Edles Schalentier mit zwei Scheren – Hummer
- 29. November 2012
- 0 comments
- typo2wp
- Posted in Culinarium
Hummer gilt gemeinhin als beliebte und sehr kostbare Delikatesse. Egal ob amerikanisch oder bretonisch: Das Fleisch des Hummers ist fest und geschmackvoll. Bei vielen Gourmets ist er wie die Auster ein absoluter Silvester-Klassiker. Kaum zu glauben, aber in vergangenen Zeiten galt Hummer als Arme-Leute-Essen, so gross war das Vorkommen des Schalentiers. In einem der ersten Streiks der Geschichte soll die Dienerschaft an der amerikanischen Ostküste sogar durchgesetzt haben, dass ihnen Hummer nicht mehr als dreimal die Woche serviert wird. Für das Hauspersonal war Hummer ein preiswertes Grundnahrungsmittel – wie heute Kartoffeln anderenorts. Es gab das Scherentier in solchem Überfluss, dass man die zuhauf angeschwemmten Exemplare zermahlte und als Dünger unterpflügte. Diesem landwirtschaftlichen Zweck wird der Hummer heute nicht mehr zugeführt. In hiesigen Gefilden gilt Hummer zusammen mit anderen Lebensmitteln wie Kaviar, Austern oder Champagner als Inbegriff der feinen, gehobenen Küche, obwohl er kein Vermögen mehr kosten muss.
Vom Arme-Leute-Essen zur Delikatesse
An der amerikanischen Ostküste ist Hummer nach wie vor oder besser gesagt wieder ein «Alltagsessen». Denn seit dem Einbruch der Kabeljau-Population, durch Überfischung, sind die Bestände von Hummer und Shrimps in einigen Teilen der Atlantikküste regelrecht explodiert. In Halifax und Umgebung werben Fastfoodketten wie McDonald’s gar mit der «McLobster Season», in der das Scherentier als Sandwich über die Theke geht. Der Geschmack ist jedoch auch nicht annähernd mit einem frischen, selbstgeknackten Hummer zu vergleichen. Hummer kann mit gutem Gewissen genossen werden, denn im Gegensatz zu den immer rarer werdenden Fischen aus den Weltmeeren nimmt die Zahl der Scherentiere zu – besonders vor der nordamerikanischen Küste in Maine. Über 25’000 Tonnen Hummer werden in Maine aus dem Wasser gezogen und in Feinschmeckerlokale in die ganze Welt verkauft.
In Maine gibt es pro Tag tausende von «Lucky Lobsters» – glückliche Hummer, denn Tiere, die sehr gross gewachsen sind, meist paarungsfreudige Männchen und Weibchen mit dunkelrotem Rogen an den Bäuchen, werden zurück ins Meer entlassen. Sie sichern die Zukunft! Ein weiterer Grund für das prächtige Gedeihen der Hummer ist zudem die «sanfte» Fangmethode. Während Crevetten und Jakobsmuscheln in Maine längst ausgestorben sind, weil sie mit Netzen gefangen wurden, gedeiht der Hummer prächtig, da er mit Hilfe von Reusen gefangen wird. Und im Unterschied zu Netzen zerstören Reusen die Meeresfauna nicht.
Bei lebendigem Leib ins kochende Wasser
Über die Zubereitung eines Hummers streiten sich die Geister. So manche Hausfrau lehnt es ab, Hummer zuzubereiten, da dies nichts für Tierfreunde und schwache Gemüter ist. Das Töten des Krustentiers geschieht in kochendem Wasser. Dazu muss das Wasser unbedingt sprudelnd kochen, und der Topf muss gross genug sein. Dann gibt man das Tier mit dem Kopf voran in das Wasser und legt den Deckel auf. Mit dieser Methode ist der Hummer in kürzester Zeit tot, auch wenn er sich noch etwas regt. Erschreckend sind für viele die «Pfiffe» des Hummers, wenn er in das kochende Wasser kommt. Viele meinen, dieses Pfeifen sei der Todesschrei des Hummers. Laut Experten entweicht in Wirklichkeit jedoch nur laut zischend Luft aus dem Panzer des Tiers. Der Autor David Foster beschrieb das Kochen eines Hummers folgendermassen: «Auch nachdem der Hummer im Wasser untergegangen ist, ja selbst bei geschlossenem Deckel, hört man, wie er sich dagegen wehrt und aus seiner Not entkommen will. Dieses Kratzen der Scheren an der Topfwand, die Stösse gegen den Deckel, wenn der ganze Körper hin und her peitscht!» – keine schöne Vorstellung. Doch wer frischen Hummer zu Hause verspeisen möchte, muss sich dieser Prozedur wohl oder über unterziehen. Da tote Hummer schnell Giftstoffe entwickeln, die zu Lebensmittelvergiftungen führen, werden gefangene Hummer grundsätzlich nicht getötet.
Roher Hummer wird also fast ausschliesslich lebend verkauft. Beim Kauf lebender Hummer sollte man darauf achten, dass der Hummer noch kräftig Beine und Scheren bewegt. Vom Kauf eines sich träge oder gar nicht mehr bewegenden Hummers ist abzuraten. Ein lebender Hummer sollte nach dem Herausnehmen aus dem Becken und dem Entfernen der Bänder seine Scheren spreizen. Ein Zeichen für höchste Frische. Ausserdem muss der Panzer prall mit Fleisch gefüllt sein. Das Tier sollte also «schwer» in der Hand liegen.
Europäische Hummer kommen meist aus Schottland, Norwegen, Irland und aus der Bretagne. Dabei ist zu bedenken, dass dieser Hummer Sommerware ist, kauft man ihn also im Winter, so ist er meist lange gehältert worden und von minderer Qualität. Fangfrischen kanadischen Hummer gibt es dagegen das ganze Jahr über. Der kanadische Lobster ist zudem auch preisgünstiger, da die Fangrate weitaus grösser ist.
Der Hummerkoch
Peter Nöthel gehört seit über 25 Jahren zu den besten Köchen Deutschlands. Seit 1991 führt er zwei Sterne und im Gault-Millau wurde er mit 18 Punkten ausgezeichnet. Sein Essen ist ohne grossen Firlefanz, jedoch stets an Spitzenqualität orientiert. Nach dem Besuch der Hotelfachschule in Salzburg führte ihn sein Weg vom «Haus zu Haus» (Ratingen) über das Restaurant «Gala» (im Casino, Aachen), das «Landhaus Laret» (in Davos) nach Düsseldorf, wo er seit 1985 sein eigenes Restaurant «Hummer-Stübchen» und das Hotel Fischerhaus betreibt. Anders als andere Küchenchefs scheut Nöthel ein wenig die Öffentlichkeit. In Luzern im «Schweizerhof» wurden zum ersten Mal ausserhalb des «Hummer-Stübchens» einige seiner Hummergerichte, darunter die bei Gourmets weltbekannte Hummersuppe mit Champagner, serviert. Das von Peter Nöthel zusammengestellte Hummermenu wurde begleitet von einer exquisiten Auswahl an Champagner der Traditionsmarke Perrier Jouët. PRESTIGE traf sich mit dem etwas kantigen Sternekoch und sprach mit ihm über seine Leidenschaft zu den Schalentieren, ihrer richtigen Zubereitung und über Champagner als passenden Hummerbegleiter.
PRESTIGE: Herr Nöthel, Sie werden als der «Hummerkoch» betitelt und Ihr Restaurant in Düsseldorf heisst auch «Hummer-Stübchen». Wie kam es zu der Liebe zu diesem Schalentier?
Peter Nöthel: Zum Hummer kam ich, man will es kaum glauben, durch die Schweiz. Der Grundgedanke resultiert aus der Hummer- und Austernbar in Zürich im «St. Gotthard». Dort war ich vor circa dreissig Jahren ab und an als Gast. Hummer war schon immer ein ausgesprochen hoch gehandeltes Produkt, obwohl es heute gar nicht mehr so exklusiv ist. Ein Rinderfilet kostet im EK mehr als ein halber Hummer. Aber die meisten Menschen können oder wollen einen Hummer zu Hause nicht zubereiten. Daher auch diese «aufgesetzte» Exklusivität. Ich erkannte jedoch, dass man aus Hummer eine derartige Vielfalt an Gerichten zubereiten kann. Man kann ihn «nature», asiatisch oder mit Ochsenschwanz essen. Daraus entstand also die Idee, etwas mit Hummer zu machen. Zudem kannte niemand meinen Namen, aber Hummer war etwas, das Aufmerksamkeit erweckte. Daher begleitet mich der Hummer seit 27 Jahren ohne irgendwelche Skandale.
Woher kommt der beste Hummer?
Darüber scheiden sich die Geister und ich führe seit 25 Jahren meine Streitgespräche zu diesem Thema. Die meisten Fachleute und Journalisten bezeichnen bretonischen Hummer als den besten Hummer. Ich glaube jedoch nicht, dass man bei gleicher Zubereitung einen grossen Unterschied herausschmeckt. Die Hummerqualität hängt von der Frische, von der Lebendigkeit, sprich, wie lange war ein Hummer bereits in Gefangenschaft und inwieweit beginnt er dadurch zu zähren. Ich bin also nicht der Meinung, dass man sagen kann, ob der kanadische, amerikanische oder europäische Hummer besser oder schlechter ist. Es kommt vieles auf die richtige Zubereitung an.
Wie sieht die richtige Zubereitung aus?
Die meisten meiner Kollegen machen den Fehler, da sie nicht häufig mit Hummer arbeiten, dass sie den Hummer totkochen. In Kochbüchern findet man teilweise die Angabe fünf Minuten für 100 Gramm. Bei einem 1-Kilo-Hummer würde das eine Kochzeit von 50 Minuten bedeuten. Das ist tragisch. Wir kochen Hummer in dieser Grösse immer fünf Minuten. Dieser wird dann anschliessend kurz angebraten oder gratiniert.
Für eine Sterneküche haben Sie in Ihrem «Hummer-Stübchen» recht moderate Preise. Ist das ein Zeichen, dass sich die Sterneküche verändert hat?
Die klassische Sterneküche, wie wir sie früher zelebriert haben, ist schon lange nicht mehr en vogue. Ausgeprägt grosse Menus zu sehr hohen Preisen, das macht der Gast heute nicht mehr mit. Wir haben unsere Preise gesenkt und sind daher immer noch recht gut besucht. Das Problem ist jedoch, dass Qualität ihren Preis haben muss. Man müsste also eigentlich mit anderen Produkten arbeiten … Ich habe da auch schon einen Plan.
Das hört sich nach baldigen Veränderungen an …
Ja, ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich mich noch einmal komplett verändern möchte. Die kulinarische Landschaft hat sich in Deutschland sehr verändert. Der Name «Hummer-Stübchen» ist längst nicht mehr zeitgemäss. Hummer, Kaviar, Champagner und Gänseleber will heute niemand mehr hören – das ist vielen, besonders Firmen, viel zu exklusiv. Nur so viel: Meine Zukunft und die meiner beiden Söhne, die mit in meinem Betrieb arbeiten, wird nicht am Herd eines Sternerestaurants sein. 2013 wird einiges passieren – lassen Sie sich überraschen!
Der heutige Abend findet in Kooperation mit dem Champagnerhersteller Perrier Jouët statt. Haben Sie Ihre Gerichte darauf abgestimmt und ist Champagner ein perfekter Begleiter zu Hummergerichten?
Heute Abend wird es unter anderem Hummer auf Chili-Krokant, meine Hummersuppe mit Champagner, gebratenen Hummer auf geschmorter Kalbshaxe mit Eierschwämmli, Spinat und Pommes mousseline geben – alles Klassiker aus dem «Hummer-Stübchen». Ich habe also keines der Gerichte auf den Champagner abgestimmt. Aber Champagner ist einfach ein perfekter Begleiter zu Hummergerichten. Und auch auf die Gefahr hin, dass mich Champagner-Kenner dafür am liebsten lynchen möchten, auf Eis ist er ein perfektes Küchengetränk.
Wie würden Sie Ihre eigene Küche beschreiben?
Ich koche eine neue deutsche Küche mit vielen regionalen Impressionen. Ich koche vielleicht nicht so kreativ wie andere Köche, aber ich koche ja auch für meine Gäste, und denen schmeckts. Wir kombinieren gerne Hummer mit Fleisch. Eine tolle Paarung, wenn man es richtig macht.
Ist Hummer heutzutage noch ein Luxusprodukt?
Das kommt darauf an, was man unter «Luxusprodukt» versteht. Hummer ist für uns hier kein Luxusprodukt, weil wir sehr viel davon verarbeiten. Wichtiger als Luxusprodukte sind ethisch vertretbare Produkte, sprich, wenn möglich verwende ich regionale Produkte. Alles, was wir verarbeiten, kann ich auch vertreten, auch wenn ich dafür auf teurere Produkte zurückgreifen muss. Doch es gibt viele andere Aspekte: In einigen Restaurants werden Krebsen bei lebendigem Leib der Darm gezogen, so was würde es bei mir niemals geben, denn das ist Tierquälerei aus reiner Bequemlichkeit des Koches.
Hummer wird aber auch bei lebendigem Leib ins kochende Wasser geworfen?
Ja, das ist die humanste Tötungsmethode. Man muss aber darauf achten, dass in einem Topf nicht zu viele Tiere sind, denn sonst kühlt sich das Wasser ab und der Tötungsprozess verlängert sich unnötig. Man muss jeden Tieren gegenüber einen gewissen Anstand haben.
Kochen ist für Sie in drei Worten?
Freiheit, Kreativität und Musse.
Würden Sie Hummer als Ihre Henkersmahlzeit auswählen?
Ich esse Hummer sehr gern, aber mein Lieblingsgericht ist Rheinischer Sauerbraten.
Shortcut
Diese Grösse ist selten …
Das Guinness-Buch der Rekorde besagt, dass am 11. Februar 1977 vor der Küste der kanadischen Halbinsel Neuschottland ein mehr als 20 Kilogramm schwerer Hummer gefangen wurde. Ein Rekord, der bis heute besteht, da nur wenige Hummer heute lang genug leben, um ihre volle Körpergrösse zu erreichen – dazu brauchen sie bis zu 60 Jahre. In der Regel können Hummer bis zu 70 Zentimeter gross werden und erreichen dabei ein Gewicht von über neun Kilogramm. Der Verzehr eines solchen Tieres empfiehlt sich aber nicht, denn sein Fleisch ist eher zäh. ??