
Europas Salonkultur in weiblicher Hand
- 4. Mai 2016
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Als in Europa noch der Hof herrschte, sich der Nationalismus in das Denken schlich und Männer die Macht in Händen hielten, da durchzog Europa auch ein Netz an gesellschaftlichen Orten, die anders waren. Die Salons atmeten klassenlose Luft, waren international und weiblich dominiert. Wo, wenn nicht in Paris, kann eine Tradition ihren Anfang nehmen, die sich vom 17.?Jahrhundert bis ins 20.?Jahrhundert zieht. Und wer, wenn nicht eine Italienerin, kann eine Geselligkeit begründen, die Künstler anzieht wie der Kaffee den Klatsch. Die Marquise de Rambouillet lädt ab 1610?Gäste in ihren Stadtpalast und gründet eine Art der Geselligkeit, die 300 Jahre überdauert. Der Salon ist nun eine regelmässige Gesellschaft, die von einer Dame – der Salonière – in ihren privaten Räumen periodisch gegeben wird.
Die «Muse vom Dienst» ist das Zentrum des Salons: Sie ist Gastgeberin, macht die Gäste miteinander bekannt, bahnt Gespräche an und durchmischt die Runde. Der Salon ist eine «weibliche» Institution. Für viele gebildete Frauen ist er die einzige Möglichkeit, sich mit der Welt auszutauschen. Dabei muss der Salon kein Salon sein, sondern ist Privatgemach, Empfangszimmer oder sogar eine «Dachstube» wie der Rahel Levins: Nicht das Wo, sondern das Wie macht den Salon zum Salon. Es geht um Konversation und den Umgang miteinander und seit den ersten Treffen im Hôtel de Rambouillet spielt hier die Herkunft keine Rolle. Als offene Alternative zum Hofleben wird sich auf Augenhöhe begegnet und sich als Gleicher unter Gleichen unterhalten. Für Rahel Levin galt: «Nur die (Rücksicht) der geselligen Sitten fordre ich, denn das darf ich nicht erlassen.»
Konversationen
Der Salon wurde zu einer Art der Geselligkeit, bei der Französisch, Italienisch und Englisch zum guten Ton gehörten. Neben den regelmässigen Gästen, den Habitués, waren Besuche so auch für Reisende interessant. Bis 1800 war der Salon von Gräfin Thun in Wien weltweit für seine musikalische Bedeutung berühmt. Die Salonière hatte nicht nur Mozart, Haydn und Gluck geholfen, sondern auch ihren extrovertierten und unter Geldnöten leidenden Habitué Beethoven unterstützt und ihm die Fürsten Karl Lichnowsky und Andeas Rasumoffsky als Mäzene vermittelt. Gute Salons waren gebildete Salons und man unterhielt sich gerne über Literatur, über Musik, Kunst und Forschung (Politik war tabu). Ziel war ein gebildeter und leichter Plausch, der häufig nicht so sehr in die Tiefe ging, als dass er vor allem geistreich sein sollte. Im Salon opferte so mancher seine Meinung für ein Bonmot.
Who is Who
In Berlin blühten die Salons im 19.?Jahrhundert. Den Anfang nahm es im berühmtesten deutschen Salon von Rahel Levin (später Varnhagen). Es war eine «Konstellation von Schönheit, Grazie, Koketterie, Neigung, Liebschaft, Witz, Eleganz, Kordialität», die sich in ihrer «Dachstube» von ca.?1790 bis 1806 einfand. Hier fand Prinz Louis Ferdinand seine Geliebte Pauline Wiesel, hier nahm die Romantik um Tiek, Schlegel und Foqué ihren Anfang und auch Geistesgrössen wie Alexander von Humboldt wurden von der Originalität und dem Einfühlungsvermögen Rahels angezogen. War es in Frankreich schon im 18.?Jahrhundert weit verbreitet, so wurde es im 19.?Jahrhundert auch im Rest Europas Mode, Salon zu führen. Neben den hohen Salons führte dies auch zu einfachen Klatschrunden und zu Vorträgen von bescheidener Qualität. Die besonderen Salons jedoch sind gut dokumentiert und bekannt.
Kurz vor Ende der Salonkultur führt ein Blick zurück nach Frankreich in die Rue de Fleurus 27, in der Gertrude Stein von 1903 bis 1938 samstags Salon hielt. Die Wohnung lag in einem niedrigen Pavillon, an den ein Atelier anschloss. Pablo Picasso, Georges Braque und Henri Matisse, um nur einen Bruchteil zu nennen, begannen ihre Samstagabende in dem Salon von Stein, brachten weitere Gäste mit und bildeten das Zentrum der Avantgarde Europas.
Ende und Neuanfang
Das Ende des Salons hatte mehrere Gründe. Er war die Institution der weiblichen Kultur und Motor der Emanzipation gewesen, der seine Bedeutung verlor, als es für Frauen möglich wurde, sich ausserhalb des Hauses zu verwirklichen und zu bilden. Zum anderen wuchsen mit den Städten die Distanzen und so wurde einigen Gästen der Weg schlicht zu weit. Zuletzt beendeten die umgreifende Politisierung und der «Eifer im Meinen» die Gesprächskultur des «Waffenstillstands» und Neuigkeiten gab es auch in der Zeitung zu lesen. Der Salon blieb fast 80?Jahre ein Echo ferner Tage, bis er eine Wiedergeburt erlebt. Diejenigen, die sich halten, leben heute allerdings von einem Input, der zum allgemeinen Gespräch überführt und heute wie damals ist jeder Salon anders. In Berlin besteht seit 1995 «Der Literarische Salon Britta Gansebohm», in dem sich junge Literaten jeden Monat vorstellen dürfen. Mittlerweile ist die Salonière eine Institution, wenn es darum geht, Talente zu entdecken. In Zürich betreiben Christoph Keller und Christoph Homberger «Hombis Salon», der das Zürcher Musikleben bereichert. Deutlich exklusiver ist der Wiener «Salon Z» im ehemaligen Wohnhaus der ehemaligen Salonière Berta Zuckerkandl, der sich als Networking-Plattform versteht. Hier ist nicht jeder willkommen; das Top-Level ist den Veranstaltern gerade gut genug.
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