
Er läuft wieder – Der Spazierstock
- 20. Mai 2014
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Durch die Jahrhunderte kommen und gehen die Trends, aber der Spazierstock gehört zu einem der langlebigsten Accessoires in der Geschichte des Luxus und der Mode.
Seit geraumer Zeit wird der Stock wieder in die Hand genommen. Denn was einst Oscar Wilde, Peter Ustinov, Dagobert Duck, Charlie Chaplin oder gegenwärtig Dr. House zu nutzen pflegt(e), erlebt ein Comeback. Und Hollywood-Stars wie George Clooney und Brad Pitt erhöhen den Promifaktor des eleganten Spazierstocks – jedoch stellt man sich hier die Frage: Wer ist tatsächlich der Star?
An Eleganz hat der Spazierstock jedoch im Laufe der Jahre nicht verloren, sondern eher das Gegenteil. So optisch stillos und trivial wie noch vor einigen Jahren sind die Spazierstöcke längst nicht mehr. Ob mit einem Totenkopf am Griff, einem Parfüm im Flakon oder einer Dame im Griff des Spazierstocks … Die neuen Generationen bestechen durch eine stilvolle Optik, wobei die wahre Funktionalität jedoch nicht vernachlässigt wird. Ob beim Theaterbesuch oder beim Stadtbummel, der moderne Spazierstock besticht durch moderne Materialien und elegante Farben, die seinen Träger schmücken. Aber selbst den schlichtesten Exemplaren wohnt Eleganz und auf verführerische Weise eine gewisse Strenge und Sex-Appeal bei. Jedoch erfordert der Umgang mit dem Spazierstock ein gewisses Manöver und Können. Sofern der Nutzer dieses zu beherrschen weiss, ist die «Show» mit dem Stock gelungen. Sowohl Herr Pitt wie auch sein Freund Herr Clooney haben eine hervorragende Figur damit gemacht – und nun übt der modebewusste Grossstädter weiter …
Flanieren und Spazieren
Getreu der Diffusionstheorie sickerte der Stockeinsatz vom 18. bis ins 19. Jahrhundert – zuerst zum Adel und dann zum Bürgertum – durch. Ob Kavalier oder Dame, der elegant und kostbar gestaltete Spazierstock war über eine sehr lange Zeit ein unerlässliches, modisches Accessoire für jeden Spaziergänger. Denn der glorifizierte aufrechte Gang, war mehr als eine orthopädische Frage. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entrüsteten sich Zeitgenossen in Frankreich über «die Badenden von Trouville, die Touristinnen, die Damen von Welt, die nach Spa gehen oder in Vichy promenieren». Diese nahmen mit dem Spazierstock in der Hand männliche Allüren an, die in den Augen ehrbarer Männer niemals züchtigen verheirateten Frauen oder Müttern zustanden. So schnell kann’s gehen. Im 17. Jahrhunder,t als die Kavaliere am spanischen Hof damit begannen, zum Degen einen Stock mit Knauf zu tragen, gehörte der Gehstock den Herren. Auf dem Höhepunkt des Hypes, Ende des 19. Jahrhunderts, fingen die Frauen erst an zu rauchen, dann krallten sie sich zudem auch noch den Stock.
Beginn und Ende einer Ära
Für uns alle ist Charlie Chaplin ein Synonym zum Spazierstock. Jedoch verwendete er den dünnen Spazierstock lediglich nur als Karikatur eines Accessoires der bürgerlichen Gesellschaft, mal als Spassutensil – mit Fahrradklingel oder Flaschenhalter. Wenn man jedoch ein wenig weiter zurück in der Geschichte des Spazierstocks stochert, findet man die tatsächliche Funktion des Spazierstocks – oder Wanderstabs, wie er auch genannt wurde. Der Wanderstab hatte nämlich zu allen Zeiten zwei Funktionen: Gehhilfe und Waffe. Wenn sich unsere Vorfahren über die Berge begaben, diente der Wanderstab nicht nur als nützliche Hilfe, um das schwierige und steinige Gebirge zu bewältigen, sondern auch um Fressfeinde zu attackieren und gewiss auch zu töten. Daher hat das postmoderne Auge, welches überwiegend den Stock mit Zerbrechlichkeit und Schwäche verbindet, eine fehlerhafte Assoziation. Charlie Chaplins synchroner Gang mit seinen schrulligen Stockpirouetten waren schlussendlich die letztgültige Persiflage auf das modische Accessoire des 18. und 19. Jahrhunderts, welches nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig verschwand.
Die Rückkehr der guten Dinge
Mit dem Altern der Gesellschaft kehren, wie so oft erlebt, die «guten alten Dinge» wieder zurück. In diesem Falle ist der Spazierstock keine Ausnahme. Obwohl für viele immer noch mit dem Begriff «Stock» häufig Nordic Walking assoziiert wird, steht fest: Stock ist nicht gleich Stock. Denn was Oscar Wilde mit sich herumzutragen pflegte, hat damit herzlich wenig zu tun. Daher setzen die Autoren des Trendbarometers den Stock nach Jahrzehnte der Abstinenz auf Tendenz steigend. Unsere Gesellschaft ist wieder bereit für einen deklarierten Stilcodex. Trotz der ursprünglichen Funktion des Stocks als Waffe, sehnt sich heutzutage der stilvolle Mensch nach Qualität und einem Hauch von Respekt.