
Im Zeichen des Pferdes – Traditionelle Handwerkskunst im Hause Hermès
- 13. August 2013
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Ein jeder kennt die legendäre Kelly Bag aus dem Hause Hermès, hinter der Namenspatronin Grace Kelly einst ihren Babybauch versteckte. Auch dass aus dem Hause hochwertige Seidenfoulards und wohlduftende Parfums stammen, dürfte bekannt sein. Dass jedoch alles mit Sätteln begann und diese Tradition noch heute gepflegt wird, wissen nur eingefleischte Hermès-Fans. Das Pferd und Hermès ist eine Liebesgeschichte, die vor über 175 Jahren begann. Im Jahre 1837 eröffnete Thierry Hermès in Paris sein erstes Ladengeschäft nahe der Madeleine. Es handelte sich um einen Betrieb, der hochwertiges Pferdegeschirr und Zaumzeug sowie ab 1867 Sättel für Pferde herstellte. Zu dieser Zeit war der Verkehr geprägt von Pferden, Reitern und Kutschengespannen und der Bedarf an Pferdezubehör war gross.
Im Zeichen des Pferdes
Seit der Gründung des Hauses Hermès im Jahr 1837 markieren Pferde also wichtige Meilensteine auf dem Weg des Unternehmens – ob in gestrecktem Galopp auf der Webseite «Les Ailes d’Hermès» oder sich aufbäumend auf dem Dach von Hermès-Dépendancen wie beispielsweise dem «Maison» im Ginza-Distrikt in Tokio. Auch eins der berühmtesten Tücher von Hermès, «Brides de Gala», wurde vom Sattelzeug inspiriert.
Bereits im Jahr 1867 errang Sattlermeister Thierry Hermès mit seinen Kreationen die erste Medaille bei der Pariser Weltausstellung. Und schon bald orderten europäische Fürsten und königliche Regenten aus Japan, Argentinien, Brasilien, Annam sowie Siam Sattlerwaren bei Hermès und trugen den Namen in die ganze Welt. In der wohlhabenden Schicht war es keine Seltenheit, mehrere, unterschiedliche Kutschen zu besitzen. Für diese Klientel bot das Haus Hermès hochwertige Ausrüstung wie Sättel und Pferdegeschirr sowie Zubehör im gehobenen Preissegment an. Es ist jedoch eine schöne Mär, dass einst eine Kundin gesagt haben soll, dass sie es leid sei, dass ihr Pferd besser angezogen sei als sie selbst und daraufhin Hermès sein Sortiment auf den Bekleidungssektor ausgeweitet habe. Viel eher lag es daran, dass die ersten Autos die Kutschen und Pferde verdrängten und somit die Nachfrage nach Reitzubehör geringer wurde. Zudem lag es nahe, dass man, nachdem Hermès sich das Patent für den Reissverschluss sichern liess, diesen auch in Jacken und Reisetaschen zu verwenden suchte. So wurde das Sortiment allmählich um Taschen, Reisegepäck und Lederwaren jeglicher Art vergrössert. Anfang der 20er-Jahre kamen Sportbekleidung Bademode, Skimode, Strickwaren hinzu. Aus Seide fertigte man zudem Schals und Tücher an. Doch noch immer ist in jeder noch so kleinen Boutique eine Ecke dem Ursprung des Hauses, dem Pferd, gewidmet. Im Sattelstich von Meisterhand genähte Lederwaren waren somit stets das unverwechselbare Kennzeichen des Hauses. Im Zeichen eines neuen Lifestyles entstanden zwar Handtaschen, Handschuhe, Accessoires und Kleidung. Sogar auf Automobile, Inneneinrichtungen und – seit neuestem – Helikopter- und Bootsausstattungen richteten die Hermès-Designer ihr kreatives Augenmerk, doch niemals verlor man dabei die Wurzeln des ehemaligen Sattlereibetriebs aus dem Blick. Und so geben seit nunmehr sechs Generationen die Pferde bei Hermès die Richtung und den Rhythmus vor.
Fest im Sattel
Hermès hat in der Welt einen besonderen, traditionellen Ruf als exklusiver Hersteller von Sätteln, auf denen die Weltelite der Reiter zum Sieg geritten ist. Und so steht die Sattelmacherkunst auch heute noch im Mittelpunkt des Hauses. An der berühmten Adresse 24, Faubourg Saint-Honoré, an welcher das Unternehmen seit 1880 seinen Stammsitz hat – wird sie nach wie vor mit grosser Hingabe gepflegt. Die Sattlerei befindet sich in den oberen Stockwerken des Hauses. Hier werden jedoch nur kleine Reparaturen vorgenommen, alle neuen Hermès-Sättel, etwa 450 Stück im Jahr, werden am Rand von Paris gefertigt, und dies von Handwerkern, die meist bei Hermès ausgebildet wurden. Hier befindet sich auch die Werkstätte von Sattlermeister Vincent Léopold. Seit 19 Jahren arbeitet er für das Haus Hermès und noch immer, nach über 1000 angefertigten Sätteln, ist er stolz, wenn er einen von ihm angefertigten Sattel sieht. Ein jeder Sattler ist für «seinen» Sattel allein verantwortlich, vom Zuschneiden des Leders bis zum Finish mit Spezialöl. Die Herstellung eines Standard-Sattels dauert circa 25 Stunden, 40 Stunden benötigt man für einen Sattel nach Mass.
Ein Charakteristikum der Hermès-Sättel ist ihre ausserordentliche Lebensdauer. 30 bis 40 Jahre Lebensdauer sind keine Seltenheit. Ein Sattel, der im Jahre 1927 hergestellt wurde, ist noch heute in Gebrauch. Viele werden nach Jahren zur Aufarbeitung nach Paris geschickt und sind nachher so gut wie «neu». Ein wichtiger Grund für die lange Lebensdauer ist der bei Hermès für alle Lederartikel übliche «Sattlerstich», bei dem mit zwei Fäden gearbeitet wird, die in jedem Loch einzeln verknotet werden und damit eine ausserordentliche Festigkeit erreichen. Jeder Sattel ist mit einem «Brandzeichen», dem H für Hermès, und einer Nummer versehen. Diese Nummer wird in den Auftragsbüchern zusammen mit allen Details und Sonderwünschen der Kundschaft eingetragen. So kann auf Jahrzehnte hinaus zurückverfolgt werden, wer den Sattel bestellt hat, wer ihn angefertigt hat und wohin er geliefert wurde. Das älteste noch vorhandene Auftragsbuch stammt aus dem Jahre 1909. Aus ihm ist zu entnehmen, dass Hermès damals bevorzugt die Aristokraten der Welt belieferte. Von den Vanderbilts über die Rothschilds bis hin zum russischen Zarenhof. Heute lassen sich eher Profireiter von Hermès ausstatten. Internationale Spitzenreiter lieben den perfekten Close-Contact der Sättel, die Nähe zum Pferd und ihre perfekte Passform. Einige Modelle haben gar ihre eigene Geschichte: Der Reitsattel «Corlandus» ist nach jenem Rennpferd benannt, auf dem die französische Reiterin Margit Otto-Crépin bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul die Silbermedaille in der Dressur gewonnen hat. Als erster US-amerikanischer Olympiasieger war der Springreiter Steinkraus an der Entwicklung des speziell für ihn gefertigten Sattels aktiv beteiligt und verlieh ihm seinen Namen. Auf den Steinkraus folgten weitere Sättel wie Oxer, Essentielle, Brasilia und der Hightech-Sattel Talaris, ein Sattel, der meisterliche Handwerkskunst mit modernster Technologie verbindet. Auch der auf dem diesjährigen «Saut d’Hermès»-Turnier in Paris vorgestellte Springsattel Cavale reiht sich nahtlos in diese glorreiche Ahnenfolge seiner Vorgänger. Springreiter schwärmen von seiner Passform und Leichtigkeit. Zudem ist er noch äusserst schön anzuschauen.
Doch Hermès-Sättel werden nicht nur von passionierten Reiterprofis bestellt, sondern auch von Institutionen wie der Spanischen Hofreitschule in Wien. Es gibt Sättel für die Jagd, Dressur, Springen, Polo oder einfach nur den Freizeitsport. Die Standardmodelle kosten um die 4500 Euro und sind, bedenkt man die hervorragende Qualität und die lange Lebensdauer eines Hermès-Sattels, durchaus erschwinglich und eine gute Geldanlage. Spezialanfertigungen sind zwar teurer, doch dafür können die Sattelmeister fast jeden Spezialsattel auf Grundlage individueller Kundenwünsche realisieren, sodass Ross und Reiter sich rundum wohlfühlen.