Heather Graham – Die schlaue Barbie
- 28. März 2013
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Ihre Eltern wollten, dass sie Nonne wird. Doch Heather Graham hat lieber als leichtbekleidetes Blondchen Kinokarriere gemacht. Abseits der Kamera verblüfft der «Hangover»-Star allerdings als clevere Geschäftsfrau. Blonde Mähne, blaue Kulleraugen, waffenscheinpflichtiges Dekolleté: So begrüsst der Hollywoodstar den Prestige-Reporter im Nobelhotel Dolder. Heather Graham ist in die Schweiz gereist, um beim Zurich Film Festival das Drama «At Any Price» vorzustellen. In dem Rennfilm steht die 43-Jährige an der Seite von Veteran Dennis Quaid und Kinoschnüggel Zac Efron. Zwei illustre Filmpartner mehr, neben denen sie wieder eine gute Figur gemacht hat. Denn die Liste ihrer Co-Stars ist lang: die Lady aus Milwaukee/USA drehte schon mit Celebrities wie Johnny Depp («From Hell»), Will Smith («Six Degrees of Seperation»), Robert Downey Jr. («Two Girls and a Guy»), Eddie Murphy («Bowfinger»), Liev Schreiber («Scream 2»), William Hurt («Lost In Space»), Mike Myers («Austin Powers: The Spy Who Shagged Me»), Kevin Spacey («Father of Invention»), Anthony Hopkins («Bobby»), Keanu Reeves («Even Cowgirls Get the Blues») und? Jack Nicholson («Anger Management»). ?
Durchbruch mit Pornodrama «Boogie Nights»
Das erste Mal auf der Leinwand aufgefallen ist die Amerikanerin im Indiedrama «Drugstore Cowboy» (mit Matt Dillon). Was zeichnet ihren damaligen Boss, den Regisseur Gus Van Sant («Good Will Hunting»), aus? Heather denkt nach, dann sagt sie: «Er weiss, wie man eine Geschichte erzählt. Mir gab er nicht viele Anweisungen. Ich glaube, er dreht genug Material, dass cool aussieht und pickt sich dann die besten Stückchen heraus.» Der Film, der ihre Karriere richtig ins Rollen gebracht hat, war «Boogie Nights» (1997). Darin verkörperte sie das «Rollergirl»: eine junge Pornodarstellerin, die bei Dreharbeiten und auch sonst immer auf Rollerskates herum kurvte. Der Streifen erzählt die Geschichte von Pornolegende John Holmes (gespielt von Mark Wahlberg) – und die Kritiken waren fantastisch. Nach diesem Kinohit lächelte Heather unter anderem vom Cover des Rolling Stone-Magazins: ein neues Sexsymbol war geboren! Ab dann flatterten auch die Drehbücher stapelweise ins Haus. Mittlerweile ist sie fast schon 30 Jahre im Business. Doch altern tut sie nicht. Heather ist gerade 43 geworden, doch sie sieht nicht älter aus als 25. Gefragt nach ihrem Beautygeheimnis, nennt sie Yoga und Medititation. «Zum Glück bin ich noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem ich über Schönheitsoperationen nachdenken müsste – allein die Vorstellung lässt mich schaudern. Ich finde es viel schöner, wenn Menschen auf natürliche Weise altern. Abgesehen davon koche und esse ich gern. Nur das Dessert lasse ich jeweils weg.» Zum Meditieren gebracht hat sie der exzentrische Regisseur David Lynch («Mulholland Drive»). «Er hat mir seinen Lehrer weiterempfohlen, der brachte es mir bei – ich meditiere immer noch jeden Tag. Es gibt mir ein ungeheuer intensives Gefühl von Friedlichkeit und es ist die beste Methode, um Stress abzubauen.»
David Lynch förderte sie als einer der Ersten. Als sein Stern gerade am Aufsteigen war, drehte er viele Werbespots – auch für Calvin Klein. In einem davon spielten Benicio Del Toro und Heather Graham mit. Lynch lud die Blondine anschliessend zu sich nach Hause ein. «Er führte mich in den Garten hinter seinem Haus, um mir sein neustes Kunstprojekt zu zeigen. Auf dem Gras lag ein ausgeweideter Truthahn, der mit Ameisen übersäht war. Und David sagte: ‚Ich glaube, ich mache jetzt Fotos davon’.» Der Regisseur drehte damals auch die bejubelte Mysteryserie «Twin Peaks» (1990–1991). Und er wollte Heather dafür gewinnen. Vorsprechen musste sie aber nie. Lynch verwickelt potentielle Kandidaten für eine Rolle in der Regel in ein Gespräch. Gefällt ihm, wie sie sich dabei geben, ist das Casting beendet. Also spielte die damals 21-Jährige in «Twin Peaks» die Geliebte eines FBI-Agenten. Das ist insofern ironisch, weil ihr Vater beim FBI arbeitet.
Rollenwahl führte zu Streit mit Eltern
Wegen seines Jobs mussten die Grahams laufend umziehen. In der Schule war Heather nie beliebt: denn sie sprach kaum und war körperlich ein Spätzünder. Nur im Theaterunterricht machte das schüchterne Mädchen den Mund auf. Schauspielerin zu werden war ihr Traumberuf, ihrer Familie gefiel das aber gar nicht. Sie hätte lieber gesehen, dass ihre älteste Tochter Nonne wird. Mit der Pornorolle in «Boogie Nights» eskalierte der Streit endgültig – und beide Seiten sprachen nicht mehr miteinander.
Obwohl Heather Graham oft das frivole Betthäschen verkörpert hat, füllt sie jeden Part mit einer Qualität, die viele ihrer Kolleginnen vermissen lassen: Und das ist eine fast schon kindliche Begeisterung. Deswegen bringt die Amerikanerin auch immer – egal, was sie spielt – die Leinwand zum Leuchten.
Doch ein Hollywoodstar zu sein, bedeutet nicht nur Glitzer und Glamour. Manchmal drischt die Presse auf einen ein oder es gibt lange keine neuen Jobangebote. Heather Graham kennt diese Durststrecken auch. «Das Movie-Business hat seine Schattenseiten», sagt sie. «Manchmal dreht man Filme, die man selber toll findet – doch niemand sieht sie sich an.» Auf der anderen Seite hat man als Teil der Promiwelt plötzlich auch jede Menge neuer Kumpels. Bewusst geworden ist ihr das beim Filmfestival von Venedig. Auf einer Party trafen sie und ihre zwei Freundinnen per Zufall Bono von U2. Der sagte spontan: «Lasst uns zusammen ausgehen.» Also folgten sie ihm in einen Club und tanzten zusammen. Ein paar Stunden später nahm er die Drei mit auf seine Yacht, wo sie weiter feierten. «Und irgendwann zwischendurch sagte ich zu mir selber. ‚Ich bin wirklich eine Schauspielerin geworden und mache gerade Party mit meinen Freundinnen und Bono.’ Ist das nicht schräg?»
Neuer Karriereschub dank «Hangover»
Eine ganz neue Generation von Fans dazu gewonnen hat die Actrice dank der deftigen Komödie «Hangover». Darin dreht sich alles um einen Junggesellenabschied in Las Vegas, der dermassen ausartet, dass alle Beteiligten am Morgen danach einen Aussetzer haben. Beim mühsamen Rekonstruieren der letzten Nacht findet die Truppe um sexiest-man-alive Bradley Cooper unter anderem heraus, dass einer von ihnen im Suff eine Stripperin geheiratet hat. Diese hätte eigentlich die 16 Jahre jüngere Lindsay Lohan spielen sollen. Dass die Zicke absagte, war Heathers Glück. Denn die beiden «Hangover»-Filme spielten zusammen weit mehr als 1 Milliarde US-Dollar ein.
Neben den bekannten Hauptdarstellern – jeder mittlerweile mit einem Salär von 15 Millionen Dollar – ist auch Graham im dritten und letzten Teil wieder mit von der Partie. Über «Hangover 3» darf sie zwar keine Details verraten, aber wie es ist, in Stripclubs und mit einem unzufriedenen Baby zu drehen, schon. Um als professionelle Stangentänzerin durchzugehen, nahm die Schauspielerin extra Unterricht. «Ich absolvierte einen speziellen Stangentanz-Kursus – er hiess ‚Der Arschfaktor’. Das ist kein Witz», sagt Heather Graham. «Doch es zahlte sich aus. Als mich eines der Profigirls beim Trainieren im Club fragte, ob ich auch hier arbeiten würde, empfand ich das als riesiges Kompliment.» Weniger toll gestalteten sich die Szenen mit ihrem winzigen Co-Star – einem Baby. «Sechs Säuglinge teilten sich die Rolle. Vier davon waren total süss und zwei der Horror.» Die schwierigste war die Stillszene – weil sich der Knirps partout nicht für Heathers fremde Brüste interessierte. Also hampelte die halbe Crew mit Rasseln und Stofftieren hinter der Schauspielerin herum, damit das Baby wenigstens einmal den Kopf in deren Richtung reckte. Graham: «Dieser Drehtag dauerte 17 Stunden …»
Ihr Wunsch-Polterabend wäre am Strand
Das einzige Mädel in mitten einer Horde durchgeknallter Jungs zu sein, gefällt der 43-Jährigen. «Ich habe mich schon immer gerne mit Männern umgeben, weil ich nie Brüder hatte. Als Frau ist es ein schönes Gefühl von der ganzen Truppe beschützt zu werden.» Mit dem Hangover-Prinzip, sich bis zum Filmriss zu zu dröhnen, kann Heather allerdings nichts anfangen. Sie war nie ein Partygirl, auch nicht als Teenager. Deshalb ist für sie die Vorstellung eines wilden Junggesellinnenabschieds ein Greuel. «Ginge es nach mir, würde ich am liebsten mit meinen Freundinnen an einem Strand liegen. Ich weiss, ich bin total langweilig …» Sie erinnert sich aber an den Polterabend ihrer besten Freundin, bei dem es ziemlich heiss zu und her ging. «Irgendwann tauchte die Polizei auf und wollte die Gäste festnehmen, aber die Braut brüllte: ‚Verpisst euch! Sonst verklage ich euch! Ich bin Anwältin!’ Dabei steckte sie damals noch mitten im Jurastudium …»
Geht man ihre Filmografie durch, fällt auf, dass sie fast ein halbes Dutzend Mal eine Frau gespielt hat, die mit Sex ihren Lebensunterhalt verdient. Keine Befangenheit deswegen? «Wenn es eine starke Rolle ist oder der Film nach Spass aussieht, dann habe ich keine Vorbehalte», sagt sie. «Ich wünschte mir aber grundsätzlich, dass es mehr Filme gäbe, die Frauen in ihren Mittelpunkt stellen. Dass zum Beispiel eine Komödie wie ‚Bridesmaids’ eine Finanzierung bekam, ist ein gutes Zeichen.»
Ratschläge von Kollegin Drew Barrymore
Um dem Hollywoodsystem nicht komplett ausgeliefert zu sein, entwickelt Heather Graham immer wieder eigene Stoffe als ausführende Produzentin. Tipps hat sie sich bei Kollegin Drew Barrymore geholt. «Für romantische Komödien kriegt man das Geld am Schnellsten zusammen», sagt Heather. «Bei Dramas wird es schon viel schwieriger.» Zu ihren letzten Projekten gehört unter anderem das gut gemachte Drama «About Cherry». Darin geht es um ein 18-jähriges High School-Girl (überzeugend – Ashley Hinshaw), das in die Pornofilmszene hineinschlittert. Graham spielt in der geschmackvollen und alles andere als billigen Produktion eine lesbische Filmproduzentin.
Das unterstreicht einmal mehr, dass sie alles andere als prüde ist. Sie lacht: «Sex ist etwas natürliches und durchaus auch eine sehr witzige Angelegenheit. Über Sex sollte man lachen können! Und ich liebe es, vor der Kamera einen Orgasmus vorzutäuschen. Ich würde zu gern mal eine Sexkomödie aus weiblicher Sicht drehen. Doch für mein Geschlecht gelten in Hollywood-Komödien immer noch gewisse sexuelle Grenzen. Ich fände es toll, wenn ich diese Schranken einreissen könnte.»
Promi-Dates im Geheimen
Weil sie wenig ausgeht und keinen hohen Männerverschleiss hat, taucht Heather’s Gesicht selten in den Klatschheften auf. Das gefällt ihr. «Auch wenn mal was Nettes geschrieben wird, mache ich einen Bogen um solche Magazine. Ich will mich nicht davon beeinflussen lassen.» Das heisst aber nicht, dass sie als VIP uninteressant wäre – immerhin war sie schon mit Russell Crowe, Heath Ledger, Matt Dillon, Edward Burns, Josh Lucas, Benicio Del Toro, Adam Ant, Kyle MacLachlan und Matthew Perry liiert. Aber nur fotografieren lässt sie sich beim Turteln halt nie.
Zitate von Heather Graham:
«Zum Glück bin ich noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem ich über Schönheitsoperationen nachdenken müsste»
«Ich liebe es, vor der Kamera einen Orgasmus vorzutäuschen.»