeimpft, verstehen Sie? Und darum liegt mir meine Stiftung so am Herzen, es geht mir darum, ein eigenes Museum zu schaffen, um die Kunst der jüngeren Generation näher zu bringen, sie ihnen kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Man hat herausgefunden, dass kreative Menschen weniger aggressiv sind. Indem man jungen Menschen die Kunst näher bringt, bewegt man sie auch dazu, selber welche zu schaffen?
Ich sehe immer wieder so viele Kunstwerke und Gebäude, die ohne Achtung vor unserer Vergangenheit und Kultur von Vandalen zerstört wurden. Junge Menschen sind oft von den falschen Dingen abgelenkt, sie ziehen das Tablet einem Buch vor, gehen lieber ins Einkaufszentrum als ins Museum. Gerade deshalb sollten Museen für alle unter 21-Jährigen kostenfrei zugänglich sein.
Denn wer die Kunst versteht, bejaht das Leben, zumindest dessen Schönheit?
So ist es. Kunst ist Emotion, ist Leben. Es ist unsere Pflicht, sie zu lieben.
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