
Juanes rockt das Leben – Grenzen brechen, Brücken bauen
- 28. März 2013
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Sich selbst zu übertreffen, scheint seine grosse Leidenschaft zu sein. Hintergründe über einen Mann, der die Ruhe scheut, aber die Tat liebt. Kurzfristig war es ruhig um Juanes geworden. Selbst seine grössten Hits wie «La Camisa Negra» oder «Me Enamora» spielten nur noch höchst selten auf den Schweizer Radiostationen. Der Kolumbianer hatte sich merklich aus dem einträglichen Showbusiness zurückgezogen. Er wollte sich mehr Zeit für seine Familie nehmen, mal eine Pause machen, nachdem er seit seinem Durchbruch in den 90er Jahren ununterbrochen im Rampenlicht gestanden hatte. Doch kreative Untätigkeit war nie in der Natur des Kolumbianers mit Wohnsitz in Miami. Während seiner Abwesenheit wuchs eine gewisse Unruhe in ihm. Er war gelangweilt, fühlte sich nicht gut, wie er kürzlich erklärte.
Willkommene Abwechslung
Des einen Leid ist des anderen Freud, dachte sich wohl José Tillán, Manager des spanischen Ablegers von MTV. Er erkannte die Gelegenheit und unterbreitete Juanes den Vorschlag einer Unplugged-Aufnahme. Begleitet von Cello und Piano oder einem ganzen Orchester würden im New World Symphony Center in Miami Beach ausgewählte Songs neu interpretiert werden. Zusätzlich sollten drei neue Songs eingespielt werden. Als Produzent fiel die Wahl auf Juan Luis Guerra , einen dominikanischen Musiker und mehrfachen Latin-Grammy-Gewinner und langjährigen Freund und Vorbild von Juanes. Trotz etlicher Bemühungen hat es bis dahin nie zu einer grösseren Zusammenarbeit der beiden gereicht. Aus der ungewöhnlichen Zusammenarbeit hervorgegangen ist ein feinfühliges Album, das der warmen Stimme Juanes ungewöhnlich viel Platz einräumt. Weit entfernt von synthetischer Makellosigkeit, trumpft dieses Album mit raumfüllender Klangakustik und sorgt damit für eine willkommene Abwechslung vom chartdominierenden Einheitsbrei.
Wenn Erfolg bezeichnend wird
Das Album reiht sich somit in eine eindrückliche Karriere eines Menschen ein, der im Jahre 1978 erstmals das Licht erblickte. Geboren als Juan Esteban Aristizàbal Vàsquez entdeckte Juanes schon in frühen Kindheitsjahren seine Leidenschaft zur Musik. Schnell lernte er das Gitarrespielen und den Ausdruck seiner Gefühle durch die Kunst. Mit 16 Jahren gründete er die Rock-/Metal-Band Ekhymosis, in der er sich als Songwriter, Sänger und Gitarrist stark engagierte. Vor allem in der Startphase orientierte sich der Musikstil stark an der als Vorbild geltenden US-amerikanischen Band Metallica und gewann schnell an Popularität. Insgesamt veröffentlichte die Band fünf Studioalben und wurde zur führenden Hard-Rock-Band im Heimatland Kolumbien.
Für Juanes reichte der lokale Erfolg im Heimatland jedoch nicht aus. Er wollte sich musikalisch weiterentwickeln, seine Songtexte in die ganze Welt hinaustragen. 1998 verliess er seine Band und siedelte nach Los Angeles über. Gustavo Santaolalla, Produzent und mehrfacher Oscar- und Grammy-Gewinner, nahm Juanes unter Vertrag. Eine äusserst fruchtbare Zusammenarbeit begann. Schon im Jahr 2000 konnte das Debütalbum «Fijate Bien» dem Publikum vorgestellt werden. Die Mischung von Rock und traditionellen kolumbianischen Elementen fand in der Heimat grossen Anklang. Das Album bescherte Juanes seine ersten drei Latin-Grammy-Auszeichnungen, viele weitere würden folgen. Dennoch, der grosse internationale Durchbruch blieb vorerst aus.
Das zweite Soloalbum «Un Dia Normal» sollte dies ändern. Der Release 2002 übertraf alle Erwartungen. 92 Wochen hielt sich die Platte in den Top Ten der «Billboard Top Latin Albums Charts», ein neuer Rekord. An den Latin Grammy Awards 2003 ging er mit fünf Auszeichnungen als grosser Sieger hervor. Seine Single «A Dios Le Pido» erreichte in zwölf Ländern die Spitze der Single Charts.
Durchbruch auch in Europa
Nur zwei Jahre später veröffentlichte Juanes sein drittes Soloalbum «Mi Sangre», welches gleich auf Platz eins der «Billboard Top Latin Albums Charts» einstieg. Es folgten 170 Konzerte in 31 verschiedenen Ländern in nur gerade 19 Monaten. Mit der Hitsingle «La Camisa Negra» gelang Juanes der langersehnte europäische Durchbruch. Die wachsende Popularität rief jedoch auch erstmals Populisten auf den Plan. Italienische Neo-Faschisten brachten den Songtitel mit den Schwarzhemden Mussolinis in Verbindung, wovon sich Juanes unverzüglich distanzierte. «La Vida… es un ratico» wurde zum aufwändigsten Release in der Geschichte spanischsprachiger Künstler. Das vierte Soloalbum kam am 23. Oktober 2007 in 77 Ländern gleichzeitig in die Plattenläden. Es wurde im Jahr 2008 zum meistverkauften Latin Album im iTunes Store. Kritiker waren voll des Lobes. Der Opening Track «Me Enamora» behauptete sich 20 Wochen auf Platz 1 der «Hot Latin Song Charts». Juanes übertraf sich selbst und alle Erwartungen einmal mehr. 2010 schliesslich folgte das Album «P.A.R.C.E.», welches an den Erfolg vorangegangener Alben anknüpften konnte.
Der Mensch hinter den Zahlen
Doch während sich so mancher Prominente mit einem derart grossen Erfolg zufrieden gibt, verfolgt Juanes weit grössere Ziele als all diejenigen, welche sich nur durch nackte Zahlen beschreiben lassen.
Betroffen durch das Leid, das die weite Verbreitung von Landminen in Kolumbien verursacht, gründete Juanes bereits 2006 die Stiftung «Mi Sangre». Damit nahm er eine Verantwortung wahr, die in seiner Pflicht stand, wie er im PRESTIGE-Interview erklärte: «Wenn ich die Nachrichten anschaue, kann ich nicht verstehen, warum Menschen, die die Möglichkeiten haben, etwas zu verändern, das nicht tun. Ich könnte ein ruhiges Leben führen … Aber es gibt mehr, was man mit und über die Musik bewegen kann …»
Die Stiftung «Mi Sangre» gilt als führend im Kampf gegen Landminen, und das nicht nur in Kolumbien, sondern weltweit. Neben der Unterstützung und Rehabilitation der Landminenopfer hat sich die Stiftung in ihrer Entwicklung immer neue Ziele gesetzt. Durch Kunst soll den jungen Menschen ein Weg aufgezeigt werden, Gefühle ohne physische Gewalt auszudrücken. Sie sei als Kommunikationsmittel ideal, um zwischen Konfliktparteien einen Austausch zu fördern und die Toleranz und Akzeptanz zu erhöhen. Kunst als Selbstverwirklichung schenkt den jungen Menschen zudem das nötige Selbstbewusstsein, um in der eigenen Mikrowelt erfolgreich als Peacebuilder agieren zu können. Die Stiftung ist seit gut vier Jahren unter der ehrenamtlichen Leitung des Unternehmensberaters und Buchautors Bernhard Bauhofer auch in der Schweiz vertreten.
Engagement statt Passivität
Im Zusammenhang mit seinem Kampf gegen Landminen und deren Folgen durfte Juanes 2006, als erster Musiker überhaupt vor dem EU-Parlament im Plenarsaal auftreten. In einer bewegenden Ansprache bat er das EU-Parlament, Kolumbien finanziell im Kampf gegen den Drogenhandel und der damit verbundenen bewaffneten Kämpfe zu unterstützen. Kolumbien könne dieses Problem nicht alleine lösen. Es mangle auf allen Ebenen an Mitteln, um all die Rechnungen eines Krieges zu bezahlen, welcher die ganze Welt betreffe, erklärte er. Das Parlament zeigte sich sichtlich beeindruckt. Die Bemühungen Juanes‘ zahlten sich wortwörtlich aus. Er durfte einen Scheck von 2,5 Millionen Euro für sein Heimatland entgegennehmen. Zusätzlich zu seinen Bemühungen, sozialen Missständen in Kolumbien entgegenzuwirken, zeigt sich Juanes gerne als weltweiter Konfliktvermittler und Friedensbotschafter. Er wird zu den Gründungsmitgliedern und Mitorganisatoren der Konzertreihen «Paz Sin Fronteras» (Frieden ohne Grenzen) gezählt. In nur einer Woche organisierte er als Reaktion auf die wachsenden Spannungen an den Grenzen zwischen Kolumbien und Venezuela sein erstes Friedenskonzert. Über 200’000 Fans versammelten sich vor der Konzertbühne, um mit Juanes der Bitte für Frieden in der Region Nachdruck zu verleihen.
Unmöglich ist nicht unmöglich
Um ein Vielfaches grösser zeigte sich Juanes zweites «Paz Sin Fronteras»- Konzert. Über Monate wurde das Konzert unter einem enormen bürokratischen Aufwand geplant. Mehrfach stand es auf der Kippe, doch Juanes zeigte Durchhaltewillen und sprengte schliesslich alle Grenzen. Am 20. September 2009, dem «International Day of Peace» der Vereinten Nationen, wurde in Havanna (Kuba) Geschichte geschrieben. Rekordverdächtige 1,2 Millionen Kubaner strömten auf den Platz der Revolution, um der Musik von Juanes und 14 weiteren Musikern zu lauschen. Ein gigantischer Auflauf internationaler Medien berichtete live aus Havanna über das Grossereignis, welches Juanes und seine Bühnenpartner aus eigener Tasche finanzierten. Die Begeisterung war riesig und das mediale Echo positiv. Es ist deshalb auch verständlich, dass Juanes immer wieder für sein Engagement ausgezeichnet wird. In Frankreich wurde er von der Regierung zum Ritter geschlagen und gehört seither dem «Ordre des Arts et des Lettres» an. 2008 wurde er von der «Organization of American States» zum «Humanitarian of the Year» gewählt. Jüngst durfte er den Peace Prize seines Heimatlandes Kolumbien entgegennehmen.
Dennoch, Juanes ist nicht der Mann, der um Titel und Auszeichnungen buhlt. Sich selbst bleiben, für die Welt tun, was man kann, das steht in seinem Zentrum. Mit der Musik hat Juanes sein persönliches Mittel gefunden, das vielen physischen Waffen im Kampf für den Frieden weit überlegen ist.
Grammy & Sandy
Zum 13. Mal wurden am 15. November 2012 die Latin Grammy Awards in Las Vegas, Nevada vergeben. Die Auszeichnungen «Album of the Year» und «Best Long Form Music Video» gingen dabei an Juanes. Damit gehört der Kolumbianer mit insgesamt 19 Auszeichnungen zu den Latin-Grammy-Rekordhaltern. Juan Luis Guerra, mit sechs Nominationen als Favorit in den Abend gestartet, holte sich ebenfalls zwei Preise, darunter die Auszeichnung «Producer of the Year» für das siegreiche Album «MTV Unplugged» seines Freundes Juanes.
Während Juanes bei seinem ausverkauften Konzert an der AVO Session in Basel Ende Oktober sein Album einem begeisterten Schweizer Publikum vorstellt, bringt der verheerende Hurrican Sandy Tod und Verwüstung über die Karibik und die Ostküste der USA.
Juanes und Juan Luis Guerra drückten auch ihr Mitgefühl gegenüber den Opfern des Hurricans Sandy aus und haben alle Einkünfte aus dem Ticketverkauf ihres Konzertes in New York vom 24. November gespendet.