Eine Würze in aller Munde – Julius Maggi
- 8. Oktober 2012
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Aus dem Bestreben, der Mangelernährung im späten 19. Jahrhundert ein Ende zu setzen, entstanden das erste Fast-Food-Produkt und eine Marke, die auf der ganzen Welt bekannt ist. Infolge der Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildet sich die neue Gesellschaftsschicht der Fabrikarbeiter. Ihre Mitglieder sind meist einseitig und mangelhaft ernährt – für Fleischprodukte fehlt das Geld und für den Anbau von Gemüse die Zeit. Zudem arbeiten immer mehr Frauen in den Fabriken, denen damit kaum noch Zeit zum Kochen und für die Hausarbeit bleibt. Eine besondere Anfälligkeit für Krankheiten, Unterernährung und hohe Kindersterblichkeit sind die Folgen.
Aus der Not heraus geboren
Einer der Ersten, die diesen Zusammenhang erkennen, ist der Arzt und Fabrikinspektor Dr. Fridolin Schuler. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, auch Fabrikarbeitern nahrhafte Lebensmittel zugänglich zu machen, die den Erfordernissen der Zeit entsprechen, experimentiert Schuler gemeinsam mit dem Mühlenbesitzer und SGG-Mitglied (Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft) Julius Maggi in seiner Labor-Küche mit Mehl und sogenannten Leguminosen – Pflanzen, die besonders reich an Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen und Eiweiss sind. Sie suchen nach Lebensmitteln mit hohem Nährwert und kurzer Zubereitungszeit zu erschwinglichen Preisen. Das Ergebnis: Ab 1886 verkauft Maggi Suppenpulver aus Mehl von Erbsen, Bohnen und Linsen. Mit Wasser aufgekocht entstehen daraus nahrhafte, preiswerte und schnell zubereitete Mahlzeiten. Die Erfindung ist eine Sensation, die Maggi zum Pionier der Fast-Food-Industrie macht.
Julius Michael Johannes Maggi wird am 9. Oktober 1846 in Frauenfeld in der Schweiz geboren. Er kommt als jüngstes von fünf Kindern eines italienischen Einwanderers und einer Schweizerin zur Welt. Seine Jugendzeit verläuft turbulent. Häufig wechselt er die Schule. 1863 beginnt er eine kaufmännische Lehre in Basel, die er aber wieder abbricht. Danach startet Maggi richtig durch. Er arbeitet in schweizerischen Mühlenbetrieben in Budapest und wird bereits mit 21 Jahren stellvertretender Direktor. Im praktischen Geschäftsleben ist er voller Tatendrang. 1872 übernimmt er von seinem Vater die Hammermühle in Kempttal und kauft zudem die Zürcher Stadtmühle sowie die Mühle in Schaffhausen. Damit gehört die Familie Maggi zu den bedeutendsten Mühlenbesitzern in der Schweiz.
Liebstöckel wird Maggikraut
Das Jahr 1886 ist für ihn in mehrfacher Hinsicht ein denkwürdiges, denn Julius Maggi macht zu dieser Zeit eine weitere Erfindung, eine, die seinen Namen später in alle Welt tragen sollte: die bis heute berühmte und beliebte Maggi-Würze. Nach mehreren Jahren Forschung und ersten Anfangserfolgen kommt die legendäre Maggi-Würze auf den Markt. Das Produkt wird so populär, dass die geschmacklich ähnliche Gewürzpflanze Liebstöckel im Volksmund den Namen Maggikraut bekommt. Das Kuriose daran ist, dass in der Würze nicht mal Liebstöckel enthalten ist. Die Maggi-Flasche hat seit dem Jahr 1887 ihr Äusseres kaum verändert, ist aber erstaunlich jung geblieben. Auf dem nach unten verjüngten viereckigen Körper sitzt der gerade Hals mit dem spitzen Verschlusskäppchen. Das Käppchen ist rot, das Glas braun. Darauf klebt eine gelbe Banderole mit der Aufschrift «Maggi. Maggi-Suppen-Würze».
Und ganz gleich, was für ein Süppchen daraus gekocht wird, die Würze wird seit über 100 Jahren verwendet. Noch heute werden jährlich rund 9000 Tonnen davon hergestellt.
1887 gründete Julius Maggi jenseits der Schweizer Grenze, in Singen, eine deutsche Niederlassung. Die Wahl war äusserst glücklich getroffen, denn Singen war bereits 1863 an das Eisenbahnnetz angeschlossen und damit wichtiger Eisenbahnschnittpunkt. Im Werk waren anfangs acht Mitarbeiter beschäftigt, die «Maggi’s Würze» in Flaschen füllten. Doch das Werk wuchs und wuchs und überstand zwei Weltkriege. Es folgten Bouillons, die es als Kapseln und Würfel zu kaufen gibt. Immer neue Produkte und Formen werden entwickelt. Alles in der Absicht, dem modernen Menschen Zeit zu sparen und trotzdem eine bekömmliche Mahlzeit zu bieten. Heute vertreten Ernährungswissenschaftler eine andere Ansicht: Frisches Obst und Gemüse gehören auf den gesunden Speiseplan, auf Fertigprodukte verzichtet man möglichst. Trotzdem werden heute in Singen pro Jahr 41’000 Tonnen Trockenprodukte wie Suppen, Sossen, Bouillons, 9000 Tonnen flüssige Würzmittel und 48’000 Tonnen sterilisierte Produkte wie Ravioli oder Eintöpfe hergestellt. Die Produkte werden weltweit vertrieben und können fast überall auf der Welt gefunden werden. Nicht umsonst hat sich einer der berühmtesten Künstler der Welt, Andy Warhol, nur an zwei berühmten Flaschen der Welt versucht: der Coca-Cola-Flasche und der Maggi-Flasche.
Werbung macht Meister
Maggi ist ein Mythos – und Gattungsbegriff für eine riesige Produktpalette. Wie nennt man koffeinhaltige Limonade? Korrekt, Coca-Cola. Wie nennen wir das Papiertaschentuch? Richtig, Tempo. Und wie die Fertigwürzmischung? Genau, Maggi. Zum Erfolg der Maggi-Produkte trugen zum einen ihre einheitliche Etikettierung in Gelb und Rot, das Markenzeichen «Kreuzstern» sowie die typische Maggi-Flasche bei. Daneben betrieb Julius Maggi jedoch früh intensive Markenwerbung.
Er war ein Pionier der Markenartikel, der auch die Bedeutung von Werbung früh erkannte. Bereits 1886 richtete er ein Werbebüro ein, für das eine kurze Zeit sogar der Dramatiker Frank Wedekind textete.
Die handschriftlichen Originale der Werbetexte, die Wedekind für Maggi geschrieben hat, befinden sich in einer Sondersammlung der Aargauer Kantonsbibliothek. Sätze wie «Vater, mein Vater, ich werde nicht Soldat. Dieweil man bei der Infanterie nicht Maggi-Suppen hat.» «Söhnchen, mein Söhnchen, kommst Du erst zu den Truppen, so isst man dort auch längst nur Maggis Fleischkonservensuppen.» waren jedem Kind bekannt. Und so können auch heute noch alle den Slogan «Maggi – immer eine gute Suppe» mitsingen.
Diese leicht klebrige, braune Flüssigkeit in der Flasche gehört nun mal zur Grundausstattung fast jeder Küche, schliesslich scheuen auch Fernsehköche nicht den Griff zur Fertigwürze. Da mag es Gourmets noch so schaudern. Heute hält Maggi für alle Gaumenfreuden etwas parat. Für die Freunde der asiatischen Küche ebenso wie für Spaghetti-Fans. Man schwimmt mit auf der Wellness-Welle, im Internet hilft das Maggi-Kochstudio mit Rezepten aus. Man geht mit der Zeit und erkennt neue Trends wie damals Julius Maggi.
Vom Typ her war Julius Maggi ein knallharter Unternehmer. Aber auf der anderen Seite hatte er auch eine soziale Ader. Er war der Erste, der in der Schweiz eine Pensionskasse einführte. Für seine Arbeiter baute Maggi Wohnsiedlungen, Schulen und Schwimmbäder. Er führte die Betriebskrankenkasse, die 52,5-Stunden-Woche und den freien Samstagnachmittag mit vollem Lohnausgleich ein.
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Das teuerste Gewürz der Welt
Nur drei leuchtend rote Fäden bildet eine durchschnittliche Blüte des normalen Crocos sativus aus, die das teuerste und vielleicht auch geheimnisvollste Gewürz der Welt produziert. Nur diese roten Narben, in die sich ein im Ansatz leuchtend gelber Narbengriffel in der Mitte der violetten Blütenblätter verzweigt und die nur einen äusserst geringen Bruchteil der Pflanze ausmachen, sind echter Safran. Bis heute ist die Herkunft der alten Kulturpflanze nicht genau geklärt. Wahrscheinlich wurde die Knollenpflanze von den Kreuzrittern bei ihrer Rückkehr aus Asien nach Europa mitgebracht und anschliessend über Jahrhunderte in Spanien, Italien, Frankreich und sogar Deutschland angebaut und geerntet. Angebaut werden könnte der Crocos sativus überall da, wo auch Wein wächst. Der grösste Anteil hochwertigen Safrans, der bei uns zu Preisen von acht bis fünfzehn Euro pro Gramm in den Handel kommt, stammt jedoch aus dem Iran.