
Je einfacher, desto besser: Eine alpin-mediterrane Küche
- 10. Juli 2012
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Gerhard Wiesers kulinarisches Schaffen ist geprägt von der Liebe zu den Elementen des Südens und so nimmt er seine Gäste mit auf eine Reise durch die alpin-mediterrane Küche. «Weniger ist mehr. Je einfacher, desto besser», lautet die simple Formel, mit der Gerhard Wieser seinen «alpin-mediterranen» Küchenstil bezeichnet. Doch diese unspektakuläre Umschreibung entpuppt sich als Paradies für Feinschmecker, denen Gerhard Wieser jeweils eine unvergleichliche Genussreise in die südlichen und alpinen Landesteile von Tirol und Italien und über die Grenzen hinweg nach Spanien und Frankreich auf die Teller zaubert. Nach Wiesers Philosophie beginnt die Kunst des Kochens beim Einkauf – so bestimmt das frische Angebot die Speisekarte. Sein unverwechselbarer Stil lebt von taufrischen Zutaten der jeweiligen Regionen und den edlen Produkten der klassischen Hochküche. Für ihn bleibt es eine wiederkehrende Herausforderung, den Eigengeschmack der einzelnen Produkte durch kreative Zubereitung zu verstärken.
Neben vielen anderen Auszeichnungen, darunter 18 Punkte im GaultMillau sowie 3 Hauben und 87 Punkte im Gambero Rosso, sind ihm seine 2 Michelin-Sterne Ansporn und Motivation zugleich. PRESTIGE traf den Meisterkoch auf dem Gourmetfestival in St. Moritz, wo er als Gastkoch im Kempinski Grand Hotel des Bains die Gäste verzauberte, und sprach mit ihm über Südtiroler Speck, Sternejäger und Schlutzkrapfen.
PRESTIGE: Herr Wieser, wie gefällt es Ihnen auf dem Gourmetfestival?
Gerhard Wieser: Hervorragend. Ich hatte schon viel von Kollegen vom Festival in St. Moritz gehört und war sehr gespannt. Es ist ein sehr interessantes Programm. Natürlich ist es auch viel Arbeit, aber es ist sehr viel Spass dabei. Und nur woran man auch Spass hat, das kann man auch wirklich gut machen. Diese Kombination aus Passion und Spass bringt, hier auf dem Gourmetfestival in St. Moritz, eine Kochkunst auf höchstem Niveau hervor.
Wie fühlen Sie sich in der Küche des Kempinski Grand Hotel des Bains mit seinem Küchenchef Matthias Rook?
Grossartig, man kann man hier viel erleben und hat einen tollen Austausch. Zwar ist es immer schwierig, in einer fremden Küche zu arbeiten, denn man ist nicht so organisiert wie daheim, man muss erst alles vorbereiten und sich einleben, doch zum Glück hat das «Kempinski» mit Matthias Rook einen hervorragenden Küchenchef. Er unterstützt uns perfekt und es ist eine wahre Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Was halten Sie von der Küche des Matthias Rook? Durften Sie schon was probieren?
Matthias kocht eine sehr hochwertige Küche. Nicht unbegründet holte er sich mit seinen einzigartigen Alpen-Tapas sofort 15 GaultMillau-Punkte und mit dem Gourmetrestaurant «Cà d’Oro» 16 Punkte.
Schaut man bei so einem Event wie dem Gourmetfestival auch, was die Konkurrenz macht?
Ich würde die anderen Köche nicht als Konkurrenz bezeichnen, sondern als Kollegen. Ein Koch ist nur ein guter Koch, wenn er einzigartig ist. Sprich, wenn er seine eigene Philosophie und seinen eigenen Kochstil hat. Koch ist ein Handwerksberuf. Ein Handwerk kann man erlernen, aber die Feinheiten und das Gefühl, welches in jedes Gericht einfliesst, das ist etwas, das man nicht lernen kann. Das ist das bisschen mehr, das ein Spitzenkoch eben hat.
Jeder gute Koch muss also eine eigene Philosophie haben. Wie würden Sie Ihre beschreiben?
Ich komme aus Südtirol, also einem Grenzland, was ein Vorteil ist, denn Italien, mit seiner mediterranen Küche, liegt bei uns vor der Haustür. Diese Küche lasse ich in unsere alpine Küche einfliessen. Meine Küche ist also, vereinfacht gesagt, eine alpine mediterrane Küche mit Produkten aus unserer Gegend.
Meine Küche ist ehrlich und produktorientiert. Bei uns sieht der Gast noch, was er auf den Tisch bekommt. Und wenn er eine Erdbeere sieht, dann schmeckt er auch eine Erdbeere und nicht noch fünf andere Komponenten. Ich verwende grundsätzlich sehr wenige Komponenten. Doch Achtung: Einfach kochen ist oft schwieriger zu kochen, denn wenn man «wenig» auf dem Teller hat, ist man viel empfindlicher. Bei vielen Komponenten «verschwimmt» der Geschmack häufig.
Der wichtigste Bestandteil meiner Küche ist immer das Grundprodukt, denn hiermit fängt das Kochen an. In Südtirol habe ich das Glück, dass ich mit vielen kleinen Bauern zusammenarbeiten kann. Hier ist es noch möglich, die Bauern zu motivieren, verschiedene Produkte so anzubauen, wie man es gerne möchte.
Heisst das, es gibt Bauern, die speziell für Sie anbauen?
Ja, zum Beispiel habe ich einen Bauern, der für mich einen ganz bestimmten Pfeffer anbaut. Dieser hat ein ganz besonderes Aroma. Dasselbe gilt für einige Kräuter und andere Gewürze. Ich bekomme meine Kräuter immer ganz frisch – geerntet vor Sonnenaufgang, sprich, das Aroma ist noch in der Pflanze und noch nicht in der aufgegangenen Blüte.
Für mich ist es sehr wichtig, die Produkte vor Ort zu bekommen. Die meisten Produzenten kenne ich auch persönlich, ich weiss, woher das kommt, was der Gast auf den Teller bekommt, und ich weiss, wie es schmeckt!
Welche speziellen Südtiroler Produkte benutzen Sie noch?
Bei uns gibt es das Schüttelbrot oder natürlich den Südtiroler Speck. Den Speck beziehe ich von einem kleinen Bergbauern auf 1500 Meter Höhe. Er besitzt zwei alte Schweinerassen, die er verkreuzt, damit das Fleisch für den Speck noch besser wird. Die Schweine werden mit selbstangebautem, frisch gemahlenem Korn und Käsewasser aus einer Biosennerei gefüttert. Dadurch wird das Fett dieses Specks so weich wie Butter. Es schmilzt förmlich auf der Zunge. Zudem schmeckt man die Bergluft, in der der Speck reift.
Wo haben Sie Kochen gelernt?
Zuhause. Bereits als kleiner Knirps habe ich am Herd meiner Mutter – ebenfalls eine leidenschaftliche Köchin – die Liebe zur geschmacklichen Klarheit und zum kulinarischen Tüfteln entdeckt. Nach Berufsjahren bei grossen Wegbegleitern wie Harald Wohlfahrt und Dieter Müller zog es mich zurück in die Südtiroler Heimat. Hier führe ich seit 20 Jahren das kulinarische Zepter im Restaurant «Trenkerstube» des Meraner Luxushotels «Castel».
Ich bin immer in Europa geblieben und eigentlich auch in der Nähe – was wahrscheinlich meinen Kochstil geprägt hat: das zu verwenden, was im eigenen Land wächst und gedeiht. Ich denke, dass ein Gast, der nach Südtirol kommt, auch etwas aus der Region essen möchte und nicht etwas, das er beispielsweise auch in Hamburg essen könnte. Dies wird gerade bei uns in Südtirol sehr gefördert.
Gibt es daher so viele Sterneköche in Südtirol?
Sicherlich! Südtirol hat eine sehr grosse Sternekochdichte. Und ich geniesse es, denn Köche motivieren sich gegenseitig.
Einen Stern zu haben, bedeutet das für Sie eher Motivation oder übt es eher Druck aus?
Also für mich ist es überhaupt kein Druck. Die Sterne sind eine tolle Auszeichnung. Das Renommierteste, das ein Koch bekommen kann. Ich sehe es als Bestätigung meiner Arbeit in den letzten Jahren. Doch das Wichtigste ist für mich immer der Gast. Ich koche für jeden Gast gleich und ich will jeden Gast begeistern. Das ist meine tägliche Motivation. Ein gutes Feedback von den Gästen ist die grösste Auszeichnung.
Wo finden Sie neue Inspirationen für Ihre Gerichte?
Inspirationen findet man überall. Ich gehe häufig essen und wenn ich etwas entdecke, das mir besonders gut geschmeckt hat, dann probiere ich, es auf meine eigene Philosophie anzuwenden. Auch dieses Gourmetfestival inspiriert. Man sieht andere Küchen und probiert bei anderen Köchen. Besonders genossen habe ich die Kitchen Party und die Eröffnung, denn man hat an diesem Abend die Möglichkeit, bei vielen verschiedenen Köchen etwas zu probieren und Neues zu entdecken.
Was wäre Ihre Galgenmahlzeit?
Oh, das ist schwierig, denn ich esse sehr gerne und auch vielfältig. Aber wahrscheinlich würde ich ein Südtiroler Gericht auswählen, das mit einer Kindheitserinnerung verbunden ist. Einen Geschmack, den man wahrscheinlich sein Leben lang im Gaumen hat. Bei mir wären es Südtiroler Schlutzkrapfen, die hat meine Mutter häufig gemacht.
Kochen ist für Sie in drei Worten?
Freude, Leidenschaft und Geniessen.
Freude und Leidenschaft gehören einfach dazu. Man muss viel geben für diesen Beruf, aber der Beruf gibt einem auch viel zurück. Jungen Köchen bringe ich zuerst einmal das Geniessen bei. Ich mache manchmal Gourmetreisen mit ihnen, denn Geniessen ist ein sehr wichtiger Faktor. Nur wer selbst geniessen kann, entwickelt den Wunsch, so etwas selbst zustande zu bringen. Nur so kann ich herausfinden, was ich in der Küche schaffen will. Man muss das Essen lieben, damit man selbst gut kochen kann.