
Hommage an die Kurve
- 29. Mai 2017
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Oscar Niemeyer gehörte zweifelsohne zu den begnadetsten Architekten seiner Generation. Neben seinen weltberühmten Bauten wendete sich der brasilianische Stararchitekt später auch dem Möbeldesign zu. Entstanden ist dabei unter anderem der legendäre Rio Chaise aus dem Jahre 1971, der die unverkennbare Handschrift Niemeyers trägt.
«Der rechte Winkel zieht mich nicht an, und auch nicht die gerade, harte inflexible Linie, die der Mensch geschaffen hat. Was mich anzieht, ist die freie und sinnliche Kurve, die ich in den Bergen meines Landes finde, im mäandernden Lauf seiner Flüsse, in den Wolken des Himmels, im Leib der geliebten Frau. Das ganze Universum ist aus Kurven gemacht.» Mit diesen, seinen Worten ist das Schaffen Niemeyers in seinem Kern bereits beschrieben. Seine Abneigung gegen gerade Linien zeigte sich in Kirchen, die wie Erdhügel aussahen, und in Museen, die wie futuristische Ufos erschienen. Monumentale Bauten, für die er sich zeitlebens von der Natur und den Rundungen des weiblichen Körpers inspirieren liess und die als imposantes Zeugnis für seine Abneigung gegen jegliche lebensfeindliche und rein zweckdienliche Architektur standen.
Eine Ikone des Möbeldesigns
Politisch war der 1907 in Rio de Janeiro geborene Niemeyer ganz weit links einzuordnen. Eine Tatsache, die den bekennenden Kommunisten zwang, nach einem Militärputsch im Jahre 1967 vor der brasilianischen Militärdiktatur vorübergehend nach Paris zu fliehen. 1971, noch während seiner Zeit im Exil, begann sich der Ausnahmearchitekt das erste Mal mit dem Design von Möbeln zu beschäftigen. Auch wenn seine Zuwendung zum Möbeldesign erst spät kam, sollte dies dennoch ein wichtiger Teil seines Schaffens werden. Ein Teil, den er selbst als Erweiterung seiner Architektur verstand. In seinem legendären Rio Chaise, den er 1978 mit seiner Tochter Ana Maria Niemeyer in Paris schuf, spiegelt sich seine unverkennbare Handschrift wider. Futuristisch geschwungen und doch von einer zeitlosen Eleganz, die das Lebensgefühl des modernen Brasiliens seiner Zeit transportierte und gleichermassen der Anatomie des Menschen in beispielloser Manier Rechnung trug. Gefertigt wurde das Original aus verleimtem und schwarz lackiertem Schichtholz und handgeflochtenem Bast für die Sitzfläche. Mit seinen sinnlichen Formen und seiner in der Höhe verstellbaren Nackenrolle erinnert der Rio Chaise ebenso an vorangegangene Klassiker wie beispielsweise Thonets Schaukel-Liege Nr. 7500, die dieser 1884 produzierte, aber auch an Breuers ikonischen Isokon Long Chair.
Der Maestro
Nach seinem Studium an der Escola Nacional de Belas Artes wurde Oscar Niemeyer Assistent von Le Corbusier, der einen grossen Einfluss auf sein Schaffen haben sollte. Niemeyer selbst revolutionierte durch die erstmalige Verwendung von Stahlbeton die moderne Architektur und schuf, bis zu seinem Tod am 5. Dezember im Jahre 2012, rund 600 Bauten von monumentaler Strahlkraft. Weltruhm erlangte der Stararchitekt auch durch den Entwurf einer kompletten Stadt: Alle öffentlichen Gebäude der 1957–1964 errichteten brasilianischen Planhauptstadt Brasilia stammen von ihm, womit er der einzige Architekt war, dessen Entwurf noch zu Lebzeiten zum Weltkulturerbe ernannt wurde.
«Wenn man sich nur über die Funktion eines Gebäudes Gedanken macht, stinkt das Ergebnis.»
– Oscar Niemeyer –
«Die Architektur besteht aus Traum, Phantasie, Kurven und leeren Räumen.»
– Oscar Niemeyer –
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