
Form vor Funktion – Aldo Rossi
- 28. März 2013
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Der italienische Architekt und Designer Aldo Rossi gehört zu den wichtigen Vertretern der Postmoderne. Kegel, Zylinder, einfache kubische Formen bestimmten seine Arbeiten. Er liebte Formen. Säulen, Pfeiler, Türme, Kuppeln – die klassischen Formen monumentalischen Bauens. Aldo Rossi erweckte diese Formen in seinen Bauwerken wieder zum Leben. Ob der Entwurf zum Historischen Museum in Berlin, das Bonnefantenmuseum in Maastricht oder die bunten Häuserzeilen in der Schützengasse, Aldo Rossi präsentierte sich gerne als «Poet der Konstruktion». Auch dafür gewinnt Aldo Rossi als erster Italiener 1990 den renommierten Pritzker-Preis – den Nobelpreis der Architektur.
Die Architektur der Stadt
Bereits im Jahre 1966 veröffentlichte Rossi seine Überlegungen zur modernen Architektur in dem Buch «L’architettura della città». Er kritisiert darin das modernistische Dogma, wonach die Form der Funktion untergeordnet ist und aus ihr entwächst. Rossis Meinung nach sei historisch belegt, dass formale Monumente sich vielfältiger Nutzung anpassen können. Und während für ihn die Form eine dauerhafte Konstante bildet, ist die Funktion wechselnd und vergänglich. Die Funktion mancher Bauwerke kann sich im Laufe der Zeit zum Teil mehrmals verändern, die Bauwerke selbst gelten jedoch immer noch als bedeutungsvoll. Als Beispiele solch langlebiger Baustrukturen nennt Rossi unter anderen die antiken Amphitheater in Arles, Lucca oder Nîmes. «In Nîmes wurde das Amphitheater in eine Festung gegen die Westgoten verwandelt, die eine kleine Kernstadt mit etwa 2000 Bewohnern und zwei Kirchen beherbergte. Ein Amphitheater hat eine spezifische Gestalt und eine bestimmte Funktion. Es ist nicht als ein beliebiger Behälter gedacht. Aber durch ein äusseres Ereignis wird seine Funktion verändert: Das Theater verwandelt sich in eine befestigte Stadt.» So muss der Städtebau historisch-kritische Stadtstrukturen weiterentwickeln und mit ihnen arbeiten. Aldo Rossi interpretiert die Stadt über ihren geschichtlichen Erinnerungswert hinaus als ein kollektives architektonisches Kunstwerk
Von rationalen, klassizistischen und monumentalen Stilen ausgehend, fand Rossi bereits als junger Architekt zu einer reduzierten, klaren Formensprache. In der Licht und Schatten ein wichtiges Element bilden. So bildet sich in Rossis Arbeiten nach und nach eine charakteristische, auf wenige geometrische Grundformen reduzierte Sprache heraus. In seinen Bauwerken finden sich viele archetypische Elemente. Signifikante Beispiele hierfür sind eine erbaute Wohnzeile im Quartiere Gallaratese in Mailand, der Friedhof San Cataldo in Modena und die Grundschule in Fagnano Olona. Durch das Herauslösen aus dem historischen Kontext machte er Formensprache, Material und Struktur für die Postmoderne verfügbar.
Der Alessi-Designer
Doch Aldo Rossi tat sich nicht nur als Architekt hervor. Auch als Designer war er tätig. Er arbeitete ab 1979 für Alessi an deren «Programm 6». 1983 kreierte er für die italienische Firma ein Tee- und Kaffeeservice aus Silber mit blau emaillierten Bändern an den Kannen und Quarzkugeln auf den Deckeln. Auch die Espressokanne «La conica», zu der er 1986 einen Stahlkessel sowie Milchkännchen, Zuckerdose und Löffel gesellte, fand Einzug in das Sortiment Alessis. Zu einem echten Klassiker wurde die Espressokanne «La cupola» aus poliertem Gussaluminium (mit Knöpfen und Griffen aus schwarzem oder blauem Polyamid). Nachdem Rossi lange Zeit Küchenutensilien designte, wandte er sich 1989 auch dem Möbeldesign zu. Für die Firma Molteni entwarf er die Sitzmöbelserie «Capitolo» und «Teatro» sowie den lackierten Holzschrank «Cabina Armadio» und den Sekretär «Carteggio». Hinzu gesellen sich der edle und formschöne Stuhl «Milano» aus Kirsch- oder Eichenholz und der Sessel «Parigi», dessen strenge Geometrie durch seine rückwärtige Neigung gebrochen wird.
Ein meisterhafter Zeichner
Im Herbst 1997 starb Aldo Rossi in Mailand an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Sein letztes Projekt, der Wiederaufbau eines Anfang der 1990er Jahre abgebrannten Theaters in Venedig, wurde noch zu Ende geführt. Es ist nicht nur das letzte fertiggestellte Gebäude Rossis, sondern manifestiert wie kaum ein anderes Objekt den sorgsamen Umgang mit Originalplänen des Theaters und die behutsame Schöpfung räumlicher und technischer Ergänzungen. Das Theater La Fenice ist ein Denkmal für Rossis ungebrochene hohe Sensibilität für das gebaute Erbe und die Identität des Orts. Nach seinem Tod veröffentlichte Skizzen und Bilder belegen, dass sich viele seiner Bauten, Entwürfe und Modelle – eine Ausnahme bilden die zur Internationalen Bauausstellung entstandenen Berliner Bauten an der Wilhelmstrasse – auf in Italien verwirklichte Projekte beziehen. Diese künstlerischen Skizzen zeigen Aldo Rossi als einen wahren Künstler. Man würde den Blättern keineswegs gerecht, würde man sie allein im Hinblick auf die realisierten Bauten betrachten. Es sind Zeichnungen, die weit über spontane Einfälle und flüchtige Vorstudien hinausgehen. Die kolorierten Blätter zeigen Rossi als geradezu obsessiven Zeichner, der seine Motive immer aufs Neue wiederholt und variiert und selbst abgeschlossene Projekte zu hinterfragen scheint. Auch als Maler scheint er ein wahrer Meister gewesen zu sein.
Doch sein Meilenstein war die Debatte um den sensiblen Umgang mit der Vergangenheit. Hierin liegt der grosse, gelobte Wert der postmodernen Städteplanung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, für welche Rossi ein wichtiger Wegbereiter war. Zu seinen bedeutendsten Architekturprojekten gehören: der Rathausplatz mit Gedächtnisbrunnen in Segrate bei Mailand, das «Teatrino Scientifico», der Friedhof in San Cataldo und das «Teatro del Mondo», das er 1980 für die Biennale in Venedig entwarf. 1989 baute er das Hotel «Il Palazzo» im japanischen Fukuoka, wofür er endlich mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde.
Saverio Muratori
Zur selben Zeit wie Rossi beschäftigte sich ein zweiter italienischer Architekt mit Bauen in historischen Städten – Saverio Muratori (1910–1973). Er übte einen grossen Einfluss auf das Werk von Aldo Rossi aus. Muratori, gut zwanzig Jahre älter als Rossi, unterrichtete in Venedig und Rom und schuf seit dem Zweiten Weltkrieg wichtige Stadtstudien über die Städte Venedig (1959) und Rom (1963). Er gilt als Wegbereiter einer «Italienischen Schule» der Stadtmorphologie, die bis heute fortbesteht. Muratori blieb neben seiner theoretischen Arbeit immer auch dem Bauen treu und steht damit sowohl zeitlich als auch räumlich in enger Beziehung zu Aldo Rossi.
Zitate:
«Der Rationalist möchte die grösstmögliche Fähigkeit zur Anpassung des Gebäudes an eine Vielfalt von Bedürfnissen.» (Aldo Rossi)
«Insofern diese künstliche Heimat gebaute Form ist, wohnen ihr aber auch Werte, insbesondere die Permanenz und das Gedächtnis, inne. Die Stadt lebt in ihrer Geschichte.» (Aldo Rossi)