Eine Hollywood-Ikone in Zürich: Richard Gere
- 30. November 2012
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Anwälte, Ärzte, Agenten: Er hat schon alles gespielt. Seine weiblichen Fans sehen Richard Gere allerdings am liebsten als Romantiker. Dass er von seinem Charme nichts eingebüsst hat, bewies der Beau mit dem Silberhaar beim Besuch des Zurich Film Festivals. Was weiss man über Gere? Er ist Buddhist, Charakterdarsteller, treuer Ehemann und Weltverbesserer. Die rührselige Romanze «Pretty Woman» machte ihn zum Inbegriff des Märchenprinzen. Dieses Image klebt auch noch 22 Jahre später an dem Schauspieler. Jetzt ist Richard Gere mit seinen 63 im Rentenalter. Doch Frauen kippen in seiner Gegenwart immer noch um wie Dominosteine. Das war auch beim Zurich Film Festival so, wo der Hollywoodstar seinen sehenswerten Finanzthriller «Arbitrage» vorstellte. Vom Fanansturm war er sichtlich überwältigt. «Ich dachte immer, die Schweizer wären so ruhig, aber das ist der Wahnsinn», sagte Gere. Anschliessend wurde der Schauspieler mit dem Gold Icon Award für sein Lebenswerk geehrt. Die Auszeichnung ist verdient, schliesslich hat er in über 50 Filmen mitgespielt.
Sexy, sexy, sexy und unwiderstehlich
Der Irrsinn um seine Sexyness begleitete ihn von Anfang an. Alles losgetreten hat damals der Erotik-Krimi «American Gigolo: ein Mann für gewisse Stunden» (1980). Danach etablierte Gere sich mit den nicht minder sinnlichen Streifen «Ein Offizier und Gentleman» (1982) und «Atemlos» (1983). Dass er später dann auch noch das Top-Model Cindy Crawford heiratete, liess ihn für viele Frauen nur noch begehrenswerter erscheinen. 1993 wurde das Traumpaar vom amerikanischen «People Magazine» als «Sexiest Couple» ausgezeichnet. 1999 holte er dann auch noch solo den Titel als «Sexiest Man».
Beim Treffen mit dem PRESTIGE-Reporter in einem noblen Fünfsternehotel am Zürichsee macht sich der Hollywoodstar über sein sexy Image lustig. «Ich wundere mich selber, dass man mir noch immer Rollen in romantischen Komödien anbietet. Das ist verrückt, nach so vielen Jahrzehnten», sagt er und schiebt hinterher. «Ich bin doppelt so alt, wie es für ein Sexsymbol üblich ist. Ich gehöre eigentlich ins Seniorenheim.»
Sein Image als Mister Perfect torpediert er auch mit einer kleinen Geschichte aus seinem Privatleben. «Ich schnarche, und das anscheinend schrecklich laut», gibt er zu. Erst kürzlich liess er sich ein spezielles Mundstück anfertigen, das die Luftröhre auch nachts offen hält. «Dieses Opfer nahm ich für meine Frau auf mich. Hätte ich das nicht getan, müsste ich jetzt in einem anderen Zimmer schlafen.» Mit dem Ex-Bondgirl Carey Lowell («Licence to Kill») ist er seit zehn Jahren verheiratet. Das Paar hat einen 12-jährigen Sohn namens Homer (benannt nach Geres Vater). Seine Frau begleitete ihn ebenfalls mit nach Zürich. Wie halten die beiden Vielbeschäftigten ihre Ehe am Laufen? «Auch wir haben Probleme. Aber ich habe gelernt, sofort darüber zu reden. Ausserdem bin ich ehrlich mit mir selbst und versuche, mich in andere Menschen einzufühlen. Das ist schwer, aber dafür sind wir auf der Welt. Es macht uns zu besseren Menschen.»
Ein Leben mit dem Buddhismus
Solche Aussagen sind typisch für ihn. Er ist ein Gutmensch und arbeitet hart daran, dass das auch so bleibt. Wie sich der Schauspieler durchs Leben bewegt, ist geprägt vom Buddhismus. Mit dem in Kontakt kam er in der Schweiz. Vor bald 30 Jahren traf er hier erstmals den Dalai Lama, als dieser in einem Kloster gelehrt hat. «Das veränderte mein Leben …», sagt Gere. Seither setzt er seine Bekanntheit dafür ein, dem unterdrückten Tibet zu helfen. Darum erstaunt es auch kaum, dass der Schauspieler es sich nicht nehmen liess, bei seinem Schweiz-Besuch die Vorstandsmitglieder der tibetischen Organisationen in unserem Land zu treffen. Redet Richard Gere eigentlich auch mit dem von ihm bewunderten Dalai Lama über seine Filme? «Damit würde ich seine Zeit nie verschwenden.» Das Oberhaupt der Tibeter hat ihm allerdings geholfen, mit dem Starrummel fertigzuwerden. «Als mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass mich die Leute auf der Strasse erkennen, hatte ich Angst, meine Freiheit zu verlieren. Doch auch das muss man als Chance sehen: Wenn man sich nirgends mehr verstecken kann, muss man eben völlig offen sein, und diese Offenheit ist die grösste Freiheit.»
Weit entfernt vom Pensionärsdasein
Mit 63 setzen sich andere Leute zur Ruhe. Gere will nichts davon wissen und noch «mindestens 20 Jahre weiterdrehen». Dabei ist ihm vor allem eines wichtig: die bewusste Wahl des Regisseurs. «Wenn ich meinen Emotionen wirklich freien Lauf lassen soll, muss ich mich in Sicherheit wiegen können. Wenn das nicht gegeben ist, kann ich nicht funktionieren.» Bei Newcomer Nicholas Jarecki schien die Chemie jedenfalls zu stimmen, das merkt man dem Thriller «Arbitrage» auch an. Gere spielt vordergründig einen erfolgreichen New Yorker Unternehmer und liebenden Ehemann, dem aber in Wirklichkeit das Wasser bis zum Hals steht. Doch dem Schauspieler gelingt die Meisterleistung, dass der Zuschauer Sympathien für den skrupellosen Schweinehund auf der Leinwand entwickelt.
Aber selbst ein Kino-Highlight wie «Arbitrage» lässt nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihn sein Beruf nicht komplett erfüllt. Dem stimmt der Star aus «Red Corner», «The Jackal» und «Runaway Bride» zu. «Ich verspüre das Bedürfnis, mich zurückzuziehen. Aber die Schauspielerei ist nun mal meine Bestimmung. Das hat mir auch seine Heiligkeit, der Dalai Lama, gesagt. Ich brauche die wechselseitige Kommunikation, um mich weiterzuentwickeln.»
Reaktionen zu bekommen, ist ihm wichtig. Das war schon immer so. Vor der Kamera ist er – nach eigenen Angaben – nur dann gut, wenn er mit jemandem interagieren kann. Doch auch wenn es um Frauen geht, testet er gerne deren Reaktionen. Als Teenager stellte er potentielle neue Freundinnen mit brutalen Fotos von amputierten Füssen und Händen auf die Probe: Er liess die Bilder eines namhaften Kriegsfotografen zu Hause rumliegen, um zu provozieren. Konnte die betreffende Dame den Fotos nichts Künstlerisches abgewinnen, war es mit Geres Interesse sofort vorbei. Und auch seine Frau Carey musste einen Test bestehen. Er nahm sie mit zum Reiten. «Ich brauche jemanden an meiner Seite, der furchtlos ist. Also galoppierten wir durch den Schnee und ich hielt mich kein bisschen zurück. Aber sie war immer dicht hinter mir und sprang mit ihrem Pferd mutig über umgefallene Bäume. Das hat mir imponiert.»
Gere als Hotelier
Das Promipaar führt seit ein paar Jahren ein luxuriöses Boutique-Hotel im Bundesstaat New York. «Ich entdeckte per Zufall dieses zerfallene Landhaus aus dem 18. Jahrhundert in meiner Heimatstadt Bedford. Es hat mir wehgetan, es so heruntergekommen zu sehen. Wir haben es dann von Grund auf renoviert. Dieses Hotel ist eine Herzensangelegenheit für mich», sagt er. In seiner Nobelherberge gibt es lediglich acht Gästezimmer. Die Atmosphäre ist familiär, zwei Restaurants sorgen für das leibliche Wohl. «Die Schokoladenmousse mit Erdnussbutter ist unschlagbar», schwärmt Hausherr Gere. Zahlende Gäste sieht er dort gerne, bei aufdringlichen Fans ist das weniger der Fall. Wie bei der Horde mittelalterlicher Frauen, die vor kurzem plötzlich über die Mauer kletterten und den Hollywoodstar mit lautem «Hallo Richard!» begrüssten. Der verscheuchte die Ladies schnell wieder.
Dass Gere so angetan ist von seinem Hotel auf dem Land, macht Sinn. Denn er selber wuchs auf einer Farm auf. Sein Vater Homer war Versicherungsvertreter, seine Mutter Doris Hausfrau. Ambitionen in Richtung Schauspielerei hatten damals aber weder Richard noch seine vier Geschwister. Musik war das grosse Thema im Haus. Gere spielt mittlerweile Klavier, Gitarre, Trompete und Schlagzeug. «Musik war immer sehr wichtig für mich. Ich habe sie als Kommunikationsmittel gesehen. Ein Gefühl für Rhythmus zu haben, hilft einem auch in der Schauspielerei.» Hat er mal einen schlechten Tag, zaubern coole Songs die gute Laune schnell wieder herbei – besonders die von Bob Dylan. «Können Sie sich ein Leben ohne Dylans ‹Visions of Johanna› vorstellen? Oder ohne ‹Like A Rolling Stone›? Das sind Momente göttlicher Offenbarung …»
Short Cut
Gere und «Pretty Woman»
Wann hat er «Pretty Woman» zuletzt gesehen? «Nur an der Premiere damals. Keine Ahnung, wie lange das her ist», sagt der Schauspieler. Obwohl der Glückstreffer aus dem Jahr 1990 für nur 14 Millionen Dollar produziert wurde, spielte er 463 Millionen Dollar ein. In Geres Herzen hat der Film aber keinen besonderen Platz. Doch ihm ist bewusst, dass ihn wegen «Pretty Woman» heute noch viele Frauen anbeten. «Es passiert in der Tat gelegentlich, dass mir Frauen genau das gestehen. Auch wenn ich es persönlich absurd finde. Ich bin als Schauspieler eine Projektion – mit dem privaten Richard Gere haben diese Kunstfiguren nichts zu tun.»