
Food Porn
von Anka Refghi | Titelbild: Aaron M Conway
- 13. Dezember 2017
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Noch nie standen Essen und Kochen derart im Fokus wie in den letzten Jahren. Getriggert von Instagram, Facebook und Konsorten sind verführerisch angerichtete Speisen omnipräsent. Ein Blick auf die Geschichte, die die Präsentation von Nahrungsmitteln vom Muss zur stilistischen Kunst erhob.
Rund um die Uhr flimmern sie über den Bildschirm. Tagsüber in Schlachten am Herd, Wettkampf-Kochen am Vorabend und abendfüllende Kochunterhaltung jeglicher Couleur. Kaum ein Gericht, das nicht bemüht wird, unzählige Tipps, Tricks und Kniffe von Profis an heissblütige Amateure am Herd. «Food Porn» eben. Kochbücher werden in riesigen Auflagen gedruckt und verkauft, und es gibt kaum Köstlichkeiten auf dem Teller, die nicht in die Linse eines Smartphones blicken, um danach ihre virtuelle Reise um die Welt anzutreten.
Von Händen und ganzen Fasanen
Die Macht der Bilder erkannte man bereits in den 1920er Jahren, als die Fotografie in Kochbüchern das erste Mal zum Einsatz kam. Eine Dekade später sollte die Schweizerin Frieda Nietlispach von sich reden machen. Als Herausgeberin zahlreicher Kochbücher in den 30er Jahren bildete sie nicht nur Schwarz-Weiss-Fotografien, sondern auch Farbfotos ab. Inspiration, Anregung und Motivation lautete ihr Credo, das damit den Beginn einer neuen Ära einläutete, in der Kochen erstmals von der reinen Pflichterfüllung zur lust- und anspruchsvollen Disziplin erhoben wurde. So schrieb treffend dazu eine ihrer Leserinnen: «Diese Kochbücher wollen nicht nur das vernunftmässige Kochen lehren, sondern sie werden auch Freude an der Speisezubereitung bei allen jungen Mädchen wecken und werden so mithelfen, dass das Kochen nicht als Qual und Last empfunden und die Hausfrauenarbeit mehr als bisher gewürdigt wird.»
Die gefüllte Erdbeere
Die Art und Weise, wie Speisen in Büchern dargestellt wurden, veränderte sich im Laufe der Zeit immer wieder. Waren bei Nietlispach auf den Bildern oft Hände bei der Zubereitung von Nahrungsmitteln zu sehen, lag in der weiteren Entwicklung auch schon einmal ein ungerupfter Fasan auf der Speiseplatte oder der gerade geschossene Hase, kunstvoll – und gleich den Stillleben grosser Meister – zwischen Kürbis und Trauben drapiert. Einen Meilenstein in Sachen Kreativität markierte allerdings eine Kochsendung, die 1953 über die Bildschirme flimmerte. Darin zu sehen war Clemens Wilmenrod, seines Zeichens erster Fernsehkoch Deutschlands und Erfinder des Toast Hawaii, der «Die gefüllte Erdbeere» präsentierte. So war ihm der unschöne Hohlraum aufgefallen, der nach dem Entfernen des kleinen grünen Stiels in der Frucht entstanden war. Tagelang, so erzählte er in seiner Sendung, war er mit dem Gedanken schwanger gegangen, wie der besagte Hohlraum gefüllt werden könne, bevor ihn die Muse küsste. Seine Idee? Ein Mandelkern in der Erdbeere. Mit dem Messer an der stolz geschwellten Brust forderte er die Zuschauer auf, ihm mitzuteilen, sollte er nicht der Erste auf der ganzen Welt sein, der diesen grandiosen Einfall hatte.
Styling 2.0
Doch bis zur heutigen Königsdisziplin des kreativen Schaffens sollten noch einige Dekaden vergehen. Vereinten Kochbücher lange Zeit Vorspeise, Hauptgang und Dessert, so begannen sie sich in den 1980er Jahre zu spezialisieren. Ein riesiger Markt war geboren und damit auch die Basis für ein immer kunstvolleres Styling. Hinzu kam die Tatsache, dass sich immer mehr auch die Herren der Schöpfung an die privaten Kochtöpfe wagten und den Wettbewerb um das aussergewöhnlichste, exklusivste Resultat und die schönste Präsentation immer weiter anheizten. Ohne Foodstyling geht heute gar nichts mehr, so viel steht fest. Foodstyling ist die Kür, die Krone der hohen Kunst des Kochens. Denn alleine Speisen appetitlich anzurichten, reicht schon lange nicht mehr aus. Und so werden heute immer kreativere Wege gesucht, um Speisen zu inszenieren und Lebensmittel zur Kunst zu stilisieren.
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