Haute Cuisine auf hoher See
- 20. Mai 2014
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Bei einer Fahrt auf der Silver Spirit hatten wir Gelegenheit, uns von der kulinarischen Ausnahmestellung der italienischen Luxusrederei zu überzeugen.
Klein, aber fein
Gerade einmal 500 Passagiere fasst das elegante Flaggschiff der vier Kreuzfahrer, ein zur Silversea-Flotte zählender Explorer, der uns im geschäftigen Hafen von Civitavecchia am Pier erwartet. Andere Reedereien bringen auf Schiffen vergleichbarer Grösse dagegen schon einmal 1 000 Gäste oder mehr unter. Doch während man sich bei der Konkurrenz schon beim Boarding im Schlange-Stehen üben muss, werden wir bei Silversea noch vor dem Check-in mit einem Glas Champagner begrüsst und innerhalb weniger Minuten direkt zu unserer Veranda-Suite auf Deck 8 gebracht. Das ist bei Silversea kein besonderer Luxus, sondern Standard, denn die Reederei verfolgt ein «Suites only»–Konzept. Normale Kabinen gibt es nicht.
Doch dann die erste Enttäuschung, die allerdings nicht wir erleben, sondern unser Butler Rudolfo, er gehört im Übrigen auch zur Standardausstattung: Als er kurz nach dem Einchecken dezent an unsere Kabinentür klopft, haben wir unsere Koffer schon selbst ausgepackt. Nur durch unser heiliges Versprechen, dass er sie wenigstens bei unserer Abreise wieder einpacken darf, lässt er sich beruhigen und serviert alsbald formvollendet ein Fläschchen eisgekühlten Heidsieck Monopole. Während wir den goldgelben Nektar aus edlen Kristallgläsern schlürfen, erklärt uns Rudolfo die Ausstattung unserer Suite und die wichtigsten Bordabläufe.
Anschliessend wird es ernst: Wir steuern den Stars Supper Club an, in dem am Abend normalerweise zu Live-Jazz Degustationsmenüs im Tapas-Format serviert werden. Doch jetzt, am Nachmittag des ersten Reisetages, ist hier die «Reservierungszentrale» für diverse Restaurants der Silver Spirit aufgebaut. Schliesslich haben wir nur eine Woche Zeit. Maitre Gustavo, den wir zwei Tage später als Sommelier und Gastgeber im exklusiven Silversea Relais & Châteaux-Gourmetrestaurant «Le Champagne» wiederbegegnen, gibt Insidertipps und liest uns jeden Wunsch von den Augen ab. Am Ende stellt sich heraus, dass wir bei einer siebentägigen Kreuzfahrt gerade ein Mal im Hauptrestaurant speisen werden – alle anderen Abende verbringen wir in Spezialitätenrestaurants und beim obligatorischen Midcruise-Barbecue auf dem Pooldeck – eine absolutes Highlight.
Das Ultra-all-inclusive-Konzept
Zum Einstieg haben wir einen Tisch im «The Rocks» oberhalb des Poolbereichs reserviert. Dort werden am Abend al fresco saftige Filets und Rumpsteaks aus Nebraska, gewaltige New England Kalbskoteletts oder Riesengarnelen aus Madagaskar auf glühend heissen Lavasteinen serviert. Die werden vom Service direkt am Tisch kunstvoll auf den heissen Stein drapiert und jeder Gast kann das Ganze so lange brutzeln lassen, bis es seinen persönlichen Vorlieben entspricht. Dazu gibt es Bearnaise, Pfeffersosse, frische Steinpilze, Ofenkartoffeln und Gemüsespiesse. Wir entscheiden uns für das Kotelett, das uns fast die Tränen in die Augen treibt, so zart, saftig und wohlschmeckend präsentiert sich das delikate Kälbchen. Vorneweg ein klassischer Caesar Salad und zum Abschluss noch ein lauwarmer Apple Pie mit hausgemachter Vanilleeiscreme und schon ist der erste Tag an Bord nach einem letzten Drink in der Panorama Lounge vorbei. In der Suite dann die entscheidende Frage: Sollen wir am nächsten Morgen in der Kabine frühstücken, im Hauptrestaurant á la Carte ordern oder uns im «La Terrazza» auf Deck 7 am Büffet bedienen? Wir entscheiden uns für das Büffet. Das Einzige, was man hier selbst tun muss, ist, sich die kleinen Köstlichkeiten vom schottischen Räucherlachs über frische Pastrami, edelste Käsespezialitäten oder ofenfrisches Brot- und Gebäck sowie frisches Obst und süsse Beeren auf den Teller zu laden. Aber selbst das nimmt einem das dienstbare Personal auf Wunsch gerne ab. Wer wie wir selbst zugreift, dem wird von den Servicekräften am Ende, aber sofort mit einem freundlichen, aber bestimmten Lächeln der Teller entwunden und formvollendet an den Tisch gebracht. Dazu ein Tässchen Illy-Cappuccino oder edler Ronnefeldt-Tee, frisch gepresster Orangensaft, ein Smoothie, Fitnessdrink oder Champagner, Eggs Benedict, Eiweisssoufflé oder frisch gebackene Waffeln? Alles kein Problem und Teil des Ultra-all–inclusive-Konzeptes von Silversea – freilich auf 5- oder sagen wir mal 6-Sterne-Niveau.
Speisen wie die Götter
Zum Lunch besuchen wir dann das «Seishin». Dieses Spezialitätenrestaurant auf Deck 4 serviert am Mittag Misosuppe, Sushi, Sashimi und Tempura – alles vom Chef vor den Augen der Gäste frisch zubereitet. Am Abend verwandelt sich das Etablissement dann in ein japanisches Spezialitätenrestaurant, in dem erlesene Degustationsmenüs angeboten werden. Sie bieten von Kaviar-Sorbet über pochierte Austern, Seeigel, Water Spider Rolls und Soft Shell Crabs bis Kobe-Beef und werden auf Wunsch von ausgewählten Sake-Spezialitäten begleitet. Doch bevor es soweit ist, steht am Nachmittag gegen 16 Uhr noch der tägliche High Tea auf dem Programm. Dazu werden kleine Köstlichkeiten aus der Patisserie und feine Lachs-, Roastbeef-, Ei- und Gurkensandwichs auf einer Etagere gereicht, die einem Sprüngli in der Züricher Bahnhofstrasse ernsthafte Konkurrenz machen könnten. Ausserdem lauwarme Scones mit Clotted Cream, die jeden Briten in Verzückung versetzen würden. Der Tee stammt aus der exklusiven Teestar-Kollektion von Ronnefeldt, die es sonst nur in handselektierten 5-Sterne-Hotels gibt. Wir schwören auf den Ti Dung Oolong – schliesslich soll der schlank machen … Auch hier darf natürlich das ein oder andere Gläschen Champagner nicht fehlen. Den ersten Hafen unserer Reise – Livorno – haben wir ob all der Genüsse glatt verpasst. Aber wer will dieses schwimmende Schlaraffenland schon freiwillig verlassen?
Der Chef ist eine Frau
An der Spitze der 63-köpfigen Küchenbrigade der Silver Spirit steht Anne Marie Cornelius, im harten Kreuzfahrtgeschäft eine absolute Ausnahme. Aber die sympathische 38-jährige Südafrikanerin führt die Galley mit einer Souveränität, als wäre sie schon seit mehreren Jahrzehnten im Geschäft. Bei einer Tour durch die Eingeweide der Silver Spirit erklärt sie uns, wie aufwendig es ist, auf einem Schiff einen dermassen hohen Standard zu halten, wie er bei Silversea selbstverständlich ist. Im Hintergrund schwärmt derweil eine ganze Armada von Butlern und Servicekräften wie ein emsiges Bienenvolk mit silbernen Tabletts, auf denen sich die Bestellungen türmen, herum – ein 24-Stunden-Room-Service ist bei Silversea natürlich ebenfalls obligatorisch und wie fast alles «complimentary». Apropos Roomservice: Neben dem Frühstück kann man sich auch alle anderen Mahlzeiten oder Getränke, die irgendwo auf dem Schiff angeboten werden, in der Suite servieren lassen – Gang für Gang. Zu den persönlichen Favoriten von Anne Marie gehören Ausfüge zu lokalen Märkten, zu denen sie auch gerne mal eine kleine Gruppe von Gästen mitnimmt. Dann werden lokale Spezialitäten probiert und manches, was bei diesen Touren im Einkaufskorb landet, findet sich am Abend wieder auf der Karte.
Wir haben mittlerweile Nizza hinter uns gelassen und nehmen Kurs auf Menorca. Heute Abend haben wir im Le Champagne reserviert. Dieses in Kooperation mit Relais & Châteaux betriebene Luxusrestaurant treibt die kulinarischen Eskapaden bei Silversea auf die Spitze. Bei Kaviar und Hummersalat, Steinbutt, Gänseleber, Jakobsmuscheln und Taubenbrust kommen wir endgültig im kulinarischen Nirwana an. Die auf einer speziellen Connaisseurliste angebotenen Weine sind so fair kalkuliert, dass manche Flaschen im Laden teurer sind als an Bord. Wir wählen als Menübegleitung einen herausragenden 1996er Nec Plus Ultra Champagner von Bruno Paillard, der selbst an Land nur sehr schwer zu bekommen ist. Aber auch Krug oder Dom Pérignon stehen natürlich auf der Karte genau wie Château Margaux oder Château Yquem. Wem das alles ein wenig zu viel ist, wählt dagegen einen Tisch im «La Terrazza». Das verwandelt sich täglich zur Dinnerzeit in ein veritables Slow-Food-Restaurant, in dem mit authentischen Slow-Food-Zutaten italienische Küchenkunst auf Top-Niveau zelebriert wird. Unbedingt probieren: hausgemachte Pappardelle mit Entenragout, ein Signature Dish bei Silversea – besser geht es nicht! Dazu ein Fläschchen Sassicaia, Ornelleia oder ein Barolo von Gaja und der Abend wird zum Fest. Als wir uns schliesslich mit Palma der vorletzten Station unserer Reise nähern, wird es Zeit für das Barbecue – dazu wird das Pooldeck der Silversea in eine einzige Büffet- und Party-Area verwandelt und unter funkelnden Sternen gibt es von Sushi bis Spanferkel frisch vom Grill so ziemlich alles, was einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Nach dem Essen wird das Deck zu einem Open-Air-Dancefloor und die mehrheitlich amerikanischen Gäste zeigen den wenigen Europäern an Bord erst einmal, wie man richtig feiert! Bordsprache ist übrigens Englisch, aber es gibt auch zahlreiche Mitarbeiter an Bord, die hervorragend Deutsch sprechen.
Völlerei mit Folgen …
Mittlerweile haben ich und meine Begleitung zusammen schon fast drei Kilo zugelegt – trotz morgendlicher Joggingrunden um das Oberdeck und ausgiebigen Besuchen im bordeigenen Fitnesscenter. Zum Glück bietet der exklusive Silversea Spa auch effektive Slimming Treatments.
Ach ja, wir haben Rudolfo natürlich doch noch glücklich gemacht. Einen ordentlicher gepackten Koffer haben wir noch nie gesehen! Chapeau! Deshalb: Leinen los!