Gut gebunden ist halb gewonnen – Die kleine Krawattenlehrstunde
- 8. Oktober 2012
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Man hasst sie oder man liebt sie. Es gibt Männer, die haben mehr von ihnen im Schrank, als Frauen Schuhe oder Taschen besitzen. Seit über 350 Jahren schmückt sie den Hals des Mannes – die Krawatte. Die Geschichte der Krawatte beginnt mit dem 30-jährigen Krieg (1618–1648) mit der Ankunft der kroatischen Söldner in Frankreich. Diese Söldner wurden von Ludwig dem XIV., dem Sonnenkönig, angeheuert. Ihre militärische Tracht beinhaltete ein Stück weissen Stoffes (hravatska genannt), das am Kragen in Form einer Rosette befestigt wurde. Die Enden hingen über der Brust. Diese Bekleidung gefiel den Franzosen so sehr, dass sie diese Mode in ganz Europa verbreiteten. Sie wurde croatta oder auch Krawatte genannt. Diese ersten Krawatten waren schwer zu binden und hatten kaum Ähnlichkeit mit den heutigen Krawatten. Sie glichen vielmehr schlaffen Fliegen. Die moderne Krawatte kam erst im 19. Jahrhundert in England zum Vorschein.
Der Binder als politisches Statement und Zeichen der Emanzipation
Doch Krawatten waren nicht nur modische Accessoires, sie dienten in Zeiten der Französischen Revolution als Statussymbol für Macht und brachten die eigene politische Überzeugung zum Ausdruck. So trugen die Revolutionäre eine schwarze, während die Gegner der Revolution eine weisse Krawatte trugen. Interessant ist auch das Verhältnis der Frauen zur Krawatte. Die ersten Emanzen wie die Schriftstellerin George Sand und die berühmte Kurtisane und Schauspielerin der Pariser Belle Époque Émilienne d’Alençon trugen die Krawatte als Zeichen ihrer Rebellion gegen die männliche Vorherrschaft. Die Krawatte wurde Zeichen des Strebens nach Gleichberechtigung. Mit dem Zeitalter der industriellen Revolution veränderte sich das Bild der Krawatte radikal. Mit der Industrialisierung ging ein grosser Teil des Modebewusstseins infolge Zeitmangels verloren. Niemand hatte mehr Zeit für komplizierte Knoten und Schlingvarianten, ausserdem mussten immer mehr Angestellte eine Krawatte tragen. Damals entstand der noch heute aktuelle Langbinder. In England nannte man ihn Four in Hand, nach dem Knoten, mit dem die Zügel der Vierspänner verbunden waren. Seine endgültige komfortable Form bekam er aber erst in den 1920er Jahren, nachdem der Amerikaner Jesse Langsdorf auf die Idee kam, die Krawatte diagonal zum Fadenlauf zu schneiden und in drei Teilen zusammenzunähen. Nach einigen modischen Spielereien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von breit bis schmal wurde die Krawatte in den 60er Jahren Synonym für Spiessertum, Bürokratie und bourgeoises Establishment und somit völlig verachtet. Erst nachdem die 68er Generation selbst zum Establishment gehörte, wurde auch die Krawatte wieder modern. Heute gehört sie wieder zum guten Ton. Mit einer Krawatte setzt man Signale. Durch die Auswahl der richtigen Krawatte macht man einen bestimmten Eindruck auf seine Umgebung.
Erlesene Seide für die Qualitätskrawatten
Eine elegante Herrenkrawatte gibt es nur aus erlesener Seide. Die Seide für die Krawatte wird entweder bedruckt oder aus verschiedenen Seidengarnen zu Jacquards verwebt. Die kunstvoll gebundenen Krawatten der Dandys des 19. Jahrhunderts waren noch nicht aus Seide gearbeitet, sondern aus schneeweissem Leinen oder edler Spitze. Erst in den späten 1880er Jahren wurde die Seide als Material für den Halsschmuck entdeckt. Dies hatte mit der voranschreitenden Industrialisierung und den daraus resultierenden Möglichkeiten der Massenherstellung der einst so raren Seidenstoffe zu tun. Das Grundprinzip der Seidengewinnung hat sich seit den Anfangstagen nicht allzu sehr verändert. Nach wie vor ist es ein zeit- und arbeitsintensiver Prozess. China ist nach wie vor der grösste Lieferant hochwertiger Rohseide. Das Weltzentrum für die Verarbeitung der Seidenstoffe zu Krawatten liegt allerdings in der norditalienischen Stadt Como. Die Qualität eines Seidenstoffs richtig einzuschätzen, ist auch für erfahrene Fachleute schwierig. Rein optisch kann man Synthetik und echte Seide kaum auseinander halten, deshalb muss der Tastsinn bei der Beurteilung helfen. Der auffälligste Unterschied zwischen echter Seide und Kunstfaser besteht darin, dass die Imitation aus dem Chemielabor ein viel glatteres Garn und damit auch viel geschmeidigere Stoffe ergibt. Man sollte deshalb die Krawatte prüfend durch die Finger gleiten lassen. Echte Seide wird unweigerlich an kleinsten Rauigkeiten der Haut oder Ecken der Fingernägel hängen bleiben, wohingegen das Imitat ungehindert darüber hinweggleitet. Ein anderer, sehr häufig empfohlener Qualitätstest besteht im Drücken und Knautschen der Seide. Gute Ware wird dies ohne bleibende Knitterfalten überstehen.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Bei familiären Festivitäten wie Hochzeiten, Taufen, Geburtstagsfeiern oder Jubiläen, wann immer etwas im grösseren Rahmen begangen wird, wäre ein Binder angemessen. Nicht nur, um den festlichen Charakter der Gelegenheit zu unterstreichen, sondern auch, weil die Krawatte den Respekt vor dem Gastgeber und der Mühe, die er sich mit der Feier gemacht hat, zum Ausdruck bringt. Weitere private Anlässe, bei denen die Krawatte angebracht ist, sind aufwändige Essenseinladungen bei Freunden oder Bekannten, der Besuch eines schicken Restaurants sowie Theater- oder Opernabende. Ansonsten empfiehlt sich die Krawatte, wenn der Privatmann geschäftlich auftritt wie zum Beispiel beim Gespräch mit der Bank, beim Anwalt oder beim Notar. Hier signalisiert die Krawatte Kompetenz, Souveränität oder sogar Bonität. Sie kann insofern bares Geld wert sein.
Wer Krawatten jedoch für spiessig und langweilig befindet, liegt falsch. Unzählige Kinofilme beweisen das Gegenteil. In vielen Hollywoodstreifen wird durch die Hand einer Frau, einfach durch das simple Binden der Krawatte um den Hals des Darstellers, eine erotische Situation erzeugt. Wenn Miss Moneypenny die Krawatte von 007 richtet, bevor er das Büro seines Chefs betritt, ist nur ein Beispiel von vielen. Und so kann eine Krawatte nicht nur zum Markenzeichen der eigenen Persönlichkeit werden, sondern sogar einen erotischen Faktor besitzen.
Shortcut
Das gewisse Etwas
Fast jeder Sakko wird mit einer Brusttasche auf der linken Seite gefertigt. Diese ist jedoch nicht für ein Päckchen Zigaretten oder eine Brille, sondern für ein Einstecktuch gemacht. Ein weisses Einstecktuch in der Brusttasche eines dunklen Anzugs gibt den gewissen Hauch von Eleganz und ist sicheres Zeichen für einen selbstbewussten und modegewandten Mann. Die feinsten Einstecktücher sind aus weissem Leinen mit handgerollten Rändern. Das passt zu jeder Gelegenheit. Für die etwas gewagteren Herren gibt es Einstecktücher in Farbe und mit Mustern. In diesem Fall ist es immer die Krawatte, nach der die Kombination zu vervollständigen ist. Das Einstecktuch sollte auf keinen Fall das gleiche Muster wie die Krawatte haben. Zudem gilt: Wenn die Krawatte aus Seide ist, sieht ein mattes Leinentuch am besten aus. Dagegen ist bei einer wollenen oder baumwollenen Krawatte ein Einstecktuch aus Seide zu bevorzugen.