Im Land der Rosamunde Pilcher – Cornwall und Devon
- 10. Juli 2012
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In prächtigen Herrenhäusern, gepflegten Gärten oder an den windumtosten Küsten wird die typische Stimmung der Rosamunde-Pilcher-Werke lebendig. So, wie Schottland und Whisky zusammengehören, denkt man bei Cornwall und Devon gleich an Rosamunde Pilcher. Meine Mutter behauptet steif und fest, sie schaue sich die Verfilmungen der Romane und Kurzgeschichten der Bestsellerautorin nur wegen der zauberhaften Landschaften an, die Geschichten um Liebesverwirrungen, bei denen das Ende schnell vorhersehbar ist, seien ihr eigentlich viel zu kitschig. Mit dieser Äusserung steht sie nicht alleine da, denn seit den ZDF-Verfilmungen verzeichnen Cornwall und Devon einen starken Anstieg an Besucherzahlen aus deutschsprachigen Ländern. Und die Besucher werden meist nicht enttäuscht, es sei denn, sie erwarten, Frau Pilcher persönlich anzutreffen, denn diese wohnt bereits seit einigen Jahren in Schottland.
Ein herrschaftliches Anwesen
Englands südwestliche Grafschaften Cornwall und Devon bestechen durch eine bezaubernde Landschaft, die viele von uns aus den romantischen Filmen von Rosamunde Pilcher kennen: schroffe Küsten, einsame Hochmoore, subtropische Gärten, goldgelbe Sandstrände, pittoreske Hafenstädtchen und strohbedeckte Cottages; kombiniert mit einer Fülle von historischen Sehenswürdigkeiten und geschichtsträchtigen Orten.
Eine herrschaftliche Kulisse, die Pilcher-Fans bekannt sein dürfte, ist der schlossartige Landsitz «Prideaux Place» von Peter Prideaux-Brune bei Padstow. Filmteams aus Deutschland drehten bereits mehrfach in den elisabethanisch stilvoll eingerichteten Räumen. Die Familie des Besitzers, Baron Peter Prideaux-Brune, lebt seit vierzehn Generationen, seit der Zeit Königin Elizabeth I. in dem Schloss. Prideaux Place hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten kaum verändert. Es präsentiert sich im elisabethanischen sowie im gotischen «Strawberry Hill»-Stil des 18. Jahrhunderts. Von den 81 Zimmern sind 46 Schlafzimmer, aber nur sechs davon bewohnbar. Die restlichen Zimmer haben sich nach dem Abzug der amerikanischen Armee nach dem Zweiten Weltkrieg nicht verändert. Für Filmaufnahmen werden die Räume jedes Mal aufwendig umgestaltet; der elisabethanische Salon wurde zum Restaurant, und für einen Film verwandelte sich Prideaux Place komplett in ein Fünf-Sterne-Hotel.
Wer genau hinschaut, kann in jeder Pilcher-Produktion, die hier gedreht wurde, den Hausherrn in einer Statistenrolle entdecken. Der prächtige Salon gehört zu den Lieblingsdrehorten der TV-Teams. Aber auch die grossartige Bibliothek im «Regency Gothic»-Stil mit über 6000 Büchern versetzt Besucher ins Staunen. Das Familien-Archiv besitzt Urkunden, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Kein Wunder, dass das ZDF allein im Jahre 2011 vier Filme in dieser einmaligen Kulisse drehte.
Schauplatz vieler Geschichten
Die englische Grafschaft Cornwall ist jedoch nicht nur in den Romanen Rosamunde Pilchers Schauplatz für Liebesschicksale. Auch Daphne du Maurier fühlte sich dieser einmalig zauberhaften Landschaft sehr verbunden. Die Grande Dame des englischen Romans, die bis zu ihrem Tod 1989 an der Südküste Cornwalls lebte, liess fast alle ihre Geschichten in der von ihr heiss geliebten Landschaft spielen, viele mit historischem Hintergrund. «Jamaica Inn», eine Schmugglergeschichte, die im Bodmin Moor spielt, oder «Frenchman’s Creek», eine Piratengeschichte, die in der Umgebung des Helford River angesiedelt ist, sowie «Die Cornwall-Saga» haben eine weltweite Lesergemeinschaft gefunden. Ihr wohl berühmtestes Buch «Rebecca» beginnt gar mit den Worten: «Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in Manderley …», und wahrlich steht auch in diesem Buch Manderley-Menabilly, ein altes Anwesen westlich von Fowey, fast mehr im Vordergrund des Romans als die rätselhafte Titelheldin. 26 Jahre lebte Daphne du Maurier in Menabilly. Im Garten stand ihre «Schreibhütte» mit Blick aufs Meer. Als die Schriftstellerin im Jahre 1989 im nahegelegenen Kilmarth starb, wurde ihre Asche von Gribbin Head aus ins Meer gestreut. Selbst im Tod wollte die Schriftstellerin Cornwall und Menabilly nahe sein.
Auch Jane Austen, Agatha Christie, Thomas Hardy oder Sir Arthur Conan Doyle liessen sich von der einzigartigen Landschaft aus sattem Grün, tosendem Meer, atemberaubenden Steilküsten, traumhaften Stränden und dem Aufeinandertreffen der Kontraste verzaubern. Malerische Dörfchen mit rustikalen Cottages treffen auf endlose Weite und hochherrschaftliche Landsitze. Elegante Badeorte verströmen luxuriöse Gediegenheit, während viele Landsitze und herrschaftliche Hotels – angeblich das Heim von Geistern – oder Dartmoor für wohlige Gänsehaut sorgen. Kein Wunder also, dass viele Gespenstergeschichten hier ihren Ursprung finden und Sherlock Holmes in «Der Hund von Baskerville» die hügelige, nebelige Landschaft Dartmoors erforscht. Zu Ehren der legendären Schriftsteller findet übrigens alljährlich im Mai ein grosses Literaturfestival in Cornwall statt.
Ein sagenumwobener König
Der grosse Geist von König Artus schwebt über England. Viele historische Quellen sprechen übereinstimmend von einem König, der die heidnischen Sachsen in Britannien entscheidend zurückgeschlagen habe. Weder die Schauplätze noch die Person des Artus sind heute eindeutig identifizierbar, doch die Lichtgestalt des siegreichen Artus bot der Weltliteratur genügend Nährboden für viele Geschichten. Das in die Welt des höfischen mittelalterlichen Lebens übertragene Artusepos beflügelt die Phantasien noch heute und die meisten Schauplätze liegen in Cornwall. Als Geburtsort Artus‘ benennt der Geschichtsschreiber Geoffrey of Mommouth im 12. Jahrhundert die Burg von Tintagel. Die Burgruinen auf dem Felshügel in Tintagel stammen zwar überwiegend aus dem 13. Jahrhundert, aber archäologische Ausgrabungen haben die Fundamente einer viel älteren Festung freigelegt. Das belebte Spekulationen, ob der legendäre König hier wirklich geboren sein könnte.
Ganz gleich, was dran sein mag an der Sage, ein Ausflug nach Tintagel Castle ist ein Erlebnis. Ausgrabungen belegen, dass man hier bereits im 5. Jahrhundert gut zu leben wusste; Scherben aus dem Mittelmeerraum zeugen von spätrömischem Luxus und lassen vermuten, dass Öle und Wein importiert wurden. Und auch ohne König Artus ist ein stimmungsvollerer Ort für eine Festung kaum vorstellbar: Ein Teil der Burgruine steht auf einer felsigen Halbinsel, die nur über schwindelerregende Steinstufen erreichbar ist. Tief unten tobt das Meer, und hoch oben pfeift dem Besucher der Wind um die Ohren.
Wildromantische Küsten und Surfer-Eldorado
Ja, es gibt sie, die schneeweissen, einem Reiseprospekt entsprungenen Strände, und das nicht nur in südeuropäischen Gefilden oder exotischen Zielen, sondern auch in England – allerdings nur im Südwesten der Insel. Dramatische Küstenstriche verwandeln sich unerwartet in idyllische Strandbuchten. Kein Wunder, dass dieser Landstrich viele Wochenendsurfer und Prominente mit Zweitwohnsitz anlockt. Egal ob an der Nordküste oder Südwestküste, nicht viele Länder können mit einer derart atemberaubenden Landschaft aufwarten. Und auch wenn einige Strände, besonders in den Sommermonaten, überlaufen sein mögen, bei einer Wanderung auf den Küstenpfaden ist Einsamkeit leicht zu finden. Auf dem South West Coast Path mit etwa 480 Kilometer Länge gibt es mehr als genug zu erkunden. Doch selbst bei kleinen Teilstrecken sollte man genügend Zeit einplanen, denn immer wieder legt man Pausen ein, um die Landschaft zu geniessen oder Fotos zu machen. Besonders, da die Grafschaften Cornwall und Devon mit ihrem beinahe mediterranen Klima das Klischee über das miserable englische Wetter Lügen strafen.
Shortcut
National-Dessert
Zu jedem Cornwall- und Devon-Aufenthalt gehört der Genuss des Cream Tea. Eine Mahlzeit aus leichten scones (weissen, krümeligen Brötchen), hausgemachter Marmelade, Tee und cremiger, aber fester clotted cream – einer Art dicker Rahm, der aus roher Kuhmilch hergestellt wird. Die Milch wird in flachen Pfannen erhitzt und für einige Stunden stehen gelassen. In dieser Zeit sammelt sich der Rahm an der Oberfläche und bildet Klümpchen (lots).Es gibt oft hitzige Debatten, was zuerst auf den scone gestrichen wird: In Cornwall kommt traditionell zuerst die Marmelade, in Devon der Rahm.