Geburtsstunde eines Mythos – Die Legende des Silberpfeils
- 20. Mai 2014
- 0 comments
- Editorial Media Group AG
- Posted in Drive Style
Der Ausdruck «Silberpfeil» soll auf eine Behelfslösung am Mercedes-Benz W25 zurückgehen. Doch auch ohne die umstrittene Legende schrieb der Kompressor-Wagen Motorsportgeschichte
Ob erster Silberpfeil oder nicht: Der W25 begründet auf jeden Fall einen Marken-Mythos von Überlegenheit und Ruhm, was ihn bis heute so faszinierend macht. Denn es sind diese silbrig glänzenden Rennwagen aus Deutschland, die den internationalen GP-Sport künftig nach Belieben dominieren werden.
Anders bei Mercedes: Nach den Jahren der Rezession wagte man den Neuanfang auf der Piste. Im Hinblick auf das 1934er-Reglement entstand in Untertürkheim unter der Gesamtleitung von Dr. Hans Nibels ein moderner Monoposto mit aufgeladenem Achtzylinder-Reihenmotor, für dessen Konstruktion Albert Hess verantwortlich zeichnete. Der Hubraum des Triebwerkes mit Kompressor und zwei Druckvergasern betrug ursprünglich 3360 cm3, doch schon bald ging man auf 3710 und schliesslich auf 3990 cm3 über. Das Triebwerk besass vier Ventile pro Zylinder, welche von zwei obenliegenden Nockenwellen betätigt wurden; die Aufladung besorgte ein Roots-Flügelkompressor. Im Rahmen der 750-kg-Formel machte auch das Fahrgestell konstruktiv grosse Fortschritte, nachdem die zwanziger Jahre diesbezüglich eine Stagnierung gebracht hatten. Damals konzentrierten sich die Konstrukteure noch auf die ständig mittels stärkerer Aufladung erzeugte Leistungssteigerung. Nun wich das veraltete Starrachsprinzip einer Einzelradaufhängung rundum – vorne mit Querlenkern und Schraubenfedern, hinten als Pendelachse mit Querblattfedern. Die Federung wurde allgemein weicher ausgelegt, aber auch straffer gedämpft. Aus Balance-Gründen verblockte man das Getriebe in Transaxle-Bauweise gemeinsam mit dem Differential an der Hinterachse.
Mit dem fertigen Rennwagen führte Mercedes-Benz im Januar 1934 auf der Autobahn Mailand–Como erste Probefahrten durch, danach wurden die Testfahrten auf dem Nürburgring fortgesetzt. Beim Avus-Rennen vom 27. Mai sollte das erste und von ganz Deutschland mit Spannung erwartete Zusammentreffen mit den unter der Gesamtleitung von Professor Porsche entstandenen Auto Union erfolgen, deren V16 vor der Hinterachse eingebaut war – eine damals revolutionäre Anordnung. Doch wenige Tage zuvor entschied sich Mercedes-Benz, auf den Einsatz des W25 zu verzichten, weil der Wagen noch nicht einsatzbereit war. Auto Union hingegen hatte schon beim ersten Avus-Auftritt des 295-PS-Boliden, der als Präsentation und Abnahmefahrt deklariert war, einen Erfolg verbucht, denn an diesem 6. März 1934 stellte Hans Stuck mit dem Mittelmotor-Neuling drei Weltrekorde auf. Auf den beiden zehn Kilometer langen Geraden kam der Auto Union Typ A auf 265 km/h. Das Avus-Rennen selbst gewann allerdings der Franzose Guy Moll auf Alfa Romeo P3 mit auf 2905 cm3 erhöhtem Hubraum und Stromlinienkarosserie. Zwei Auto Union (Stuck/von Liningen) schieden dagegen aus, während der dritte (Momberger) mit 225,8 km/h immerhin die schnellste Runde fuhr.