
Feiner Müssiggang
- 14. Juli 2017
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Ende des 19. Jahrhunderts erschien das Werk «Die Theorie der feinen Leute». Ein gesellschaftskritisches Buch, das vom Kauf von Prestige und einer faulen Oberschicht erzählt und auch über hundert Jahre später nicht an Aktualität eingebüsst hat.
Konsumgeil und unproduktiv. So könnte man kurz zusammengefasst den Menschen beschreiben, der dem Soziologen Thorstein Veblen so richtig gegen den Strich ging. Und mit diesem ging er in seinem literarischen Werk «The Theory of the Leisure Class» hart ins Gericht. 1899 veröffentlicht und 1958 vom Verlag Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel «Theorie der feinen Leute» in deutscher Sprache publiziert, hat das Buch bis heute nicht an Bedeutung verloren. Noch immer bestimmt die Oberschicht gesellschaftliche Normen und vor allem, wonach die Menschen streben. Und das nur, um bei Veblen zu bleiben, weil sie sich durch Müssiggang und Konsum Prestige erkaufen. Etwas, was sich bis heute nicht geändert hat. Denn noch immer versuchen Menschen, durch einen bestimmten Lebensstil ein entsprechendes Image aufzubauen. Und sie beeinflussen damit die gesamte Gesellschaft in Bezug auf Wünsche und Ansprüche.
Kritisch & etwas anders
Thorstein Veblen kam 1857 auf einer kleinen Farm in Wisconsin zur Welt. Seine aus Norwegen stammenden Eltern hatten das bescheidene Gehöft rund zehn Jahre vorher gekauft und gehofft, im Land der unzähligen Möglichkeiten ein besseres Leben führen zu können. Doch Geld blieb knapp und es fehlte an der Integration in die Bevölkerung. Letzteres beeinflusste natürlich auch die Einstellung der zwölf Veblen-Kinder zur amerikanischen Gesellschaft. Es erstaunt daher wenig, dass der kleine Thorstein dieser auch später noch recht ambivalent gegenüberstand. Wobei man sagen muss, dass dies auch für die andere Seite galt. Denn trotz hervorragender Zeugnisse und einer Promotion blieb er viele Jahre arbeitslos. Sein Migrationshintergrund und der unstete Lebenswandel – er war zwei Mal verheiratet und kein Kostverächter in Bezug auf das weibliche Geschlecht – waren die Gründe.
Ende des 19. Jahrhunderts fand er jedoch endlich eine Anstellung an der Universität von Chicago und wurde parallel geschäftsführender Herausgeber des «Journal of Political Economy». Zudem erschien sein Buch «The Theory of the Leisure Class», das oftmals als soziologische Gesellschaftssatire betitelt wird. Dabei fehlen dem Buch eigentlich die dafür vorhandenen Attribute wie Ironie, Spott und Übertreibung. Thorstein Veblen hinterfragte einfach mit offenen und kritischen Worten das Verhalten der amerikanischen Oberschicht. In seinen Augen versuchte diese, durch Müssiggang und ausschweifenden Konsum Prestige aufzubauen. «Völlig sinnlose Verwendung von Zeit und Geld», so seine Aussage. Getrieben durch einen schon radikalen Geltungsdrang würde man für vermeintliche Statussymbole unverhältnismässig viel Geld auf den Tisch legen und parallel den ganzen Tag lang mit unproduktiven Dingen verbringen. Und das nur, weil man es sich leisten kann. Schlimmer fand er aber noch, dass dieses sklavische, jedem neusten Trend hinterherrennende Gehabe massive Auswirkungen auf das Verhalten der gesamten Gesellschaft hatte. Denn man orientierte sich nach oben, und auch die weniger Betuchten versuchten, Zeit und Geld anzuhäufen, um es auf unsinnige Weise wieder loszuwerden.
Gesund & schön
Für die Wirtschaft war das Ganze natürlich Gold wert, auch wenn Sozialwissenschaftler immer noch zu einem grossen Teil vom rational entscheidenden Käufer sprachen. Bis heute ist dieser als «Homo oeconomicus» bekannt und wird herangezogen, wenn es Marketing- und Vertriebsentscheidungen zu treffen gilt. Doch was mit Thorstein Veblen begann, setzt sich im 21. Jahrhundert fort. Man traut sich nun, den Menschen als «Behavioral Economics» zu betrachten. Also als Wesen, für das eben nicht das Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern der Nutzen wichtig ist. Wobei dies dann eben auch einfach sein kann, dass man mit dem Kauf ein gewisses Image bedienen will. Denn wie schon angesprochen: Thorstein Veblens Theorie ist auch über hundert Jahre später aktueller denn je. Sie zeigt sich nur auf eine andere Art und Weise. So gibt es natürlich immer noch dieses Status-Ding, in dem man mit entsprechender Kleidung und den passenden Accessoires und Extras in der Berufswelt Eindruck schinden will. Kein Investment Banker ohne dickes Auto, keine Businesslady ohne «It-Bag». Doch vielmehr ist es der Müssiggang, der gepflegt wird. Unproduktiv genutzte Zeit, in der man von Bioladen zu Bioladen rennt, sich Klugscheisserwissen rund um Käse und Wein aneignet und seine Schränke mit sogenanntem Superfood betankt. Bewusster Leben wird das genannt und soll zeigen, dass man sich selber wichtig nimmt und dass man es sich leisten kann, Qualität zu kaufen und in die eigene Gesundheit zu investieren. Gerade Letzteres ist bekanntermassen in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Erfolgsfaktor geworden. Ein sportliches, gesundes Aussehen zeugt von Macht und Ausdauer. Der Manager von heute sieht aus wie ein Adonis oder in weiblicher Form wie ein Toppmodel. Man knabbert zum Znüni an seinem Chia-Stänglein, statt ins Gipfeli zu beissen. Und im Austausch zum Feierabend-Wein oder -Bier gibt es Kokoswasser oder Mandelmilch. Inklusive anschliessender Fitness-Einheit im Lifestyleclub.
Teuer & doch am Ende voller Ironie
Auch in Sachen Statussymbol bleibt man dem Teuren treu. Nur trägt man es heute zurückhaltender zur Schau. Understatement ist das Stichwort und Protz nur was für Neureiche. Man selber verzichtet auf auffallende Brands auf der Kleidung, das war einmal. So soll man angeblich den Vorstandsvorsitzenden dieser Tage in einer Sitzung daran erkennen, dass er eben kein Exemplar der Genfer Manufaktur, sondern ein Stück aus dem Hause Audemars & Piguet am Handgelenk trägt, deren Preise im fünfstelligen Bereich beginnen. Anzug und Schuhe sind zudem «su misura», also massgefertigt. Und das Auto ist ein E-Mobil oder zumindest ein Hybrid. Das grosse Glück dabei für die nicht ganz so Reichen: Es gibt all diese Dinge für etwas weniger Schotter. Denn dass man sich an den Oberen orientiert, daran hat sich nichts geändert. Unterstützt wird dies durch entsprechende Medien und virtuelle Kanäle, die einen auf dem Laufenden halten, was Mann und Frau von Welt tragen, fahren und essen. In der Regel wird die Günstig-Variante auch gleich als Alternative mitgeliefert.
Veblens Buch ist daher so angesagt wie nie, auch wenn seine kritische Stimme schon lange verstummt ist. Er starb 1929 einsam und alleine in einer alten Hütte im US-Städtchen Menlo Park an Herzversagen. Und das irgendwie in der Tat ironisch. Denn genau hier scheffeln drei der einflussreichsten und reichsten Amerikaner jeden Tag unfassbar viel Geld. 1998 gründeten hier nämlich Larry Page und Sergey Brin Google, und seit 2011 befindet sich in Menlo Park der Hauptsitz von Marc Zuckerbergs Facebook.
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