
Im Dickicht der Grossstadt: Ein Schweizer in New York
- 13. Januar 2015
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Im Jahre 1935 liess sich der Schweizer Rudy Burckhardt in New York nieder. Fasziniert von der schieren Grösse dieser Metropole, dem Kontrast zwischen monumentalen Wolkenkratzern und dem hektischen Treiben in den Strassenschluchten, begann er, seine Eindrücke fotografisch und filmisch zu verarbeiten. Sein zurückhaltender Blick gilt vorerst den Gebäudedetails entlang den Gehsteigen sowie den zufällig angeordneten Schriftzügen auf Ladenfronten und Reklameschildern. Er ist fasziniert von banalen Objekten wie Abflussrohren und Hydranten und fotografiert sie wie anonyme Skulpturen, in gleichmässigem Licht, fast ohne räumliche Tiefe. Er fotografiert konsequent rechtwinklig zum Hintergrund, ohne sichtbaren Horizont, kontrolliert und streng komponiert, als sei die Stadt sein ganz privates Studio für Sachfotografie. Bald widmet er sich auch den Menschen, die diese Grossstadtbühne bevölkern. Er hält sie ab 1939 mit der Leica in flüchtigen, aber spannungsvollen Momentaufnahmen fest. Dabei vermeidet er bewusst den sozialkritischen Blickwinkel vieler seiner Zeitgenossen und konzentriert sich auf die alltäglichen, immer gleichen Bewegungen der Menschen in der Masse, auf die «Fast-Kollisionen» der meist gesichtslosen Figuren auf der Strasse. Oft ist sein Blick nach unten gerichtet, wiederum jeglichen Horizont vermeidend, um nur die Füsse und Beine der Männer und Frauen ausschnitthaft und in unendlichen Variationen festzuhalten.
Rudy Burckhardts fotografisches Hauptwerk ist in relativ kurzer Zeit in New York entstanden. Es lebt vom Kontrast zwischen einem filmischen Blick auf die Hektik des Lebens und dem forschenden Blick eines Stadtingenieurs, es oszilliert zwischen flaneurhafter Poesie und formaler Strenge. Es ist weder der dokumentarischen noch der sozialkritischen Fotografie, weder der Reportage- noch der Sachfotografie zuzuordnen. Vielmehr eröffnet es eine unvoreingenommene und höchst persönliche Sicht auf die moderne Grossstadt, eine Sicht, die auch heute noch überrascht und fasziniert.