Goodbye Babyface – Leonardo DiCaprio
- 20. Mai 2014
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Der Bart und die Extrakilos stehen ihm gut. Mit bald 40 ist Leonardo DiCaprio endlich auch optisch zum Mann gereift. Doch warum schläft er nur mit Models? Wieso trägt er immer Schweizer Uhren? Und weshalb spielt er im Kino nie Superhelden? Hier kommen die Antworten.
Seine Filmpremiere war ein Hit und der ausgeschenkte Champagner beim anschliessenden Empfang lecker. Jetzt stehen wir zusammen in der geschmackvoll beleuchteten Lobby des Hotels Carlton in Cannes (F). Leo ist gut drauf, scherzt, strahlt, bis der Schauspieler den Fotografen bei der Eingangstür entdeckt, der auf ihn zugestürzt kommt. Das Lächeln verschwindet sofort aus seinem Gesicht. Der Hollywoodstar duckt sich und versucht, sich hinter den breiten Rücken von ein paar Freunden zu verstecken. Der Paparazzo hat keine Chance, ein halbwegs anständiges Bild zu schiessen. In Kauerstellung drängt DiCaprio dem Ausgang entgegen. Seine Limousine wartet bereits mit laufendem Motor. Tür auf, Tür zu – und schon verschluckt ihn das Dunkel der Nacht.
Seine Filmpremiere war ein Hit und der ausgeschenkte Champagner beim anschliessenden Empfang lecker. Jetzt stehen wir zusammen in der geschmackvoll beleuchteten Lobby des Hotels Carlton in Cannes (F). Leo ist gut drauf, scherzt, strahlt, bis der Schauspieler den Fotografen bei der Eingangstür entdeckt, der auf ihn zugestürzt kommt. Das Lächeln verschwindet sofort aus seinem Gesicht. Der Hollywoodstar duckt sich und versucht, sich hinter den breiten Rücken von ein paar Freunden zu verstecken. Der Paparazzo hat keine Chance, ein halbwegs anständiges Bild zu schiessen. In Kauerstellung drängt DiCaprio dem Ausgang entgegen. Seine Limousine wartet bereits mit laufendem Motor. Tür auf, Tür zu – und schon verschluckt ihn das Dunkel der Nacht.
Flucht dank Hustentrick
Leonardo DiCaprio definiert sich über seine Arbeit. Er ist mit Leib und Seele Schauspieler. Doch Fotoshootings, Interviews und kreischende Fans nerven den Star. Der 39-Jährige – im November wird er 40 – kennt allerdings diverse Tricks, wie er bei öffentlichen Anlässen schnell davon huschen kann. Beliebteste Taktik: die Hustenattacke. Die setzt der Amerikaner besonders gern auf dem roten Teppich ein. Das sieht dann so aus: Erst senkt er den Kopf bis auf die Brust und hält die rechte Hand als Faust geballt vor den Mund, als würde er einen Hustenanfall stoppen wollen. Damit ist sein Gesicht verdeckt – und damit kein geeignetes Fotomotiv mehr –, zudem hat er eine gute Entschuldigung weiterzugehen.
Ein Star zum Anfassen, das war er nie. Und wehe dem, der es während des Interviews wagt, allzu private Fragen zu stellen. Dann verstummt der Charakterdarsteller und mutiert zum Eisklotz. Gleichzeitig droht sein Pressebetreuer damit, das Gespräch beim nächsten Ausrutscher auf der Stelle zu beenden. Zu Journalisten ist Leo grundsätzlich höflich, bleibt aber distanziert. Leonardo DiCaprio kann seinem Gegenüber nicht länger als drei Sekunden in die Augen schauen. Sein Gesicht zeigt nie eine Regung. Er riecht nicht nach Aftershave und sieht alterslos aus. Passt ihm eine Frage nicht, wiederholt er sie erst laut mehrmals, bis er eine einsilbige Antwort gibt. Als Fan seiner Arbeit könnte man seine Zurückhaltung auch als extreme Coolness auslegen. Doch das gefällt ihm ebenfalls nicht. «Ich bin ein Nerd, ein stinknormaler Typ. Ich mag keine coolen Leute. Die meisten meiner Freunde sind Nerds. Die würden verrückt spielen, wenn sie hörten, ich sei cool.»
Leo, ein Normalo? Ein stinknormaler Typ? So ganz passt das nicht zum Bild, das der Rest der Welt von ihm hat. Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass er nur mit Models ausgeht. Seine Lippen haben unter anderem schon Kate Moss, Eva Herzigova, Bridget Hall, Kristen Zang, Amber Valletta, Erin Heatherton, Gisele Bündchen, Bar Rafaeli und Toni Garn geküsst. Die Mädels haben (fast) alle etwas gemeinsam: einen Traumbody und blonde Haare.
Ferien in Deutschland
Vor den Traualtar konnte ihn allerdings noch keine zerren. Obwohl, Bar Rafaeli war nah dran. DiCaprios deutsche Mutter Irmelin hatte die hübsche Israelin bereits ins Herz geschlossen. Die beiden kochten oft zusammen. Und Bar spielte gern mit «Django», Irmelins französischer Bulldogge. Leo hat seinen Modelschatz auch mit nach Deutschland genommen und seiner Grossmutter Helene Indenbirken vorgestellt. In Oer-Erkenschwick bei Dortmund, in einem Mehrfamilienhaus in der Kampstrasse, machte der Star als Kind oft Ferien. Ein Nachbar von damals erinnert sich: «Er war im Schwimmbad, ist mit dem Rad herumgekurvt und hat sogar bei einem Breakdance-Wettbewerb mitgemacht.» Und DiCaprio sagt: «In meinem Film Wolf of Wall Street zeige ich ein paar meiner alten Moves. Als Teenager habe ich bei einem Wettbewerb in Deutschland mal eine Silber-Trophäe gewonnen. Ich bin bis heute der Meinung, ich hätte den ersten Platz verdient gehabt.»
Der Schock war gross, als Oma Helene im August 2008 im Alter von 93 Jahren verstarb. Der Schauspieler ist aber nicht sofort in seine alte Heimat geflogen. Er wartete erst ein paar Tage, bis sich alle Paparazzi verzogen hatten. Erst dann verabschiedete er sich von seiner Grossmutter auf dem Waldfriedhof. Übrigens ohne Freundin Bar an seiner Seite, da die ihr Engagement an der Fashion Week in New York nicht so kurzfristig absagen konnte.
Deutschland – das Land und die Kultur haben ihre Spuren bei DiCaprio hinterlassen. Was nur wenige wissen: Er spricht ganz passabel Deutsch. «Ich komme damit durch, kann Essen bestellen, nach dem Weg fragen. Aber ein stimulierendes, intellektuelles Gespräch – das wird mir nicht gelingen», sagt er. Ist er in den USA, vermisst er die deutsche Kost. Er ist verrückt nach Currywurst, sein Lieblingsessen sind aber Kartoffelpuffer. «Immer, wenn ich in Deutschland bin, nehme ich ein paar Kilos zu. Ich liebe deutsches Essen und stopfe mich voll, bis nichts mehr reinpasst.»
Seine Haltung ist «deutsch»
Seine Mutter war in den Fünfzigern nach Kalifornien ausgewandert. Ihr Sohn wuchs in Los Angeles auf. Doch es hat ihn immer wieder nach Deutschland – ins beschauliche und geordnete Provinzleben – gezogen. Auch nach dem Durchbruch mit «Titanic». «Meine Oma und meine Mutter hat der ganze Rummel um meine Person nie beeindruckt. Deshalb bin ich nie abgehoben. Sie haben mir beigebracht, immer offen und ehrlich zu sein. Auch wenn ich damit anecke. Es ist mir egal, was die Leute von mir denken», sagt der Star. «Diese Haltung empfinde ich als sehr deutsch – und die werde ich hoffentlich für immer behalten.»
Für DiCaprio zählt nur der Job und den will er gut machen. Vier Oscar-Nominationen sprechen eine deutliche Sprache. Leonardo DiCaprio hat ein sehr gutes Händchen bei der Rollenauswahl. Er gilt als einer der begabtesten und präzisesten Schauspieler Hollywoods. Spannende Charaktere zu verkörpern, das treibt ihn an. Er sagt: «Ich will grossartige Filme drehen, einen nach dem anderen. Ich bin besessen von meiner Arbeit. Und ich kenne auf dem Set keine Zurückhaltung. Ich sage allen Autoren und Regisseuren, mit denen ich zu tun habe, was mir gefällt und was nicht. Manchmal fliegen die Fetzen, aber das finde ich gar nicht so schlecht.» Denn der Schauspieler kennt seinen Marktwert und setzt ihn bewusst ein. «Momentan habe ich die Macht, dass ich mit meinem Namen Filme finanzieren kann. Das muss ich ausnutzen.»
Mit grossen Honoraren allein kann man den Star aber nicht vor die Kamera locken. Für ihn ist das Drehbuch ausschlaggebend. «Ich kann reinen Gewissens behaupten, noch nie einen Film nur fürs Geld gemacht zu haben. Deswegen drehe ich auch keine Science-Fiction- oder Superhelden-Streifen.» DiCaprio interessieren echte Menschen und gelebte Schicksale. Darum ist er sich auch für seichte, romantische Komödien zu schade. «Ich mag keine traditionellen Liebesgeschichten. Sie sind mir zu kitschig. Auch für die Rolle des Romeo in Romeo und Julia entschied ich mich nur, weil ich die moderne Fassung des Films interessant und den Regisseur toll fand.» Und seinen grössten Hit «Titanic» (1997, mit 11 Oscars ausgezeichnet) kann man auch nicht als typische Romantic Comedy abtun. Der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten war Desaster-Movie, Actionfilm und Liebesdrama zugleich. Seither ist er ein Superstar. Wie sieht er heute seinen damaligen Durchbruch? DiCaprio: «Ich bin diesem Film immer noch dankbar. Wegen ihm kann ich jetzt alle Rollen spielen, die ich will. Aber auf das, was damit verbunden war, war ich überhaupt nicht vorbereitet.»
Keine Zeit für Fanpost
Damit meint er die Kreation des «Medienmonsters Leo». «Ich habe den Rummel an den Filmpremieren als nicht mehr real empfunden, ich fühlte mich wie ein Ausserirdischer. Die Mädchen waren eine anonyme Wand schreiender Münder. Wer so mit Bewunderung überschüttet wird, dem fällt es schwer, noch wie ein Mensch zu empfinden.» Seit den 90er-Jahren ist sein Briefkasten voll mit Fanpost. Lesen tut er sie kaum – ihm fehlt die Zeit dafür. «Aber ein Freund schaut sie für mich durch und gibt mir die verrücktesten und lustigsten Briefe zu lesen. Manche Mädchen schreiben echt bizarre Sachen.» Seit sein Bekanntheitsgrad explodiert ist («Ich werde selbst im Amazonas erkannt.»), jagen ihn auch die Paparazzi. «Jedes Mal, wenn ich mich über sie oder die Klatschblätter aufrege, komme ich mir wie ein oberflächlicher Idiot vor. Es gibt schliesslich Wichtigeres auf der Welt als die Probleme von Promis. Ich gebe zu, ich hasse viele von diesen Paparazzi, weil sie mein Leben schwer machen. Ich wünschte, sie würden mich in Ruhe lassen. Aber was soll’s: Ich habe gelernt, damit zu leben.»
Ins Rampenlicht hat es ihn schon früh gedrängt. Er liebte es bereits als Kind, andere zu unterhalten. «Ob das nun mit Breakdancing oder irgendeinem anderen Quatsch war, ich wollte Aufmerksamkeit. Das ist in meinem Blut.» Zu Hause hat er oft die Gäste imitiert, nachdem sie gegangen waren. Damit brachte er seine Eltern immer zum Lachen. Irgendwann wurde ihm klar, dass Entertainer ein Beruf ist. Beeindruckt hat ihn damals auch sein Stiefbruder Adam. Der verdiente durch einen Auftritt in einem Werbefilm 50 000 Dollar. Das wollte Leo auch – und seine Eltern unterstützten ihn dabei. Sie trennten sich, als er ein Jahr alt war. «Trotzdem haben sie sich nie scheiden lassen und mich gemeinsam und sehr liebevoll aufgezogen», erinnert sich der Star. Sein Vater George DiCaprio war lange Zeit sein grosses Vorbild. Dieser war in den Sechzigern ein Beatnik, zeichnete Comics und lebte wie ein Bohemien. «Er ist für mich eine Art Buddha. Von ihm habe ich meinen eklektizistischen Geschmack für alles Künstlerische, Politische und Spirituelle.»
So romantisch das alles auch klingt, seine Kindheit war nicht nur von purer Idylle geprägt. Denn Echo-Park, der Stadtteil, in dem er damals mit seiner Mutter in Los Angeles lebte, ist bekannt für seine hohe Kriminalitätsrate. Drogen waren allgegenwärtig, der Junge sah jeden Tag Junkies. DiCaprio hat selbst nie Drogen angerührt. «Sie unterdrücken nur den Selbsthass. Ich glaube, viele, die in Hollywood Drogen nehmen, wollen sich einfach selbst bestrafen», sagt der Schauspieler. Um auf die Gefahren des gefährlichen Konsums aufmerksam zu machen, drehte er 1995 das Drama «The Basketball Diaries».
Das Sparen antrainiert
Dass er als Kind arm war, hat Leonardo DiCaprio geprägt. Denn ihm wurde täglich vor Augen geführt, wie die anderen, die Reichen, in Beverly Hills leben. «Ich ging mit ihnen zur Schule und sah diese Welt, die nicht meine war.» Heute ist Leo reich. Doch trotz seiner hohen Gagen hat er das Sparen nicht verlernt. «Wenn ich es vermeiden kann, verzichte ich im Hotel auf eine Cola für fünf Dollar und kaufe mir für den gleichen Preis eine Sechserpackung um die Ecke.» Doch mit genug Geld auf dem Konto kann man anderen auch leichter helfen. Das tut er. Seine Mutter Irmelin regelt alles Finanzielle, sie ist auch die Geschäftsführerin seiner Umweltorganisation «11th Hour Action». Der Star spendet und sammelt regelmässig für gute Zwecke. «Meine Stiftung hat kürzlich 38 Millionen Dollar bei einer Auktion zusammen gebracht – damit haben wir unter anderem in Nepal Schutzgebiete für Tiger eingerichtet», sagt DiCaprio.
Zwei seiner Leidenschaften – die Natur und schicke Uhren – konnte er übrigens bei Schweizer Projekten vereinen. Gemeinsam mit dem traditionsreichen Uhrenhersteller Jaeger-LeCoultre entwarf er gemäss dem Motto «Time to Care» eine Kollektion von Luxusuhren. Der gesamte Erlös dieser Kooperation wurde für Öko-Projekte und Artenschutz eingesetzt. Jede Uhr kostete rund 300 000 Dollar, inklusive eingravierter DiCaprio-Signatur. Und bei der Schweizer Uhrenmarke TAG Heuer löste Leonardo DiCaprio seinen Kollegen Brad Pitt als Werbegesicht ab. Auch für diese Marke entwarf er seinen eigenen Zeitmesser, den «Auqaracer 500M Calibre 5 Limited Edition Leonardo DiCaprio». Ein Teil der Einnahmen floss ebenfalls in den Umweltschutz.
Zeit für solche Projekte hat er nur in Drehpausen. Doch die sind selten, weil er zu gern arbeitet. Der Schauspieler ist regelrecht süchtig danach, in neue Figuren zu schlüpfen. «Wenn ich mit einer Rolle verschmelze, spüre ich das in jeder Zelle meines Körpers. Für diese Sekunden lebe ich», sagt er. In Hollywood gehört er längst zur A-Liga. Beachtlich, wenn man bedenkt, dass der Amerikaner nie einen Fuss in eine Schauspielschule gesetzt hat.
Spielberg, Cameron, Tarantino, Luhrmann, Eastwood, Mendes – DiCaprio hat sich schon für etliche der grossen Visionäre vor die Kamera gestellt. Doch zu Martin Scorsese pflegt er die innigste Beziehung. Nach «Gangs of New York» (2002), «The Aviator» (2004), «The Departed» (2006) und «Shutter Island» (2010) markiert «The Wolf of Wall Street» (2013) ihre fünfte Zusammenarbeit. «Wir mögen die gleiche Musik, die gleichen Filme – und uns ist auch das Gleiche zuwider. Wenn uns zum Beispiel etwas in einer Szene nicht gefällt, dann müssen wir das gar nicht erst aussprechen. Wir beide sind von unserer Arbeit besessen, wir vertrauen einander», sagt der Schauspieler. Und schwärmt dann weiter: «Marty hat mir geholfen, als Schauspieler ein ganz neues Niveau zu erreichen.»