
Hazans Turbo Loft
von Hermann Köpf; Titelbild: Hermann Köpf
- 20. September 2017
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Mit dem Umbau einer fast 40 Jahre alten Ducati 860 GT beweist Maxwell (Max) Hazan wieder einmal aufs Neue, dass er einer der wenigen Customizer ist, deren Kreationen nicht nur optisch, sondern auch technisch auf höchstem Niveau liegen.
In seinem früheren Leben arbeitete Hazan als Innenarchitekt und lernte als Kind sein Handwerkszeug von seinem Vater, einem renommierten Bootsbauer. Aufgewachsen ist er an der Ostküste der Vereinigten Staaten und bastelte eigentlich schon immer an seinen Motorrädern herum, zuerst an Enduros und Motocrossern und später an Strassenmaschinen, die er ständig optimierte. Dann baute er Motorräder seiner Freunde um, und als ihn sein Vater eines Tages beim Mittagessen fragt, warum er sich nicht gänzlich aufs Motorradbauen spezialisiert, legt dies seinen internen Blockadeschalter um. Gesagt, getan, er mietet sich in der Nähe seines Apartments in Brooklyn eine fensterlose Werkstatt an und stürzt sich in das Abenteuer, endlich das tun zu können, was ihm wirklich Freude bereitet. Ein paar Jahre baut er von dort aus Bikes und entwickelt eine eigene Handschrift, bevor er ein Mädchen kennenlernt und mit ihr ins immer-sonnige Kalifornien übersiedelt.
In analoger 3D-Manier
Im Fashion-District von Downtown Los Angeles findet er im zweiten Stock eines alten Industriegebäudes einen zwar kleinen, aber dafür hellen Raum, von dem aus er nun seinem Traumjob nachgehen kann. Zwar ist es kein 9-to-5, sondern viele Arbeitsstunden mehr. Denn endlich kann er tun, was er will, sich komplett auf seine Ideen und Kreativität stürzen. In der Mitte des Raumes stellt er einen grossen Werktisch auf, rundherum sind die notwendigsten Maschinen und Werkzeuge platziert. Seine Projekte beginnen eigentlich immer auf dieselbe Weise: Nach wochenlanger gedanklicher Planung platziert er den jeweiligen Motor als Herzstück auf dem Tisch, klemmt Kartons zwischen einen Hilfsrahmen hinter den Motor und skizziert, sozusagen in analoger 3D-Manier, die künftige Rahmen- und Fahrwerksform. Danach wird um den Motor herum der Rahmen gebogen und geschweisst, werden die Fahrwerkselemente konstruiert. Mit Modellier-Schaumstoff formt er die Tank- und Sitzform, bevor diese schliesslich gedengelt, getempert, gewalzt werden.
Hazan ist einer der wenigen Motorrad-Handwerker auf der Welt, die ein sehr ausgeprägtes Gespür für Ästhetik und Formsprache entwickelt haben, verschiedenste Materialien mit ihren spezifischen Aussehen kombinieren können und dabei ihrer Maxime – ein Motorrad muss stets fahrbar sein – dennoch treu bleiben. Bei seinen Kreationen finden geölte Palisanderholz-Sitze mit eingearbeiteten Inlays ebenso Verwendung wie transparente Acryl-Behälter, die als Öl-Tank dienen, wie er sie letztes Jahr der sagenhaften BSA 500 integriert hatte. Viele seiner Arbeiten lassen Steampunk-Anleihen erkennen, die aber nicht verspielt, sondern klar und gut proportioniert in ihrer Formsprache sind. Ähnlichkeiten zu historischen Boardtrack Racern sind bei einigen seiner Werke auch nicht zu übersehen. Zu seiner Kundschaft zählen Sammler und Museen, die seine Arbeiten schätzen und hochdotiert in Auftrag geben. Custombikes auf diesem Level zu bauen, ähnelt dem Kunstmarkt – zumindest was aufgerufene Preise und den Handel damit anbelangt.
Die Königswellen-Idee
Denn mittlerweile gehen bereits kurz nach Veröffentlichung erster Projektfotos auf sozialen Medien wie Instagram und Facebook erste Kaufanfragen bei ihm ein, was ihm bei der Vorfinanzierung von Material und der unzähligen Arbeitsstunden hilft, ohne Druck arbeiten und seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Oder es gibt konkrete Auftragsarbeiten, die mit einer Idee und nötigem Kleingeld zu ihm kommen. Wie zuletzt bei der Königswellen-Ducati. Ein junger englischer Sammler und Ducati-Lover, der schon die 900er mit Monster-Motor von ihm abgekauft hatte, kam mit der Königswellen-Idee zu ihm. Eine quietsch-gelbe GT 860 wurde in LA ausfindig gemacht und diente als Spenderbike, wovon letztendlich aber nur der Motor verwendet wurde. Als dieser Gentleman bei einem der vielen Telefonate noch mit der Turbo-Idee ankam, war das Konzept schnell klar und wurde flugs ausgeführt – oder zumindest damit begonnen. Denn wie so oft liegt der Teufel im Detail, und so wird der Bau der Turbo-GT zu einer etwas längeren Angelegenheit für Maxwell.
Ohne Licht und ohne Blinker
Drei Mal muss Maxwell im Laufe der Arbeiten den Motor komplett auseinandernehmen, weil Schäden zu beheben, eine stärkere Kupplung oder besserer Zündfunken nötig wurden. Zwei unterschiedliche Turbolader kamen zum Einsatz, bis der Motor endlich so läuft, wie er sich das vorstellt. Ganz zu schweigen von den unzähligen Schwarzfahrten sonntags morgens auf der Interstate 110, wo er an die 30 Bedüsungs-Kombinationen des Weber-DCOE-40-Doppelvergasers in Kombination mit dem Garrett-GT15-Turbolader testet. «Der Highway ist sonntags morgens wenig befahren und ideal, um auch mal die Power des Aggregats richtig testen zu können», meint der sympathische Max und fügt hinzu, dass die Strafzettelanzahl sich im Rahmen bewegt, da die kalifornische Polizei gern mal ein Auge zudrückt, wenn derartige Augenweiden ohne Licht und ohne Blinker an ihnen vorbeihuschen.
Bei der ersten öffentlichen Präsentation der Turbo-Ducati, während der Hand-Built-Show in Austin, Texas, war das Interesse von Presse und Publikum, wie zu erwarten, enorm hoch. Seine Motorräder setzen weniger Trends, sondern sind vielmehr als Statements zu verstehen, was im Motorradbau technisch und visuell möglich ist. Obwohl das Fahrzeug, ähnlich seiner früheren 900er mit Monster-Motor, eher eine sportliche Rennmaschinen-Optik verfolgt, sind die Detaillösungen und deren handwerkliche Umsetzung in der Champions League anzusiedeln. Hazan ist Künstler und Handwerker in einer Person, mit seinen Bikes mixt er gekonnt eine klassische und eher zurückhaltende Design-Sprache mit kreativen und modernen technischen Lösungen. Es kommt eben auf mehrere Faktoren an: kreativ zu sein und dies dabei auch noch handwerklich hochwertig und mit visuellem Verständnis umzusetzen.
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- Königswellen-Ducatis haben es Maxwell Hazan angetan. Hier sein daily-ride, eine SD Darmah 900. Foto: Hermann Köpf
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- Von Hand gedengelter Aluminium-Tank für die Turbo-GT mit integrierten Kontrollanzeigen. Foto: Hermann Köpf
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- Eine seiner ersten Kreationen hat er sich in seiner Werkstatt im Fashion District von Los Angeles an die Decke gehängt. Foto: Hermann Köpf
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- Von der Ducati GT 860 sind nur noch der Motor und die Vordergabel geblieben, alles andere wurde neu aufgebaut. Foto: Hermann Köpf
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